Amnesty fordert grundlegende Reform des Sexualstrafrechts

Medienmitteilung: Amnesty International zeigt sich solidarisch und trägt am 14. Juni die Forderung für eine grundlegende Reform des veralteten Schweizer Sexualstrafrechts in den Frauenstreik. Mit verschiedenen Aktionen und Ansprachen macht die Menschenrechtsorganisation auf das schockierende Ausmass sexueller Gewalt aufmerksam und appelliert an Parlament und Regierung endlich Massnahmen zu ergreifen, um Frauen besser vor Übergriffen zu schützen.

In neun Schweizer Städten (Bern, Zürich, Genf, Lausanne, Luzern, Fribourg, Neuenburg, Winterthur, Monthey) sind Amnesty-Aktivistinnen und -aktivisten am 14. Juni präsent und fordern ein modernes Strafrecht, dass die sexuelle Selbstbestimmung wirksam schützt.

«Es braucht endlich Massnahmen gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen. Die Politik hat das Thema viel zu lang verschlafen. Es ist Zeit, dass Regierung und Parlament aufwachen: Es reicht. Handelt jetzt!», sagte Manon Schick, Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion von Amnesty International.

Im Nachgang zum Frauenstreik 1991 wurde das Gleichstellungsgesetz geschaffen, der Schwanger-schaftsabbruch legalisiert und die Mutterschaftsversicherung eingeführt. Amnesty International macht sich stark dafür, dass im Nachgang zum Frauenstreik 2019 die Istanbul-Konvention in der Schweiz umgesetzt und das Sexualstrafrecht grundlegend reformiert wird. Namentlich soll Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung als Vergewaltigung zu bestrafen sein. «Nur ein Ja ist ein Ja: Das muss auch für die Schweiz gelten», sagte Manon Schick.

Petition an Bundesrätin Keller-Sutter

Amnesty International ruft in einer Petition Justizministerin Karin Keller-Sutter und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dazu auf, Vorschläge für eine Reform des Sexualstrafrechts vorzulegen, damit alle sexuellen Handlungen ohne Einwilligung angemessen bestraft werden können. Weiter ver-langt die Petition die obligatorische Ausbildung und kontinuierliche Schulung bei Justiz, Polizei sowie für Anwältinnen und Anwälte im Umgang mit Betroffenen von sexueller Gewalt sowie systematische Da-tenerhebungen und Forschung zur strafrechtlichen Verfolgung von Delikten gegen die sexuelle Integrität in der Schweiz.

Dem Aufruf haben sich 22 Strafrechtsprofessorinnen und -professoren aus der ganzen Schweiz angeschlossen. Tausende von Unterschriften sind seit der öffentlichen Lancierung am 21. Mai bereits eingegangen.

Schockierendes Ausmass an Gewalt

Sexuelle Gewalt ist in der Schweiz viel verbreiteter als gedacht: Mindestens jede fünfte Frau ab 16 Jah-ren hat gegen ihren Willen sexuelle Handlungen erlebt, mehr als jede zehnte Frau erlitt Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen. Doch nur die wenigsten der Betroffenen erstatteten Anzeige bei der Polizei. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage unter rund 4500 Frauen hervor, die das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Amnesty International durchgeführt hat. Gründe für die hohe Straflosigkeit der Täter sehen RechtsexpertInnen und Opferberatungsstellen vor allem im veralteten Schweizer Sexualstrafrecht und in Vergewaltigungsmythen, die in der Gesellschaft und im Justizsystem verbreitet sind.

Amnesty International
11. Juni 2019 | 11:33