Luiza Milani arbeitet für die Katholische Albanermission Ostschweiz.
Schweiz

Albanische Schwester: «Die Menschen in der Schweiz wissen den Glauben nicht mehr zu schätzen»

«Die Kreuze hängen an den Wänden, aber im Herzen scheint etwas zu fehlen», sagt die albanische Ordensfrau Luiza Milani (44) über die Schweizer Kirche. Sie kann nicht verstehen, warum viele auf Kirchenreformen pochen. Von Wislikofen aus nimmt sie am synodalen Prozess teil.

Magdalena Thiele

Ob das eine gute Idee war, fragt sich Schwester Luiza Milani. Gerade hat sie an der ersten Besprechung der Delegierten für das Synodentreffen in Prag teilgenommen. Und sie ist enttäuscht.

«Anstatt über Glaubensinhalte wurde nur über Formalitäten geredet. Wir haben nicht einmal zusammen gebetet», beklagt sie. «Frauendiakonat – was soll das ändern? Ein bisschen mehr Bescheidenheit würde helfen.»

Innere geistliche Erneuerung

Auch Schwester Luiza Milani wünscht sich Veränderung in der Kirche. Die Kirche müsse aktiv werden und nach ihren verlorenen Schafen schauen. Dafür brauche es aber mehr als rein strukturelle Veränderungen. Sie wünscht sich eine innere geistliche Erneuerung. Dann würden sich auch wieder mehr junge Leute von der Kirche angesprochen fühlen.

Luiza Milani beteiligt sich als Online-Delegierte in Wislikofen am europäischen Synoden-Treffen.
Luiza Milani beteiligt sich als Online-Delegierte in Wislikofen am europäischen Synoden-Treffen.

Die Albanerin ist seit zweieinhalb Jahren in der Schweiz, genauer gesagt in der Gemeinde Sirnach im Thurgau. Hier hat die albanische Mission ihren Sitz. Schwester Luiza Milani ist viel unterwegs. «An Sonntagen fahren wir von einem Gottesdienst zum anderen», sagt sie und strahlt. «Manchmal bleibt dazwischen nicht einmal Zeit zum Mittagessen.»

Leidenschaft für Musik

In drei verschiedenen Gemeinden finde sonntags eine albanische Messe statt. Dann spielt sie die Orgel. Die 44-Jährige beginnt zu schwärmen. Sie liebe Musik. Gesungen habe sie schon als kleines Kind leidenschaftlich gerne – vor allem mit den Schwestern in der Kirche. Deswegen war sie in Albanien auch als Primarschülerin für Musik tätig.

Orgel.
Orgel.

Die italienischen Missionsschwestern, die nach dem Ende der kommunistischen Diktatur in die Stadt Laç kamen, haben ihr Leben nicht nur musikalisch sehr geprägt. Mit ihnen lernte sie Italienisch. Und die Missionarinnen haben den Menschen in Laç beim Wiederaufbau geholfen, in den Krankenhäusern gearbeitet.

Familie war gegen Eintritt ins Kloster

Irgendwann sei sie jeden Tag nach der Schule in die Kirche gegangen, erzählt Schwester Luiza Milani: «Das war alles so interessant und so herzlich.» Irgendwann wusste sie, dass auch sie Ordensschwester werden wolle.

Gleich nach dem Abitur ist sie in den Orden der Töchter der göttlichen Liebe eingetreten – ganz zum Missfallen ihrer Familie. «Alle ausser meinem Vater waren sehr dagegen», erinnert sie sich. Einer ihrer beiden Brüder habe fast drei Jahre lang nicht mit ihr gesprochen: «Er konnte das nicht verstehen. Religion hat im Kommunismus keine Rolle gespielt.»

Dabei hatte der Vater immer wieder Geschichten aus der Bibel erzählt, wie Schwester Luiza Milani später bewusstwurde: «Er tat das, ohne die Worte Jesus oder Gott zu verwenden. Damit wollte er uns schützen.» Oft hätten die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule versucht, die Kinder auszufragen – besonders an christlichen Feiertagen.

Warum tragen Frauen die Lesung vor?

Neun Jahre hat Schwester Luiza Milani im Mutterhaus ihres Ordens in Wien verbracht und dort Deutsch gelernt. Vieles an der deutschsprachigen Kultur sei ihr aber bis heute fremd geblieben. Auch die meisten albanischen Gemeindemitglieder würden nicht verstehen, warum eine Frau die Lesung vortrage, wenn doch ein Priester da sei.

Charlotte Küng-Bless am Ambo der katholischen Kirche Goldach SG.
Charlotte Küng-Bless am Ambo der katholischen Kirche Goldach SG.

Wie lange sie in der Schweiz bleiben wird, weiss Schwester Luiza Milani noch nicht. Sie vermisst in der Schweiz das gute Wetter und das Unterrichten. Aber eine Sache findet sie besonders befremdlich: «Die Menschen in der Schweiz wissen ihren Glauben nicht mehr zu schätzen», kritisiert die Ordensschwester. «Die Kreuze hängen an den Wänden, aber im Herzen scheint etwas zu fehlen.»

Schwester Luiza fühlt sich allein

Im Gespräch wird deutlich: Das Ganze schmerzt Schwester Luiza Milani. Es könnte auch in der Schweiz anders sein, sagt sie In Albanien sei nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung katholisch. Hier in der Schweiz bekennt sich die Mehrheit zum christlichen Glauben. «Und trotzdem fühle ich mich hier oft allein. Wie kann das sein?»

Mutter Teresa.
Mutter Teresa.

Für eine Frau wie Schwester Luiza Milani ist das ein schwer erträglicher Zustand: «Es liegt wohl auch daran, dass die Messen hier eine Selbstverständlichkeit sind.» In Albanien sei das anders: Erst gab es das Osmanische Reich, dann versuchte der Kommunismus, das Christsein zu verbieten.

Stolze Katholikinnen und Katholiken in Albanien

Die Menschen mussten ihren Glauben verstecken – viele gingen für ihn ins Gefängnis, sagt Schwester Luiza Milani. Auch ihr Vater. Heute sind die Menschen in Albanien stolz auf ihren Katholizismus, der diese harten Zeiten überdauert hat. Dafür haben sie Mutter Teresa, die berühmteste albanische Katholikin aller Zeiten. Auf sie ist Schwester Luiza Milani besonders stolz.


Luiza Milani arbeitet für die Katholische Albanermission Ostschweiz. | © zVg
6. Februar 2023 | 17:39
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