Wimmelbild "150 Jahre Kirchen Thurgau"
Schweiz

Thurgau feiert 150 Jahre Miteinander von Kirche und Staat

Noch bevor andere Kantone ein Kirche-Staat-Gesetz hatten, wurde ein solches im Kanton Thurgau realisiert. Das geschah 1869. Die katholische und die evangelische Landeskirche feiern gemeinsam das Jubiläum, das sie bereits vor 150 Jahren zusammenführte.

Georges Scherrer

«Damals waren wir einzigartig», fasst der Kirchenratspräsident der katholischen Landeskirche Thurgau, Cyrill Bischof, das Ereignis von 1869 zusammen. In jener Zeit gab es fünf Mal mehr Evangelische im Kanton als Katholiken. «Dennoch wurden die Katholiken gleich behandelt», betont Bischof.

Im Unterschied zu vielen anderen Kantonen war der Thurgau damals konfessionell durchmischt. Darum wurde nicht ein Modell übernommen, wie es im reformierten Zürich oder in den katholischen Innerschweizer Kantonen vorgegeben war.

Wilfried Bührer, Reto Friedmann, Cyrill Bischof (v.l.)
Wilfried Bührer, Reto Friedmann, Cyrill Bischof (v.l.)

Der jungen, liberalen Thurgauer Regierung – der Kanton wurde 1803 gegründet – habe es von Anfang an daran gelegen, mit beiden Kirchen gemeinsam das Verhältnis Kirche-Staat zu regeln, so Bischof.

Offizielle Kirche war nicht begeistert

Die katholische Kirche erhielt damals eine gewählte, basis-demokratische Struktur für den administrativen und finanziellen, aber – ausser dem Pfarrwahlrecht – nicht für den pastoralen Bereich. «Das war ein Meilenstein», sagt der katholische Kirchenratspräsident rückblickend und ergänzt: «Die offizielle Kirche empfand das aber als eine Art Domestizierung und war damals nicht begeistert!»

«Das Jubiläum ist eine Gelegenheit, um die ökumenische Praxis zu vertiefen.»

Reto Friedmann

Nun soll gemeinsam gefeiert werden. Die offizielle Auftaktveranstaltung findet am 1. Dezember, dem Beginn des Kirchenjahres, statt. Gefeiert wird selbstverständlich ökumenisch, betont der evangelische Kirchenratspräsident, Wilfried Bührer.

Stadtkern Weinfelden mit reformierter Kirche
Stadtkern Weinfelden mit reformierter Kirche

Zum Auftakt in der Kartause Ittingen reist SEK-Ratspräsident Gottfried Locher an. Die katholische Kirche wird durch Margrith Mühlebach-Scheiwiller, die Regionalverantwortliche der Bistumsregion St. Viktor, vertreten.

«Das Jubiläum ist eine spannende Gelegenheit, um ökumenische Herausforderungen zu besprechen und die ökumenische Praxis zu vertiefen», sagt Friedmann. Diese gelingt im Kanton gut, bestätigen beide Kirchenratspräsidenten mit dem Hinweis, dass das Jubiläum gemeinsam organisiert wird. Das Jubiläum soll also auch ein ökumenisches Zeichen in die Gesellschaft hinaus senden.

Ein breites Programmangebot

Das Jubiläum setzt sich aus zwölf verschiedenen Teilprojekten zusammen. Der Themenbereich Kirche, Kultur und Kunst kommt zum Zuge genauso wie es auch zum ersten Mal auf landeskirchlicher Ebene ökumenische Glaubenskurse geben wird. Zwei Bücher beleuchten die damalige historische Situation und die Veränderungen in den letzten 150 Jahren. Bereits am 28. November wird das Buch «Kirchenbau 1869 – 2019» vorgestellt.

«Wir stehen nach dem Jubiläum besser da als zuvor.»

Reto Friedmann

Bereits angelaufen sind die Vorbereitungsarbeiten für das Jubiläumsmusical «The Mission», das im April in verschiedenen Orten im Kanton aufgeführt werden soll. Im Februar wird es ein Konzert mit einem Chor von 150 Stimmen gegeben. Vorträge, Podiumsdiskussionen und Tagungen ergänzen das Programm.

Die Beflaggung der Kirchtürme und anderer kirchlicher Gebäude im Kanton wird während des Jubiläumsjahres auf das Ereignis aufmerksam machen.

Katholische Kirche Weinfelden und Sitz der katholischen Landeskirche (l.)
Katholische Kirche Weinfelden und Sitz der katholischen Landeskirche (l.)

Ein «Wimmelbild», auf welchem neben vielen gesellschaftlichen Szenen auch biblische Elemente erschienen, zeigt die Vielfalt des Lebens im Thurgau auf.

Gleich drei Gottesdienste zum Abschluss

Die Schlussfeier wird am 21. Juni 2020 in Amriswil begangen. Es finden drei zeitlich parallele Gottesdienste statt. Geplant sind ein traditioneller Gottesdienst, an dem neben Gottfried Locher auch Diözesanbischof Felix Gmür mitwirken wird, ein Familiengottesdienst und ein Jugendgottesdienst, führt der Gesamtprojektleiter für das Jubiläum, Reto Friedmann, aus.

Die Kirche lebt über ihre Mitglieder

Mit dem Jubiläum soll zudem eine möglichst breite Bevölkerungsschicht angesprochen werden, erklärt Bührer. Das Jubiläum soll im Kanton deutlich machen, dass die Kirchen ein gesellschaftlicher Player sind. Zwei Drittel der Bevölkerung gehören einer Landeskirche an.

Katholische Kirche in Weinfelden.
Katholische Kirche in Weinfelden.

Das Jubiläum soll den Kirchenmitgliedern auch vor Augen halten, dass sie sich für die Kirche vor Ort engagieren sollen. Denn ohne sie gebe es keine Kirche, betont Bührer. Themen wie Migration und andere Religionszugehörigkeiten sollen ganz unverkrampft in das Jubiläum einfliessen, betonte er weiter.

Das Organisationskomitee blickt zuversichtlich in die Zukunft. Ökumenisch sind die Eckpfeiler des Festes erfolgreich gesetzt. Gemeinsam geht es vorwärts. «Wir haben immer eine gute Lösung. Wir stehen nach dem Jubiläum besser da als zuvor», ist Friedmann überzeugt.

Wimmelbild «150 Jahre Kirchen Thurgau» | © 150himmel.ch
25. November 2019 | 14:07
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