Gedanken zum Sonntag: Zoff mit dem Bischof?

Zu Christkönig,  26. November 2017 (Matthäus 25,31-46)

Zoff mit dem Bischof?

Josef Imbach*

Im Reich Gottes macht Karriere, wer sich in den Werken der Barmherzigkeit übt, sagt Jesus. In seiner Rede vom Weltgericht nennt er deren sechs: Hungernde speisen, Dürstenden zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Kranken beistehen, Gefangene besuchen. Im 3. Jahrhundert erst kam noch ein weiteres Werk hinzu: Tote begraben. Damit ist die Siebenzahl zwar voll, aber längst nicht alles gesagt. Barmherzigkeit ist nicht nur in den genannten Fällen zu praktizieren, sondern immer und überall da, wo eine Notsituation gegeben ist.

So zählt der heilige Thomas von Aquin (um 1225-1274) zu den Werken der Barmherzigkeit auch die Zurechtweisung eines Bischofs, wenn dieser seinem Auftrag nicht gerecht wird – beispielsweise, wenn er über seine Herde herrscht, statt ihr zu dienen.

Entsprechende Überlegungen finden sich in Thomas’ Mammutwerk mit dem Titel «Theologische Summe» (II, II, 33, 4 – will sagen im zweiten Teil des zweiten Teils, Frage 33, Artikel 4).

Zunächst, fairer geht’s nimmer, führt Thomas ein Gegenargument an, indem er Papst Gregor den Grossen (590-604) zitiert: «Das Leben der Heiligen zu kritisieren darf sich nur herausnehmen, wer eine bessere Meinung von sich selber hat.» Aber, so Thomas: «Keiner darf besser von sich selber als von seinem Bischof denken. Ergo: Die dem Bischof Unterstellten dürfen ihn nicht kritisieren.» Punkt? Ganz und gar nicht! Denn diesem Argument dreht Thomas alsogleich den Hals um.

Zunächst betont er, dass wir Papst Gregor falsch interpretieren, wenn wir jenen, welche einen Bischof in die Schranken weisen, unterstellen, dass sie sich damit selber in ein besseres Licht setzen möchten. Vielmehr ist die «geschwisterliche Zurechtweisung ein Akt der Liebe. Und diese Liebe schulden wir auch jenen, welche wir wertschätzen. Wenn wir bei ihnen etwas entdecken, das der Kritik bedarf, müssen wir sie zurechtweisen.»

Allerdings, so Thomas weiter, ist im Fall der Bischofszurechtweisung ein massvolles Vorgehen angebracht. «Sie sollen den Bischof nicht schroff, sondern sanft und höflich eines Besseren belehren, entsprechend dem Rat, der sich im ersten Timotheusbrief findet: ‹Einen älteren Mann sollst du nicht grob behandeln, sondern ihm zureden wie einem Vater› (5,1). Daher tadelt auch Dionysius den Mönch Demophilus, weil er einen Priester unhöflich korrigiert hatte, indem er ihn prügelte und aus der Kirche hinauswarf.»

Solches aber würde Thomas nicht einmal einem Ungläubigen wünschen – und schon gar nicht einem Bischof.

* Josef Imbach ist Verfasser zahlreicher Bücher. Er unterrichtet an der Seniorenuniversität Luzern und ist in der Erwachsenenbildung und in der Seelsorge tätig.

25. November 2017 | 12:06
Lesezeit: ca. 2 Min.
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