Andrew Garfield als Desmond Doss in "Hacksaw Ridge", Regie: Mel Gibson
Schweiz

Mel Gibson zeigt Glaube und Gewalt auf dem Schlachtfeld

Zürich, 27.1.16 (kath.ch) Seit seiner berüchtigten Gewaltdarstellung in «The Passion of the Christ» (2004) gilt Mel Gibson als erfolgreicher Regisseur, der körperliches Leiden drastisch auf der Leinwand inszeniert. In seinem neusten Film «Hacksaw Ridge» (2016) wagt er sich an das Genre des Kriegsfilms. Die Geschichte eines christlichen Kriegsdienst-Verweigerers, der seinen Dienst als Sanitäter in einer blutigen Schlacht des Zweiten Weltkriegs leistet, wirft grundsätzliche Fragen zur Gewaltdarstellung auf.

Charles Martig

Was hat Mel Gibson in diesem Fall wieder geritten? Er erzählt eine Heldengeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg, die ganz und gar amerikanisch ist. Es handelt sich um eine Hommage an die Kriegsveteranen, an Glaube, Liebe und Hoffnung. Doch irgendwie findet der Filmemacher in seinem neusten Werk keine ausgewogene Balance: er schwankt zwischen pazifistischem Anti-Kriegs-Pathos und drastischer Darstellung von Gewalt.

In «Hacksaw Ridge» geht es um einen Angriff der US-amerikanischen Streitkräfte auf das japanische Okinawa im Frühjahr 1945. Im Verbund des 307. Infanterieregiments ist auch ein junger Mann, der aus einer christlich-adventistischen Kirche stammt. Desmond Doss (Andrew Garfield) hat sich für den Kriegsdienst gemeldet, weil er dem Vaterland dienen will. Er ist aber überhaupt nicht für das Kriegshandwerk geeignet. Aus religiöser Überzeugung will er keine Menschen töten. Er verweigert jeglichen Kontakt mit dem Gewehr. Die Ausbildner wollen ihn aus diesem Grund nachhause senden, doch er hält standhaft daran fest, dass er der Armee als Sanitätssoldat wertvolle Dienste leisten kann.

Familie geprägt von Krieg

Grundsätzlich ist diese Geschichte interessant, weil sich eine Spannung eröffnet. Wieso geht ein junger Mann, dessen Vater bereits im Ersten Weltkrieg war und dort traumatische Erlebnisse hatte, selber in den Krieg? Eine familiäre Vorbelastung ist bei Desmond vorhanden. Er wirkt ernst und überlegt, hat aber auch eine gewisse jugendliche Leichtigkeit bewahrt. Seine Jugend in Lynchburg, Virginia, ist jedoch geprägt von Gewalt im Elternhaus, seinem alkoholabhängigen Vater (Hugo Weaving) und seiner verzweifelten Mutter (Rachel Griffiths). Ein Lichtblick ist seine Liebe zur Krankenschwester Dorothy (Teresa Palmer), die Liebe und Hoffnung in ihm aufblühen lässt. Doch für eine Hochzeit ist es noch zu früh. Er wird eingezogen und geht in den Kriegsdienst.

Nach der Aushebung können Desmond die Schwierigkeiten im Ausbildungscamp und im Arrest nicht davon abbringen, für sein Heimatland in den Krieg zu ziehen, obwohl er ein Kriegsdienstverweigerer aus religiöser Überzeugung ist. Mit Sondererlaubnis des Generalstabs wird dies möglich. Eine wesentliche Stütze ist ihm die Krankenschwester Dorothy Schutte, die im Film als «Engel der Barmherzigkeit» (Mel Gibson) dargestellt wird. Sie ist sein emotionaler Rückhalt und seine grosse Liebe.

Rettung von Verletzten als christliche Heldentat

Doch der eigentliche Kern der Geschichte ist das Gefecht um den Maeda-Steilhang in Okinawa. Diese Felswand, die steil abfällt und aussieht, als wäre sie abgesägt worden, wird wegen ihrer Form auch «Metallsäge Grat» (Hacksaw Ridge) genannt. Diese Felsformation wurde 1945 von verzweifelten japanischen Soldaten mit grosser Hartnäckigkeit verteidigt. Aus Maschinengewehrnestern und tiefen Höhlen fügten sie der US-Armee bedeutende Verluste zu. Desmond Doss wurde in dieser Schlacht zum Kriegshelden. Er rettete eine grosse Zahl von Verletzten aus dem Schlachtfeld und brachte sie über den 122 Meter hohen Steilhang nach unten in Sicherheit.

https://vimeo.com/178446595

Mel Gibson hat in der Darstellung dieser Schlacht einen Anspruch auf Hyperrealismus. Er will den Zuschauer und die Zuschauerin in die realen Ereignisse hineinversetzen. Die Kamera ist mittendrin, Explosionen mit umherfliegenden Trümmer- und Körperteilen sind so echt wie möglich. Der Film verzichtet weitgehend auf digitale Effekte. Der grösste Teil ist auf dem Filmset entstanden und mit körperlichem Einsatz der Darsteller und Stuntleute umgesetzt. Die realistischen Explosionen, die abgetrennten Beine und hervorquellenden Eingeweide werden deutlich gezeigt. Ratten fressen verwesende Leichen. Flammenwerfer entzünden Soldaten und lassen diese lichterloh in Feuer aufgehen. Kanonenbeschuss und Maschinengewehrfeuer zerfetzen menschliche Leiber. während rund einer Stunde befindet man sich in dieser Kriegshölle und erlebt, wie der Sanitäter Desmond Doss in diesem Chaos seine Aufgabe erfüllt. Es ist eine übermenschliche Aufgabe, eine Heldentat.

Gewalt ist überhöht und drastisch dargestellt

Mel Gibson überhöht diese Erzählung am Schluss mit Slow-Motion und einer Fahrt von Desmond durch den Himmel. Religion spielt also nicht nur explizit eine Rolle, wenn Desmond vor dem letzten Angriff betet und die ganze Kompagnie auf ihn wartet, sondern auch in den Bildern vom Kriegshelden. Zusammen mit dem drastischen Realismus auf dem Schlachtfeld hinterlässt Gibson damit einen zwiespältigen Eindruck: zwischen ethischer Grundhaltung der Hauptfigur und voyeuristischem Kriegsgemetzel, zwischen pazifistischem Antikriegs-Pathos und Rechtfertigung der Gewalt.

Es gibt viele Kriegsfilme, die eigentlich Antikriegsfilme sind. Doch dieser ist mehr als nur missglückt. Er öffnet einen Graben zwischen Glaube und Liebe einerseits und drastischer Gewaltdarstellung andererseits. Mel Gibson sagt dazu: «Mein Ziel ist es immer, das Wahrhaftige in einem bestimmten Moment zu entdecken – und die Spezialisten für Spezialeffekte haben alles getan, damit dies auch gelingt.» Dass das Streben nach Wahrhaftigkeit auch seine Grenzen hat, vor allem wenn Grenzen der Darstellbarkeit von Gewalt erreicht sind, hat Gibson nicht in seinem Blickfeld. Obwohl der Film für sechs Oscars nominiert wurde, ist «Hacksaw Ridge» ein Beispiel für die Gefahren des Hyperrealismus im Kriegsfilm.

Offizielle Website zum Film

International Movie Database mit Angaben zu «Hacksaw Ridge»

Andrew Garfield als Desmond Doss in «Hacksaw Ridge», Regie: Mel Gibson | © Impuls Pictures
27. Januar 2017 | 12:11
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