Hannan Salamat, Fachleitung Islam beim ZIID
Schweiz

Es wird zu viel über statt mit Muslimen gesprochen

Die in Zürich tätige Religionswissenschaftlerin Hannan Salamat setzt sich im Rahmen ihrer Arbeit für den interreligiösen Dialog ein. Verständigung und Begegnungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Glaubensrichtungen sind ihr auch persönlich ein grosses Anliegen.

Martin Spilker

«Ich höre immer wieder die Aussage: man sieht die Muslime nicht», sagt Hannan Salamat, seit Anfang Jahr Fachleiterin Islam am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) in Zürich. Doch genau solche Sätze zeigten das Dilemma, in dem die Muslime stehen: In der Schweiz leben 400’000 Muslime, das sind knapp fünf Prozent der Gesamtbevölkerung.

Der Wunsch, normal zu leben

Die allermeisten von ihnen wohnen, arbeiten, gehen ihren Interessen nach, ohne besonders aufzufallen. «Aber wenn im Jemen eine Bombe hoch geht, sollen sie plötzlich dazu Stellung nehmen», sagt die 34-jährige Religions- und Islamwissenschaftlerin. Dabei möchten sie ganz normal leben und sich nicht für Dinge erklären müssen, die mit ihnen und dem Islam nichts zu tun haben.

Minarett
Minarett

«Das Minarettverbot ist für mich schwer nachvollziehbar.»

Hannan Salamat

Die Verkürzung des Islams in der öffentlichen Debatte auf Kopftuch und Extremismus bereitet der Fachfrau Mühe. Ihre persönliche Vermutung ist, dass hier ein Thema benutzt wird, um auf einer ganz anderen, oft politischen Ebene in Erscheinung zu treten. Dass es in der Schweiz, einer Willensnation und einem Land mit einer «Kultur der Vielfalt», wie sie sagt, zu einem Minarettverbot kommen konnte, ist für die gebürtige Deutsche muslimischen Glaubens nur schwer nachvollziehbar.

«Überproportionale Berichterstattung»

Für Hannan Salamat haben die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA zu einer massiven Wende in der Wahrnehmung des Islams und damit der Muslime geführt. Seither finde eine «überproportionale Berichterstattung» zu aussergewöhnlichen Ereignissen mit irgendeinem Bezug zum Islam statt.

Umgekehrt sind für sie solche Vorbehalte gegenüber ihrer Religion auch eine Motivation. Und seit sie beim ZIID tätig ist, kümmert sie sich im beruflichen Rahmen darum. In ihrem aktuellen Kurs stellt sie – in Anlehnung an die Gedenkanlässe zur Reformation im Christentum – unter dem Titel «Reformiert euch» Reformbewegungen im Islam vor.

Begegnungen sind zentral

Ein zentrales Anliegen sind für sie Begegnungen im Alltag. «Der Islam ist in Europa verhältnismässig jung», sagt Salamat. Sie kann deshalb Vorbehalte, ja auch Ängste diesem vermeintlich Fremden gegenüber nachvollziehen. Wobei sie hier eine wichtige Unterscheidung macht: Nicht selten würde über Musliminnen und Muslime statt mit ihnen gesprochen und Kultur und Religion vermischt.

Muslim beim Beten
Muslim beim Beten

«Nicht alle Muslime möchten Berufsmoslems sein.»

Hannan Salamat

Wo es zu einer direkten Begegnung mit Muslimen komme, wachse das Verständnis für die islamische Religion sehr schnell, da man Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten zwischen dem Eigenen und «den Anderen» sehe. Dem will das ZIID mit speziellen Angeboten für Organisationen, Kirchen oder Privatwirtschaft entgegenkommen. Dafür fänden sich nebst der Kursleitung immer wieder dialogbereite Personen. «Aber nicht alle Muslime möchten auch Berufsmoslems sein», sagt die Fachfrau.

Im ZIID steht Hannan Salamat grundsätzlich im interreligiösen Dialog. Allerdings bestehen Herausforderung nicht nur im religiösen Bereich: «Wir haben heute nicht so sehr einen Konflikt zwischen den Religionen, sondern vielmehr zwischen Religion und pluraler Gesellschaft.»

«Wir gehören zusammen»

Auf die Frage, ob ihre Arbeit am ZIID angesichts weltweiter Konflikte und Vorbehalte zwischen Religionen und Kulturen nicht bloss ein Tropfen auf den heissen Stein sei, muss Hannan Salamat nicht lange nachdenken: «Dann könnten wir auch alle anderen Engagements gleich aufgeben.» Nein, sie glaubt an die Wichtigkeit und die Notwendigkeit der Begegnung und des Austauschs. Langfristig werde dies grosse Wirkung zeigen. Denn, da ist sich die Muslimin mit Blick auf andere Religionen sicher: «Wir gehören zusammen.»

Aktuelle Veranstaltungen des ZIID zum Islam:
Reformislam und Reformationsbewegungen im Islam, 17. und 24. September, Kulturpark Zürich
Islam in Zürich – Ein Stadtrundgang, 20. September, Treffpunkt Zürich-Oerlikon


Mehr Kopf statt Tuch – Musliminnen beziehen Stellung

Hannan Salamat, Fachleitung Islam beim ZIID | © Sylvia Stam
17. September 2019 | 11:49
Lesezeit: ca. 2 Min.
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