† Seine Eminenz Kardinal Heinrich Schwery

Ein Hirte, der Klartext sprach

In den Morgenstunden des 7. Januar verstarb im Altersheim Le Carillon in St. Leonard im Alter von 89 Jahren Seine Eminenz, Kardinal Heinrich Schwery. Mit ihm starb der ranghöchste Geistliche in der Schweiz.

Heinrich Schwery stammt von Ried-Mörel und wurde am 14. Juni 1932 in St-Léonard geboren. Nach seinen Studien im Priesterseminar in Sitten und der Universität Gregoriana in Rom wurde er am 7. Juli 1957 in der Pfarrkirche von Sankt Leonhard zum Priester geweiht. Nach dem Studium der Mathematik und theoretischen Physik an der Universität Freiburg, wurde er 1961 Physiklehrer am Kollegium Sitten, 1968-1972 Direktor des Kleinen Seminars der Diözese und 1972-1977 Rektor des Kollegiums von Sitten. Am 22. Juli 1977 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Bischof von Sitten, am darauffolgenden 17. September erteilte ihm sein Vorgänger, Bischof Nestor Adam in der Kathedrale von Sitten die Bischofsweihe. 1983-1988 war Schwery Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. In seiner Amtszeit fiel 1984 der Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Schweiz mit der grossen Festmesse am 17. Juni in Sitten. 1991 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinalpriester mit der Titelkirche Ss. Protomartiri in Via Aurelia Antica in Rom. Er war Mitglied der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen und des päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel. Die Leitung des Bistums Sitten legte er am 1. April 1995 nieder. Als Gründe für seinen Rücktritt nannte der Kardinal damals «die grosse Ermüdung und die zunehmende Verschlechterung meiner Gesundheit».

Ein paar Jahre wohnte er anschliessend noch in Sitten, zog sich aber schliesslich in seinen Geburtsort Sankt Leonhard zurück.  2005 nahm er am Konklave teil, aus dem Kardinal Josef Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorging.

Berufungen und Familie

Geprägt vom Geist des 2. Vatikanischen Konzils und der Synode 72 im Bistum Sitten, als deren Präsident der damalige Rektor Schwery amtete, suchte Bischof Schwery seinen Dienst aus der Kraft Gottes mit aussergewöhnlichem Pflichtbewusstsein und einem tiefen Verantwortungsgefühl zu erfüllen. Ein erster wichtiger Punkt in seinem Episkopat bildete die Förderung der geistlichen Berufe. Deshalb rief er 1978 das «Jahr der Berufe» aus, dessen Höhepunkt die grosse Oberwalliser Wallfahrt nach Glis am 15. Oktober war, an der 3000 Personen teilnahmen. Um eine gute Ausbildung für künftige Priester zu fördern, gründete er in Givisiez gegen grosse Widerstände seitens verschiedener Priester und Laien ein eigenes Priesterseminar. Daneben förderte er auch die Mitarbeit von ausgebildeten Laientheologen und -theologinnen in den Pfarreien sowie von allen Gläubigen in den verschiedenen Räten des Pfarrei- und Seelsorgerates. Ein weiterer wichtiger Punkt war für den Bischof auch die Ehe- und Familienseelsorge. Dafür rief er 1990 ein «Triennium der Familie» aus, also ein dreijähriges Nachdenken und Gebet für Familien. Eine sichtbare Frucht dieser Jahre ist die Errichtung der Seelsorgestellen für die Familienseelsorge (Fachstelle Ehe und Familie) und die Seelsorge für Geschiedene.

Firmungen und Weihen

Zahllos sind die Kinder und Jugendlichen, die aus der Hand des Bischofs das Sakrament der Firmung empfangen durften. Der direkte Kontakt des Walliser Oberhirten zu den ihm anvertrauten Gläubigen war ihm so wichtig, dass er sich, wann immer möglich, in den Pfarreien aufhielt, um die Sorgen und Freuden der Menschen zu erfahren und sie in ihrem christlichen Bemühen zu ermutigen und zu stärken. In zahlreichen Hirtenbriefen, Zeitungsartikeln und Predigten nahm er immer wieder Stellung zu aktuellen Fragen aus Kirche und Welt. Der zunehmende Priestermangel und die neuen Anforderungen in der Seelsorge machten immer mehr die Schaffung von diözesanen Seelsorgestellen notwendig. Sie sollten Impulse, Hinweise und Richtung geben für die konkrete Arbeit der Seelsorge in den Pfarreien. Zu den schönsten Erinnerungen des Bischofs gehörten die 53 Priesterweihen, die er in seiner Amtszeit spenden durfte.

Der Kardinal

Es war für alle eine grosse Überraschung als am 29. Mai 1991 die Meldung aus Rom eintraf, dass Papst Johannes Paul II. den Bischof von Sitten in den Kreis der Kardinäle aufnehmen werde. Diese Ernennung hat natürlich nicht nur im Bistum Sitten, sondern auch auf der politischen Ebene der Schweiz für Aufsehen gesorgt. In Bischof Schwery erhielt das Wallis nach Matthäus Schiner (1465-1522) seinen zweiten, die Schweiz ihren sechsten Kardinal. Die Überraschung war umso grösser als andere Bischöfe in der Schweiz bereits selber auf eine Erhebung in den Kardinalsstand hofften und nun leer ausgingen. Warum der Papst ausgerechnet Bischof Schwery, diesen «Bonvivant ohne Ambitionen mit blassem theologischem Profil» (Der Bund) mit dem Purpur auszeichnete, kann nur spekuliert werden, denn eine solche Ernennung liegt in der freien Verfügbarkeit des Heiligen Vaters. Die einen sahen in seiner Beförderung eine Fügung Gottes, die anderen einfach einen Schachzug der römischen Kurie, die von der misslichen Lage der Kirche in der Schweiz ablenken wollte. Die Ernennung zum Kardinal war jedoch eine Auszeichnung für Schwerys Zuverlässigkeit, seinen Glauben und sein treues Stehen zur Lehre der Kirche, die nicht immer von allen verstanden wurde und deswegen oft auch Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt war. Das hat auch Bischof Schwery erlebt und er hat darunter gelitten.

Schwere Zeiten

Bischof Schwery erlebte auch dunkle Stunden. Einer, der ihn gut kannte, war Norbert Brunner, der jahrelang sein engster Mitarbeiter und dann auch sein Nachfolger war. Er schrieb: Zu den dunklen Stunden «gehören sicher und zuerst die Austritte aus dem Priesterdienst, welche er miterleben musste. Gerade weil er als Bischof für alle seine Priester ein Vater sein wollte, empfand er diese Austritte als sehr schmerzlich. Eine dunkle Stunde im Buch seiner Erinnerung wird dann gewiss der Bruch seines Bruders im Bischofsamt Marcel Lefebvre mit der Kirche sein. Er hatte allein und zusammen mit seinem ganzen Bistum in einem Triduum bei Unserer Lieben Frau auf Valeria darum gebetet und gerungen, dass der Kirche diese Trennung erspart bleiben möge.

Aber auch die ungerechte, unsachliche und niederreissende Kritik fügten ihm manches Leid zu. Ein Mann wie er, der sein ganzes Leben und Wirken ohne Mass in den Dienst der Kirche und der Menschen stellte, musste es als verletzend empfinden, wenn er nicht verstanden wurde, wenn seine Anstrengungen falsch gemessen und zurückgewiesen wurden… Denn Bischof Heinrich erkannte in seinem Weitblick und mit seiner hohen Intelligenz ganz klar auch die Gefahren, welche der Kirche, welche den Christen und welche den Glauben in dieser Zeit bedrohten und unterhöhlten».

Sein Schaffen für die Reinheit des Glaubens hat ihm viel Ehre eingebracht, aber auch viel Undank und Kritik. Durch seine nicht immer sehr diplomatische Art und den strengen Charakter eines Berglers, der hie und da durchschien, hat er es manchen auch nicht immer ganz einfach gemacht ihn zu verstehen und seine Ideen mitzutragen. Auch dies wird wohl als dunkler Schatten in seiner Bilanz zurückbleiben. Ein Zitat, das der 2017 verstorbene Erzbischof von Köln, Joachim Meisner über sich selber sagte, könnte auch von Kardinal Schwery stammen: «Ich sage grundsätzliche Dinge nicht mit dem Ziel, die Menschen zu ärgern, sondern weil ich mich als Bischof vor meinem Gewissen verpflichtet weiss, die Dinge beim Namen zu nennen – ob gelegen oder ungelegen.»

Es bleibt aber auch und vor allem wahr, was Pfarrer Bruno Lauber 2002 schrieb: «Bischof Heinrich Schwery blieb stets frei von jeder bischöflichen ›Allüre’. So sehr er sich über Anerkennung und Ehrungen freuen konnte, blieb er doch in seinem ganzen Verhalten der Devise treu: Wir sind nur Lehrer im Auftrag des einzigen Lehrers der Kirche, Jesus Christus. Diese ›Transparenz’ auf den ›Herrn’ hin ist sicher das Kostbarste, was er uns, seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst und allen Gläubigen im Bistum und darüber hinaus vermitteln konnte… Dafür sind wir ihm dankbar».

Der Beerdigungsgottesdienst für Kardinal Heinrich Schwery wird am Montag, 11. Januar 2021 um 10.30 Uhr in der Kathedrale von Sitten stattfinden. Da die Anzahl Plätze für die Teilnehmenden beschränkt sind, wird es für die Gläubigen nicht möglich sein an dieser Feier anwesend zu sein. Sie sind eingeladen sich im Gebet mit der feiernden Gemeinschaft zu verbinden. Der Herr möge seinen guten und treuen Diener in die Herrlichkeit seines Reiches aufnehmen. Das Licht, das wir am Fest Erscheinung des Herrn gefeiert haben, möge für ihn nun ewig leuchten. R.I.P.

                                                                                                          KID/pm

Bistum Sitten
7. Januar 2021 | 15:49