Religionsunterricht in Bonn
Schweiz

Ein «Lehrplan 21» für den katholischen Religionsunterricht

Zürich, 14.8.17 (kath.ch) Mit dem Anfang des neuen Schuljahres tritt für den katholischen Religionsunterricht in der Deutschschweiz ein neuer Lehrplan in Kraft. Über die Neuerungen des «Lehrplans für den konfessionellen Religionsunterricht und die Katechese» (Leruka) spricht Projektleiter David Wakefield im Interview mit kath.ch.

Sylvia Stam

Gibt es jetzt neu einen Lehrplan 21 für die Kirche?

David Wakefield: Ja, das kann man so sagen. Mit dem Lehrplan 21 wird der bekenntnisfreie Religionsunterricht im staatlichen Lehrplan institutionalisiert. Das hat die Frage aufgeworfen, wie sich die Kirche mit ihren Angeboten – dem konfessionellen Religionsunterricht und der Katechese – positioniert. Die Konferenz Netzwerk Katechese* wollte einen Lehrplan, der kompatibel ist mit dem Lehrplan 21.

Was heisst kompatibel?

Wakefield: Der Leruka baut ebenso wie der Lehrplan 21 auf Kompetenzen auf. Damit ist einerseits die Zusammenarbeit mit dem staatlichen Angebot möglich, andererseits kann sich das kirchliche Angebot durch einen zeitgemässen Lehrplan im Schulbetrieb profilieren.

Ist der Leruka eine Konkurrenz zum bekenntnisneutralen Fach «Ethik, Religion, Gemeinschaft» (ERG) des schulischen Lehrplans?

Wakefield: Nein, er versteht sich als Ergänzung. Für die Kirchen ist es ein Glücksfall, dass der Staat das Fach Religion nicht aus der Schule geworfen hat. Mit der Einführung des obligatorischen Fachs ERG anerkennt der Staat Religionen als einen Grundpfeiler der Gesellschaft und übernimmt Verantwortung dafür. Den Kirchen ermöglicht dies eine Profilierung, indem sie in ihrer Religion in die Tiefe und ins Detail gehen können.

«Wissen ist eines der wichtigsten Fundamente einer Kompetenz.»

Bedeutet kompetenzorientiert, dass die Kinder keine biblischen Geschichten mehr kennen müssen?

Wakefield: Wissen ist eines der wichtigsten Fundamente einer Kompetenz. Das Kind soll eine biblische Geschichte jedoch nicht nur kennen, sondern im Idealfall auch wissen, wie sich diese Geschichte auf sein Leben auswirkt, was es damit machen kann. Kompetenz bedeutet nebst dem Wissen, etwas anwenden zu können und eine Haltung dazu zu haben.

Können Sie das anhand der Geschichte vom barmherzigen Samariter erläutern?

Wakefield: Früher hat

man oftmals eine Geschichte pro Lektion angehört und vielleicht etwas dazu gestaltet. Im Kern ging es darum, die Geschichten zu kennen und die Bedeutung zu verstehen. Der Leruka rückt die Lebenswelt der Lernenden in den Vordergrund und fragt, welche Bedeutung die Geschichte für die Kinder in ihrem Leben und welche Relevanz die Geschichte für ihre Zukunft hat. Durch die Auseinandersetzung verstehen die Kinder die Geschichte nicht nur, sondern spüren, was ihnen Barmherzigkeit bedeutet und wie sie sich barmherzig verhalten können.

David Wakefield | © Sylvia Stam

Die Kompetenzorientierung zielt letzten Endes darauf ab, dass die Kinder auch nach der Schulzeit in der Lage sind, Anforderungen ihres Lebens mit dem Gelernten bewältigen zu können.

Ein ökumenischer Lehrplan innert nützlicher Frist war unrealistisch.

War das denn bisher nicht möglich?

Wakefield: Doch, aber der Lehrplan war nicht darauf ausgerichtet, es war oftmals ein Zufallsprodukt von gutem Unterricht.

Der Leruka ist katholisch. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, in Zeiten schwindender Kirchenmitgliederzahlen einen ökumenischen Lehrplan zu erstellen?

Wakefield: Die Vorgespräche haben gezeigt, dass es unrealistisch ist, einen ökumenischen Lehrplan für die ganze Deutschschweiz innert nützlicher Frist hinzubekommen. Uns war es daher wichtig, den Lehrplan so zu formulieren, dass er keine Hindernisse für die Ökumene enthält. So können auch Kantone mit ökumenischem Religionsunterricht weiterhin gemeinsame Projekte durchführen. Die Kompetenzen sind eine gute Grundlage, um den Lehrplan mit Inhalten zu füllen, sodass man auch gemeinsam unterrichten kann.

«Wir hatten bisher 21 kantonale Lehrpläne.»

Bislang hatte jeder Kanton seinen eigenen Lehrplan für den Religionsunterricht. Wie war die Vereinheitlichung möglich?

Wakefield: Wir hatten bisher 21 kantonale Lehrpläne. Unsere Aufgabe war es, einen Lehrplan zu erstellen, der auf der einen Seite so konkret ist, dass er wirklich eine Hilfestellung ist, auf der anderen Seite so weit, dass er den unterschiedlichen kantonalen Situationen Rechnung trägt. Dabei kam uns ebenfalls die Kompetenzorientierung zugute. Darin konnten sich alle Kantone wiederfinden. Nebst den verbindlichen Kompetenzen gibt es eine Planungshilfe, die nicht verbindlich ist. Diese kann kantonal angepasst werden.

Der Prozess der Entwicklung des Lehrplans war zudem sehr breit abgestützt, sodass die verschiedenen Interessen unter einen Hut gebracht werden konnten.

Der Leruka tritt auf dieses Schuljahr hin in Kraft. Was bedeutet das konkret für Religionspädagoginnen und Katecheten?

Wakefield: Für die Umsetzung des Leruka sind die kantonalen katechetischen Fachstellen zuständig. Die meisten haben Gruppen gebildet, die sich nun damit auseinandersetzen, wie und in welchem Zeitrahmen sie den Leruka einführen wollen. Es geht um Fragen wie: Braucht es ergänzende Unterlagen? Wie informieren wir? Was hat der Leruka für Auswirkungen? Einerseits wird es Einführungsveranstaltungen geben, andererseits werden erfahrene Mitarbeitende aus der Praxis sich mit kompetenzorientierter Didaktik auseinandersetzen müssen.

Gibt es eine Form von Kontrolle, dass der Leruka umgesetzt wird?

Die Konferenz Netzwerk Katechese wird sich bei der Herstellung von Materialien, die auf reli.ch bereitgestellt werden, ebenfalls am Leruka orientieren.

* In der Konferenz Netzwerk Katechese sind die Leitenden aller Deutschschweizer katechetischen Fachstellen, die Vertreter der religionspädagogischen Lehrstühle Luzern, Chur und Freiburg sowie diverse Fachpersonen vertreten.

David Wakefield ist Leiter des Fachzentrums Katechese und Projektleiter des Leruka.

 

Religionsunterricht in Bonn | © KNA
14. August 2017 | 08:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Infobox Leruka

Ende 2014 haben die Konferenz Netzwerk Katechese und die Deutschschweizer Ordinarienkonferenz (DOK) der Entwicklung eines deutschschweizerischen Lehrplans für die Katechese und den konfessionellen Religionsunterricht zugestimmt. Eine Projektgruppe unter der Leitung von David Wakefield hat daraufhin den Lehrplan für konfessionellen Religionsunterricht und Katechese (Leruka) ausgearbeitet. Er tritt per 1. August 2017 in Kraft. Alle Unterlagen zum Leruka stehen online zur Verfügung.

Dies ist der erste verbindliche Lehrplan im konfessionellen Unterricht für die deutschsprachige Schweiz, mit Ausnahme der Kantone des Bistums St. Gallen. Das Bistum St. Gallen begrüsste die Erarbeitung des Lerukas, konnte ihn aber auf Grund der spezifischen Rahmenbedingungen im Kanton nicht übernehmen. Gründe waren die schulrechtlichen und organisatorischen Gegebenheiten, die enge ökumenische Zusammenarbeit im Bildungsbereich und der Zeitpunkt der Einführung des Lehrplans 21 im Kanton. Das Bistum hat im Frühling 2017 zusammen mit der reformierten Landeskirche St. Gallen einen eigenen «Lehrplan Volksschule» eingeführt, der auch als Richtschnur für die Katecheten der Kantone Appenzell gelten wird. (sys)