Christbaumkugel
Schweiz

Was Europa und Weihnachten miteinander zu tun haben

Chur, 25.12.17 (kath.ch) Von Frieden ist in diesen Tagen oft die Rede. Christian Cebulj, Rektor der Theologischen Hochschule Chur, spricht in seinem Gastkommentar von der Bedeutung des Friedens für Europa und von der Bedeutung Europas für den Frieden.  

Jetzt, wo überall vom Weihnachtsfrieden die Rede ist, tut es gut, sich eine wichtige Tatsache bewusst zu machen: Das Europa der Gegenwart ist ein Friedensprojekt von welthistorischer Bedeutung. Oder anders gesagt: Während Europa 2000 Jahre lang ein Kontinent der Kriege war, sind die Friedensjahre seit 1945 die längste ununterbrochene Friedenszeit in Europa seit seiner Gründung durch Karl den Grossen.

Diesen bedeutungsvollen Satz behaupte ich nicht einfach so, sondern habe ihn bei dem Historiker Herfried Münkler gelernt. Dass die Völker Europas seit mehr als sieben Jahrzehnten friedlich zusammenleben, ist nicht zuletzt das Verdienst der Europäischen Union. Dafür hat sie 2014, 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, sogar den Friedensnobelpreis erhalten. Manchen Europa-Skeptikern schien das übertrieben zu sein. Aber das Nobelpreis-Komitee hatte eine interessante Begründung:

«In der Gewerkschaft Solidarnosc waren viele Katholiken.»

Die Friedensjahre in Europa seit 1945 sind – historisch gesehen – nicht viel mehr als ein Wimpernschlag. Und doch wissen die Älteren, die noch Kriegszeiten erlebt haben, was es wert ist, in der längsten ununterbrochenen Friedenszeit zu leben. Was der europäische Friede für eine Leistung ist, lässt sich erahnen, wenn man eine Region wie Israel/Palästina im Nahen Osten dagegenstellt, in der das Ende eines über 60-jährigen Krieges mit heissen und kalten Phasen immer noch nicht in Sicht ist.

Auch dass der Fall des Eisernen Vorhangs von 1989, mit Ausnahme von Rumänien, fast überall friedlich verlief, darf man immer noch als ein Wunder bestaunen. In der Gewerkschaft Solidarnosc in Polen waren übrigens viele Mitglieder, die auf den Danziger Werften zu demonstrieren anfingen, Katholiken.

In der ehemaligen DDR gingen in der Bürgerbewegung zahlreiche Christen auf die Strasse, um in den Montagsdemos eine friedliche Wende zu fordern. Und vielleicht waren es nicht zuletzt ihre Gebete, welche die stacheldrahtgesicherte Mauer, die Berlin und Deutschland in Ost und West teilte, zum Einsturz gebracht haben.

«Europa ist das beste, was den Schweizern passieren konnte.»

Das Europa von heute ist voller Konstruktionsfehler und längst nicht der politische Idealfall. Aber es ist das Beste, was den Schweizern und den Deutschen, den Franzosen und Italienern, den Österreichern und den Dänen, den Polen und den Spaniern, den Tschechen und den Ungarn, den Flamen und den Wallonen, den Niederländern und den Griechen, den Schotten und den Basken in ihrer langen Geschichte passieren konnte.

Denn trotz allen Konflikten, die heute die Nachrichten dominieren, ist das heutige Europa noch immer ein starkes Symbol für die Überwindung jahrhundertealter Erbfeindschaften. Nicht zuletzt hat die Schweiz mitten in der Europäischen Union, wenn auch nicht als Mitglied, so doch als Vermittlerin und Friedensstifterin eine wichtige Rolle durch den Sitz der Vereinten Nationen in Genf.

«Bud Spencer und Terence Hill»

In Deutschland haben am Ende des Reformationsjahrs 2017 der katholische Kardinal Reinhard Marx und der evangelische Bischof Heinrich Bedford-Strohm nicht nur weitere Schritte in der Ökumene gefordert, sondern auch das weitere Zusammenwachsen Europas. Weil Kardinal Marx in seiner Leibesfülle ein wenig wie der Schauspieler Bud Spencer und Bischof Bedford-Strohm ein wenig wie Terence Hill aussieht, hat die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» die Erklärung der beiden in Anlehnung an den berühmten Hollywood-Film humorvoll überschrieben mit dem Titel «Vier Fäuste für ein Halleluja»

Die beiden Bischöfe taten genau das Richtige. Denn Sie haben es nicht der Politik überlassen, darauf hinzuweisen, dass der Friede von Bethlehem uns nicht selbstverständlich in den Schoss fällt. Vielmehr erfordert er immer wieder die Anstrengung aller, der Politiker ebenso wie der christlichen Kirchen, aber auch der Muslime, der Juden und der anderen Religionen in Europa.

«Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens» (Lukasevangelium, Kapitel 2,14). So singen die Engel von Bethlehem. Europa darf sich seit über 70 Jahren über diesen Frieden auf dem Kontinent freuen.

Möge er durch die Anstrengung der Politik wie auch der Kirche noch lange, lange anhalten. In diesem Sinne wünscht die Theologische Hochschule Chur allen Leserinnen und Lernen ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest.

 

Christbaumkugel | © laudia Hautumm/pixelio.de
25. Dezember 2017 | 08:11
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