Die Ordensfrau Daisy Panikulam Sabs und der Weihbischof in Trier, Jörg Michael Peters, im Gespräch.
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Missbrauchs-Schock prägt Synodalversammlung, ohne sie zu lähmen

Nach einem zweiwöchigen medialen Dauerfeuer in der Folge des Münchner Missbrauchsgutachtens hat in Frankfurt die dritte Versammlung des Synodalen Wegs begonnen. Die Emotionen wogten hoch, doch es ging voran.

Ludwig Ring-Eifel

Mit einer mehr als einstündigen Aussprache zur aktuellen Lage der Kirche hat am Donnerstag die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt begonnen. Dabei brachten viele Redner die ganze Tiefe der Erschütterung und Verunsicherung zum Ausdruck, die das Münchner Missbrauchsgutachten und der damit verbundene Skandal um eine Falschaussage von Benedikt XVI. ausgelöst haben.

Sogar Ordensleuten widerstrebt das Credo

Dass die seither anschwellende Welle der Kirchenaustritte bis in die Mitte der Kirche, ja sogar bis in die Klöster hinein geschwappt ist, machte die Benediktinerin Philippa Rath deutlich. Sogar Ordensleuten widerstrebe es inzwischen, sich im Credo zu der «einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche» zu bekennen. Manche fragten sie, ob es nicht möglich sei, aus der Kirche auszutreten und zugleich im Orden zu bleiben.

Konservative verteidigen Benedikt XVI.

Neben dem Missbrauchs-Skandal selbst war das Verhalten von Benedikt XVI. Gegenstand der Debatte. Mehrere konservative Rednerinnen verteidigten ihn. Sie erinnerten an das entschiedene Vorgehen gegen Missbrauchstäter, das er als Glaubenspräfekt und als Papst an den Tag gelegt habe.

Ausserdem solle man noch nicht den Stab über ihm brechen, bevor er Gelegenheit hatte, sich ausführlich zu den Lügen-Vorwürfen gegen ihn zu äussern. Auch Kardinal Reinhard Marx, dem am selben Tag in der FAZ der Vorwurf der Beteiligung am Lügen-Komplott um den Ex-Papst gemacht wurde, wehrte sich entschieden.

Bischof Voderholzer sorgt für Aufregung

Für den grössten Aufreger sorgte indes der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Er hatte in seinem Redebeitrag die Reform des deutschen Sexualstrafrechts aus den 1970er Jahren kritisiert und dabei auch die damals meinungsbildenden liberalen Sexualwissenschaftler aufs Korn genommen. Diese hätten einst behauptet, die Verhöre der Missbrauchsopfer seien schlimmer als die eigentlich harmlosen Akte des sexuellen Missbrauchs.

Da er vergessen hatte, in seinem Beitrag den Konjunktiv der indirekten Rede zu benutzen, wurde dieses Zitat von vielen Synodalen als eine eigene Aussage Voderholzers missverstanden – so, als hätte er selbst den Missbrauch verharmlost und relativiert.

Klarstellung

Mehrere Redner bekundeten Empörung über die vermutete Entgleisung des konservativen Bischofs, auch Missbrauchsbetroffene zeigten sich verstimmt. Im Tagungspräsidium wurde gar eine öffentliche Missbilligung oder Abstrafung Voderholzers erwogen, bis er schliesslich in einem erneuten Redebeitrag klarstellen konnte, dass er die von ihm zitierte Verharmlosung des Missbrauchs vollständig missbillige.

Grundsatzpapier angenommen

Erst am frühen Abend stieg die in einer zugigen Frankfurter Messehalle tagende Synodalversammlung in die inhaltlichen Debatten und Abstimmungen ein. Als erstes wurde ein sehr grundsätzliches theologisches Orientierungspapier mit grossem Ernst diskutiert. Einige konservative Redner bemängelten, dass in dem Papier das Lehramt der Bischöfe zu sehr vom Lehramt der Theologen verdrängt werde. Und so waren es denn auch meist Theologieprofessorinnen und Bischöfe, die darüber stritten.

Doch am Ende war das Votum eindeutig. Nicht nur stimmten 86,4 Prozent der Synodalversammlung dafür. Auch beim ersten entscheidenden Votum der anwesenden 59 Bischöfe gab es mit 72 Prozent eine klare Zweidrittelmehrheit.

Kluge Debatte

Die Erleichterung darüber, dass die erste wirkliche Hürde des Synodalen Wegs damit ohne grössere Verwerfungen genommen wurde, war gross. In der Debatte hatten Redner davor gewarnt, eine Ablehnung könnte auch als Misstrauensvotum gegen die Antragskommission und das Präsidium verstanden werden. Damit wäre der gesamte Prozess ins Wanken gekommen.

Dass das Votum so rasch zustande kam und so klar ausfiel, war auch einer klugen – manche meinen: cleveren – Debatten- und Abstimmungsregie geschuldet, die den Vorgaben der Antragskommission klare Startvorteile einräumte.

Papier knüpft an Zweites Vatikanisches Konzil an

Theologisch knüpft das Orientierungspapier am Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 an, geht aber deutlich über dessen Bejahung der Zeitgenossenschaft hinaus. Der Theologie und der subjektiven Zustimmung durch die Gläubigen räumt es eine deutlich stärkere Rolle ein als dies die Texte des Konzils taten, in deren Mittelpunkt noch klar das bischöfliche Lehramt stand. (kna)


Die Ordensfrau Daisy Panikulam Sabs und der Weihbischof in Trier, Jörg Michael Peters, im Gespräch. | © KNA
4. Februar 2022 | 10:14
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