Kirchenhistoriker Victor Conzemius
Schweiz

Kirchenhistoriker aus Leidenschaft

Luzern, 30.6.2017 (kath.ch) Am 24. Juni ist der Priester, Kirchenhistoriker und Publizist Victor Conzemius mit 88 Jahren gestorben. Seit seinem Studium hat er sich unermüdlich mit kirchengeschichtlichen Themen auseinandergesetzt und zugleich vielfältige seelsorgerliche Aufgaben wahrgenommen. Ein Nachruf des katholischen Publizisten Alois Hartmann*.

Alois Hartmann

«Es ist kein Geheimnis, dass die Kirchen ein gestörtes Verhältnis zur Geschichte der Moderne haben», schrieb der Kirchenhistoriker Victor Conzemius im Juli 1980 in Luzerner Zeitungen zu seinem Abgang als ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät. Er hatte nach zehnjähriger Tätigkeit resigniert. Er war enttäuscht, dass die Bedeutung der Kirchengeschichte für die Ausbildung der Theologen nicht stärkere Unterstützung fand, dass Luzern 1978 die Gründung einer eigenen Universität abgelehnt hatte, und dass an keiner theologischen Fakultät der Schweiz ein Lehrauftrag für schweizerische Kirchengeschichte bestand.

Dennoch ging der gebürtige Luxemburger mit der ihm angeborenen Hartnäckigkeit den Weg weiter. Er blieb in Luzern  und blieb seinem Auftrag als freier Wissenschafter und Publizist treu.

Bis zum Schluss Luxemburger

Victor Conzemius war 1929 im berühmten Echternach in eine Wirtsfamilie hineingeboren worden. Er blieb ein Leben lang Luxemburger, pflegte enge Kontakte zu seiner Familie, wurde nie Schweizer Staatsbürger . Trotzdem konnte er sich jederzeit in die schweizerischen Verhältnisse einfühlen. Bereits 1949 kam er zum Studium der Philosophie und der Theologie an die Universität Freiburg (Schweiz). 1955 wurde er zum Priester geweiht und blieb dies ein Leben lang, in unverbrüchlicher Treue zur Kirche. Er war durch und durch kirchlich gesinnt, modischen Tendenzen abhold, jedoch offen gegenüber echten Erneuerungen . Auch das war eine Frucht seiner tiefsten Überzeugung als Kirchenhistoriker. In seinem Aufruf von 1980 zu vermehrter Förderung seines Fachs schrieb er: «Es wäre nicht zum ersten Mal, dass Kirchengeschichte befreiend, statt als Hüterin sinnlosen Ballastes wirken würde.»

Conzemius in den Medien

Mit der neu gewonnenen Freiheit eröffnete sich Conzemius ein weit gespanntes Schaffensfeld. Bereits 1970 hatte er Hanno Helbling kennengelernt, den genialen Zürcher Journalisten, der ihm das Tor zum NZZ-Feuilleton öffnete. Diese Chance liess sich Conzemius nicht entgehen. Regelmässig äusserte er sich in den Spalten der NZZ  –  aber ebenso im «Vaterland» und vielen anderen Medien  –  zu kirchenhistorischen Fragen mit aktuellem Bezug. Bereits 1979 schrieb er zum Thema «Katholische Kirche und Nationalsozialismus». Es war wie eine Vorarbeit zum späteren Auftrag der Bischofskonferenz, zusammen mit 15 Fachleuten den schweizerischen Katholizismus in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zu erforschen. (Der Sammelband erschien 2001 im NZZ-Verlag.)

Im Auftrag der Luzerner Regierung

Eine andere herausragende Aufgabe bestand für Conzemius auf Veranlassung der Luzerner Regierung in der Bearbeitung und Herausgabe des umfangreichen Briefwechsels des Luzerner Staatsmannes Philipp Anton von Segesser (1817-1888). Dazu erschienen neun Bände (Paulus-Edition Freiburg). Conzemius hatte bereits 1977 zu von Segesser eine eigene Darstellung veröffentlicht: «Demokrat zwischen den Fronten» (Benziger).

«Wie er schrieb, so begegnete er den Menschen im Alltag.»

Conzemius war es ein Leben lang ein tiefes Anliegen, Lebensläufe und Schicksale darzustellen. Immer wieder kam er auf «Propheten und Vorläufer» und auf «Christen unserer Zeit» (Titel zweier Publikationen) zu sprechen, holte sie aus dem Mottenschrank der Vergangenheit und stellte sie in verständlicher Sprache als «Gottes Spurensucher» (Herder 2002) dar.

Wie er schrieb, so begegnete Conzemius den Menschen im Alltag, im Quartier: mit Liebenswürdigkeit, mit einem humorvollen Wort, stets mit Hilfsbereitschaft. Während vielen Jahren war er Aushilfspriester in der Pfarrei St. Johannes, seit 1994 Seelsorger im Kurhaus Sonnmatt in Luzern. Seinen Lebensabend durfte er in seinem Zuhause verbringen. Er starb am 24. Juni, nach langer, geduldig ertragener Krankheit. (ft)

*Alois Hartmann war früher unter anderem Chefredaktor der Luzerner Tageszeitung «Vaterland» und Präsident der katholischen  internationalen Presseagentur (Kipa).

Kirchenhistoriker Victor Conzemius | © zVg
30. Juni 2017 | 15:51
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