Gedanken zum Sonntag: Ohne Rücksicht auf Autoritäten

zum 5. November 2017 – 31. Sonntag im Jahreskreis (Mt 23,1–12)

Ohne Rücksicht auf Autoritäten

Jacqueline Keune*

Jesus regt sich über das Gerangel um die ersten Plätze auf, über jene, die bei jedem Anlass immer dafür sorgen, dass sie die besten bekommen. Über die, die sich in der Synagoge stets dorthin setzen, wo sie ja von allen gesehen werden, über den Ehrgeiz der Emporkömmlinge und all das Wichtig- und Grosstun. Über die Selbstdarsteller und Selbstverliebten, die sich für die tollsten Hechte halten. – Und Jesus regt sich nicht bloss auf, sondern spricht auch aus: «Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht», wer sich aufspielt, wird gedemütigt, wer sich bescheidet, belohnt werden.

Meiner Mutter, meiner Grossmutter und all den Frauen davor, hat man das auch gesagt: Überlass das lieber Berufeneren, halte dich mit deiner Meinung zurück, rede nur, wenn du gefragt wirst, halte aus, ertrage … – Und worin bestand der Lohn der Bescheidenheit meiner Mutter, meiner Grossmutter und all der Frauen davor?  Und worin besteht sie heute, die Anerkennung der Frauen und der Männer, die immer zurückstehen, die immer andere vor lassen und an sich selber immer zuletzt denken?

«Wer sich selber erniedrigt, wird erhöht werden.» Eine ziemlich himmlische Rechnung, die Jesus da macht, im Gegensatz zu jener von Wilhelm Busch, der sich besser auszukennen scheint, wenn er sagt: «Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.»

Ich glaube, dass Demut eine Haltung ist, die der Mensch allein Gott schuldet und dass es keinem Menschen zusteht, von einem anderen Demut zu verlangen. Und wenn die Bibel Bescheidenheit fordert, dann niemals von Armen und Kleinen, sondern immer von Reichen und Grossen. Demut hat nichts mit Akzeptieren ungerechter Strukturen und scheinbar schicksalhafter Ordnungen zu tun!

Es gibt eine Demut, die knechtet, weil sie Unterordnung gegenüber Autoritäten meint, ohne Rücksicht auf eine Sache. Und es gibt eine Demut, die freimacht, weil sie «Unterordnung» gegenüber einer Sache meint, ohne Rücksicht auf Autoritäten.

Der Sohn Gottes hat nicht für Amt und Würde, für Ansehen und Komplimente, für opulente Festschriften und öffentliche Ehrungen gelebt. Der Sohn Gottes hat gelebt, um Füsse zu waschen.

*Jacqueline Keune ist freischaffende Theologin und lebt in Luzern.

 

4. November 2017 | 12:01
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