Pfarrer Ernst Sieber
Schweiz

Obdachlosenpfarrer Ernst Sieber wird 90

Zürich, 24.2.17 (kath.ch) Am 24. Februar feiert der reformierte Obdachlosenpfarrer Ernst Sieber seinen 90. Geburtstag. Der Begründer zahlreicher Sozialwerke setzt sich seit Jahrzehnten für die Randständigen der Gesellschaft ein. Glückwünsche bekommt er auch von katholischer Seite.

Seit 1948 engagiert sich Ernst Sieber, der erst auf dem zweiten Bildungsweg zum Studium der Theologie gekommen war, für Obdachlose. Seinen Ruf begründete er im eiskalten Winter 1963, als Sieber Obdachlose in der städtischen Zivilschutzanlage unter dem Zürcher Helvetiaplatz einquartierte. Es war der Grundstein für viele weitere Gemeinschaften, die im Lauf der Jahre noch folgten. Zur Ikone wurde Sieber im Sommer 1980, als er anlässlich der Zürcher Jugendunruhen einen gewaltsamen Zusammenstoss zwischen Polizei und Demonstranten verhinderte, indem er sich mit seinem Esel auf der Quaibrücke zwischen die Fronten stellte.

Gründung der Sozialwerke

Ende der 80er-Jahre begann Sieber, sich um die Drogenabhängigen auf dem Platzspitz zu kümmern. Er schuf Anlauf- und Notschlafstellen und rief das Kleinspital Sunne-Egge für Aidskranke und kranke Drogenabhängige ins Leben. Diese Einrichtungen fasste er schliesslich in der Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber zusammen. Sein unermüdlicher Einsatz wurde ihm 1987 von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich mit der Ehrendoktorwürde verdankt. Im Jahr darauf ernannte die reformierte Kirche Sieber zum Dekan der Stadt Zürich links der Limmat. Bis zu seiner Pensionierung 1992 war Sieber Pfarrer in Zürich-Altstetten.

Um seine Vision eines nationalen Drogendorfs zu realisieren, kandidierte Sieber 1991 für den Nationalrat und wurde glanzvoll gewählt. 2013 ehrte ihn die Stadt Zürich schliesslich mit dem Zürcher Staatssiegel. Allerdings gab es auch schwierige Zeiten: So musste Sieber beispielsweise nach Turbulenzen um sein Sozialwerk 2004 aus dem Stiftungsrat zurücktreten.

Eine radikale Theologie

In seinen Geburtstagsgrüssen würdigt der Zürcher Kirchenrat Sieber mit den Worten, er zeige «mit seinem pionierhaften Wirken seit je, welches die Essenz der christlichen Kirche ist: in der Nachfolge Jesu zum Bruder der Bedürftigen zu werden und sich allen Menschen in ihren Lebenssituationen zuzuwenden.» Sieber selbst umriss 2016 im bref-Magazin sein theologisches Anliegen als Versuch, «die zentrale Bedeutung Jesu aufzuzeigen, um zu Christus, dem Auferstandenen, zu gelangen. Denn: Dieser hat keine Masstäbe an die Menschen gelegt, sondern einzig das Menschliche zum Massstab gemacht. Diese Hoffnung ist radikal – und wird mich bis an mein Lebensende tragen.»

Feier im familiären Kreis

Aus familiären Gründen sagte Sieber den geplanten Gottesdienst zu seinem Geburtstag im Zürcher Grossmünster und das anschliessende Fest in der Helferei ab. Gemäss «Tages-Anzeiger» (24. Februar) sagte Sieber, als er hörte, dass in der Helferei nur 300 Personen Platz hätten, das gehe nicht.  Der wirkliche Grund für das Verschieben ist laut Zeitung jedoch ein persönlicher.

Zum 90. Geburtstag von Ernst Sieber ist das Hörbuch «Hilfe auf Augenhöhe» erschienen. (ref.ch/sys)


Video zum 90. Geburtstag von Ernst Sieber:

 

 

 

Pfarrer Ernst Sieber | © Screenshot www.swsieber.ch
24. Februar 2017 | 10:04
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Generalvikar Josef Annen gratuliert Sieber

Lieber Ernst Sieber

Wer Dich sucht, findet Dich: Inmitten der Menschen, die ganz an den Rand unserer Gesellschaft geraten sind. Seit Jahrzehnten hast Du ein feines Gespür dafür, was Obdachlose und Notleidende am Dringendsten brauchen: Einen Ort, wo temperaturmässig und menschlich Wärme geschenkt wird. Du packst tatkräftig an, bevor Du fragst, was möglich ist. Du bist im besten Sinn des Wortes ein Menschenfischer: Von Dir geknüpfte Netzte bewahren Menschen vor dem Fall ins Bodenlose und erzählen die Botschaft, dass niemand tiefer fallen kann als in die Hand Gottes. Dein Wirken ist gelebte Frohe Botschaft. Dafür danke ich Dir. Ich wünsche Dir unterwegs dem 100. Geburtstag entgegen den Segen Gottes und dass wir alle merken, dass es uns besser geht, wenn wir mit denen teilen, denen es weniger gut geht.

Josef Annen, Generalvikar für die Kantone Zürich und Glarus