Raphael Rauch ist Redaktionsleiter von kath.ch
Kommentar

Bischof Peter Bürcher sollte auf seine Mutter hören

Der Bischof von Chur weigert sich, mit seinen Kritikern zu sprechen. In einem Brief spricht er von «Verletzung und Spaltung». Dabei verkennt er, wer das Bistum Chur spaltet. Ein Kommentar von kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.

In der Bibel spielt die Zahl 17 keine wichtige Rolle. Sie steht für ein Gericht und fürs Leiden, aber auch für Gnade, Rettung und Freude.

Die Kirche – eine erbärmliche Institution

Seit 17 Monaten ist Peter Bürcher Apostolischer Administrator des Bistums Chur. In diesen Monaten dominierte das Richten und das Leiden. Rettung und Freude kommen wohl erst auf, wenn Bürcher wieder zurück ins Kloster zieht.

Vor Jahrzehnten sagte ein heutiges Mitglied der Bistumsleitung, die katholische Kirche sei eine erbärmliche Institution. Das beweist Peter Bürchers Episkopat jeden Tag.

Statt Wärme zeigt der Bischof Kälte

Der Apostolische Administrator hört nicht auf das Evangelium. Er hört nicht auf seine Schäfchen. Und er hört nicht auf seinen Offizial. Der hat in einem Schreiben gefordert, den Streit beizulegen. Und angedeutet, dass er im Sinne des Kirchenrechts «geeignete Wege» finden wolle, um zu vermitteln.

Statt Wärme zeigt der Bischof Kälte. Statt auf Dialog setzt er auf Konfrontation. Statt offensiv spielt er defensiv. Er macht das Bischofsamt kleiner, als es ist – und sich selbst gleich mit.

Der Bundesrat wollte Bischof Haas absetzen

Der Bischof hat Recht, wenn er von «hausgemachten Problemen» spricht. Seit mehr als 30 Jahren wurstelt das Bistum mit fragwürdigen Figuren an der Spitze vor sich hin.

Vor 28 Jahren versuchte der nun verstorbene Bundesrat René Felber, dem unseligen Treiben in Chur ein Ende zu setzen. Er wollte, dass Papst Johannes Paul II. Bischof Wolfgang Haas absetzt.

Droht der Bischof mit Entzug der Missio?

Heute ist das Bistum Chur keinen Schritt weiter. Die Bistumsleitung setzt weiterhin auf gewaltvolle Kommunikation statt auf Deeskalation. Nichts deutet darauf hin, dass die Polarisierung überwunden werden könnte.

Im Gegenteil: Der Bischof giesst Öl ins Feuer, wenn er darauf hinweist, dass manche Mitglieder von «Vielstimmig Kirche sein» eine Missio haben. Ist das eine verkappte Drohung, ihnen die Missio zu entziehen? Generalvikar Martin Grichting ist berühmt wie berüchtigt für Machtspiele – etwa wenn es um die Missio von Mitgliedern der Pfarrei-Initiative geht.

Auch Jesus bildete eine «Pressure group»

Der Bischof beschuldigt die Gruppe «Vielstimmig Kirche sein», politischen Druck auszuüben, zu spalten und zu verletzen. Dabei wuchert der Spaltpilz in der Bistumsleitung.

Der Bischof spricht von «Einschüchterungsversuchen» einer «Pressure group». Als ob es schlimm wäre, eine «Pressure group» zu sein! Waren Jesus und seine Jünger nicht auch eine «Pressure group» für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit?

Wo bleibt das Wohlwollen?

Was erschütternd ist: der ignorante Eklektizismus, mit dem der Bischof Exegese päpstlicher Enzykliken betreibt. Hat nicht Papst Franziskus in «Fratelli tutti» mehr Wohlwollen, mehr Wertschätzung gefordert?

Laut Franziskus geht es letztlich um das, «was sich hinter dem Wort Nächstenliebe verbirgt: das Geliebte ist mir teuer, das heisst, ich halte es für sehr wertvoll. Und aus der Liebe, aufgrund derer man eine bestimmte Person schätzt, kommt all das Gute, das man ihr entgegenbringt.»

Medien als nützliche Idioten des Bischofs

Empörend ist auch das Medienbashing, das der Bischof betreibt. Gute Journalisten machen sich mit keiner Sache gemein – weder mit dem Bischof noch mit seinen Gegnern.

Bischof Bürcher macht sich jedoch mit dem Medienverständnis seines Generalvikars Martin Grichting und seines Mediensprechers Giuseppe Gracia gemein: Wenn es der eigenen Machtpolitik dient, sind die Medien nützliche Idioten. Wehe aber, wenn sie kritische Anfragen stellen.

Warum der Bischof auf seine Mutter hören sollte

Wahrscheinlich hatte Bischof Bürcher für seinen Brief einen Ghostwriter. Ein Satz aber sticht wegen seiner Schlichtheit heraus. Er dürfte wohl aus Peter Bürchers Feder stammen: «Meine Mutter hat mich zuhause immer gelehrt, Ordnung zu haben. Die Kirche lehrt es mir auch. Ordnung schafft Einheit.»

Peter Bürcher sollte auf seine Mutter hören. Für die Ordnung und Einheit in einem Bistum trägt der Bischof die Verantwortung. Der Bischof sollte damit anfangen, Ordnung im eigenen Haus zu schaffen.

Hoffentlich braucht er dafür nicht weitere 17 Monate. Hoffentlich beginnt bald ein neues Kapitel im Bistum Chur, an dem auch alt Bundesrat René Felber Freude gehabt hätte. Ein Kapitel des wärmenden Dialogs statt des kalten, eisigen Monologs.


Raphael Rauch ist Redaktionsleiter von kath.ch | © zVg
20. Oktober 2020 | 18:14
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