Julia Enxing, Professorin für Systematische Theologie an der Technischen Universität Dresden
Schweiz

Feinschwarz bietet «Theologie fürs Volk» – Herbert Haag Preis für scharfe Diagnosen

Das theologische Online-Magazin feinschwarz.net sowie die deutsche Theologin Julia Enxing (40) haben den «Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche» 2023 erhalten. Damit werde das Bemühen der Preisträgerinnen und Preisträger gewürdigt, «den innerkirchlichen Bereich zu überwinden und Theologie in säkularen Kontexten zu betreiben», wie die Schweizer Stiftung dazu mitteilte. Die Preisverleihung fand am Sonntag in Luzern statt.

Charles Martig

Die Lukaskirche in Luzern ist Schauplatz der Preisverleihung. Im Mittelpunkt steht die Redaktion des erstaunlich erfolgreichen Blogs feinschwarz.net. Es handelt sich um ein publizistisches Projekt, das Theologie verständlich vermitteln will. Der Erfolg gibt der Redaktion Recht.

Die Delegation von «Feinschwarz», einem österreichisch-schweizerisch-deutschen Gemeinschaftsprojekt.
Die Delegation von «Feinschwarz», einem österreichisch-schweizerisch-deutschen Gemeinschaftsprojekt.

Die Themen reichen von #OutInChurch, über den Verrat der Seelenführer in geistlichen Bewegungen und Machtansprüchen der Kleriker-Kirche bis zur spirituellen Autonomie. Eingestreut finden sich hier auch feuilletonistische Stücke über Engel und Tinder, die sich mit Alltagskultur beschäftigen. Der Mix ist überraschend, anregend und theologisch versiert. Feinschwarz will «Theologie unters Volk bringen».

Feinschwarz diagnostiziert scharf

Laudatorin Irmtraud Fischer würdigt feinschwarz.net als eine Initiative von theologisch hoch gebildeten Frauen und Männern, «die egalitär organisiert eine Initiative gegründet haben, die den behauptet alternativlosen Wahrheiten eines klerikal-hierarchischen Systems theologisch fundierte Argumente gegenübersetzen».

Laudatorin Irmtraud Fischer
Laudatorin Irmtraud Fischer

Sie nähmen für sich die Freiheit des Lehramtes der Theologie in Anspruch, «freilich nicht aus autoritativem Anspruch, sondern vielmehr scharf diagnostiziert, gut durchdacht, sozial- und humanwissenschaftlich sauber argumentiert». Die aufgegriffenen Themen haben laut Fischer immer einen Gegenwartsbezug und seien «fern vom innerkirchlichen Glasperlenspiel».

Preisträgerin Julia Enxing ist am Puls der Zeit

Julia Enxing ist Teil des Redaktionsteams von feinschwarz.net. Sie arbeitet als Theologin in Dresden; ist dort Professorin für Systematische Theologie an der Technischen Universität.

Julia Enxing an der Herbert-Haag-Preisverleihung in Luzern.
Julia Enxing an der Herbert-Haag-Preisverleihung in Luzern.

Mit ihrem Zugang zur Theologie wird deutlich, was das Online-Magazin so besonders macht: «So wie Gesellschaften, Politik, Ökologie und Ökonomie sich fortwährend verändern, so ist auch eine Theologie und Kirche, die sich in Leben und Alltag verortet, in Bewegung. Theologie am Puls der Zeit zu treiben bedeutet deshalb auch, flexibel zu sein», schreibt sie auf ihrer Webseite.

Keine Märchenstunde von gestern

An der Preisverleihung spricht Enxing von ihrem theologischen Ansatz. Dabei stellt sie die Frage, ob Theologie noch relevant ist. Handelt es sich um eine Märchenstunde von gestern?

Die Preisverleihung war gut besucht.
Die Preisverleihung war gut besucht.

Dem hält Sie entgegen: «Die Frage nach der Relevanz zu stellen, birgt aber auch eine Chance: Nämlich jene, die Relevanz der Theologie auszuleuchten. Ist man von der Relevanz G*ttes überzeugt, stellt sich die Herausforderung, so von diesem G*tt zu reden, diesen G*tt so zu bezeugen, dass die geglaubte und gehoffte Relevanz sich auch in einer relevanten Theologie auszudrücken vermag.»

Ist Theologie noch relevant?

Auch kath.ch hat sich der Relevanz verschrieben. Aber was bedeutet dieses Wort? Julia Enxing führt in ihrer Festansprache in Luzern aus: « ‹Relevant› leitet sich vom Lateinischen ‹relevans› ab, was so viel heisst wie ‹in die Höhe heben›.

Die Redaktion von "Feinschwarz" bei der Preisverleihung der Herbert Haag Stiftung.
Die Redaktion von "Feinschwarz" bei der Preisverleihung der Herbert Haag Stiftung.

Vielleicht geht es genau darum, den eigenen Blick, das eigene Herz und den eigenen Geist zu heben und in diesem performativen Prozess jene Aufrichtung zu erfahren, die nur in der Logik eines Ineinanders von Immanenz und Transzendenz überhaupt möglich ist. Möglich. Eine Möglichkeit, keine Sicherheit, keine zwangsläufige Wirklichkeit, eine Möglichkeit. Theologie kann diese Möglichkeit eröffnen.»

Während kath.ch die Aktualität mit Relevanz verbindet, ist feinschwarz.net an der Brücke zwischen Theologie und Relevanz interessiert. Hier zeigt sich eine Verwandtschaft, aber auch ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Online-Medien.

Krieg, Gerechtigkeit und Frieden

Bereits in der Eröffnung der Preisverleihung hat Odilo Noti, Präsident der Herbert Haag Stiftung, die gesellschaftliche Bedeutung von Theologie betont.

Odilo Noti, Präsident der Herbert Haag Stiftung
Odilo Noti, Präsident der Herbert Haag Stiftung

Angesichts des Kriegs in der Ukraine muss sich Theologie dem Angriffskrieg gegen die Ukraine zuwenden: «Bei allen unterschiedlichen Einschätzungen gilt, dass nur der Friede, nicht aber der Krieg gerecht sein kann. Selbst dann, wenn ein Krieg hingenommen werden muss, um schlimmeres Unrecht zu verhindern. Krieg ist und bleibt Unrecht», hielt Noti fest.

Kein Friede ohne Gerechtigkeit

Aber auch Frieden und Gerechtigkeit gehörten untrennbar zusammen: «Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Diese Botschaft vermitteln uns vor allem die Opfer des Krieges – allen voran die wehrlose Zivilbevölkerung, die Vertriebenen und die Flüchtenden. Ihre Sicht der Dinge geht uns unmittelbar an. Denn die jüdisch-christliche Tradition wird umgetrieben von der Vision der Gerechtigkeit, einer rettenden Gerechtigkeit» so Noti in seiner Eröffnungsrede. «Es muss anders zugehen in der Welt. Das Unrecht darf nicht das letzte Wort haben.»

Berichterstattung mit Material von kathpress. Am Dienstag publiziert kath.ch ein Porträt der Preisträgerin Julia Enxing.


Julia Enxing, Professorin für Systematische Theologie an der Technischen Universität Dresden | © Franca Pedrazzetti / Herbert Haag Stiftung
27. März 2023 | 16:09
Lesezeit: ca. 3 Min.
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«Feinschwarz.net»

Das österreichisch-schweizerisch-deutsche Online-Magazin «feinschwarz.net» wurde 2015 gegründet und erreicht nach Angaben der Juroren 100’000 Leserinnen und Leser pro Monat. Damit gehört das ehrenamtliche Redaktionsteam von aktuell 13 Personen – darunter neben Julia Enxing aus Deutschland u.a. Daniel Bogner und Franziska Loretan-Saladin aus der Schweiz – zu den führenden unabhängigen Medien im kirchlich-theologischen Bereich.

Nach eigenem Bekunden will das Online-Magazin «Theologie unters Volk bringen». Es wolle Klartext sprechen und leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass «die kirchliche Öffentlichkeit diskussionsfreudiger und vielfältiger wird». Zudem beteiligt es sich aus theologisch-religiöser Perspektive auch «konsequent an ausserkirchlichen Debatten». (kathpress/cm)