Podiumsdiskussion Kirche und Wirtschaft
Schweiz

Kirche und Unternehmen müssen mehr miteinander reden

Luzern/Zürich, 10.11.16 (kath.ch) «Der Kapitalismus – ein Feindbild der Kirchen?» war eine Veranstaltung vergangene Woche an der Universität Luzern überschrieben. Nach den Referaten, einer prominent besetzten Podiumsdiskussion und den daraus gezogenen Schlüssen der Referenten liesse sich die Frage auch anders stellen: «Die Kirche – ein Feindbild der Wirtschaft?» Ein Kommentar von Martin Spilker.

«Das Gespräch muss weitergeführt werden.» Mit diesen Worten schloss der Theologieprofessor Martin Mark die von gut 170 Personen besuchte Veranstaltung an der Universität Luzern. Eröffnet hatte den Abend Christoph Schaltegger, Professor der neuen Wirtschaftswissenschaftlichen Universität an dieser Uni mit dem Satz «Erkennt die Wirtschaft den Wert der Religion – und umgekehrt?»

Es gab an diesem Anlass Stoff genug, sich die Eingangsfrage mal aus dieser, mal aus der anderen Sicht zu überlegen. Dass nebst der Universität auch Avenir Suisse, ein Think Tank für die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklung der Schweiz, und die Zürcher Paulus-Akademie eingeladen hatten, machte deutlich, dass diese Frage, oder die Fragen nicht nur gestellt, sondern auch diskutiert werden sollen.

Schon bald sprachen sich die Beteiligten gegenseitig Kompetenz ab.

Genau das fand aber bei der Podiumsdiskussion nicht oder kaum statt. Mit dem Bischof von Basel, Felix Gmür, dem CVP-Präsidenten Gerhard Pfister, dem Verwaltungsratspräsidenten des Chemiekonzerns Clariant Rudolf Wehrli und Andreas Kressler, dem Direktor des Hilfswerks der evangelischen Kirchen Schweiz Heks, am Pult, wäre eine anregende Auseinandersetzung zu erwarten gewesen. Aber schon bald einmal sprachen sich die Beteiligten gegenseitig Kompetenz oder Weitsicht ab.

Grob zusammengefasst hiess es auf der einen Seite: Die Kirche verstehe von Wirtschaft und Unternehmertum nichts, und solle sich entsprechend nicht einmischen. Auf der anderen Seite: Die Wirtschaft stelle einseitig Gewinn und Wachstum ins Zentrum und kümmere sich zu wenig um den Menschen, vor allem den benachteiligten Menschen. Dass Unternehmen und Kirche beim Thema Volkswirtschaft unterschiedliche Blickweisen haben und sicher auch unterschiedliche Sprachen sprechen, liegt auf der Hand. Dem Unternehmer allein Profitmaximierung zu unterstellen ist falsch. Klar machte dies Heks-Direktor Kressler mit der Aussage «Um Benachteiligte zu unterstützen muss erst etwas erwirtschaftet werden».

Ethisches Handeln muss in der Wirtschaft ein Faktor sein.

Falsch ist aber auch, wenn Wirtschafts- und Politikvertreter der Kirche und kirchlichen Organisationen vorwerfen, sie wollten den Unternehmen Vorschriften machen. Davon dürften Kirchenvertreter bei uns weit weg sein. Dass Kirchen aber auf wunde Punkte in einer offensichtlich nicht überall rund laufenden Wirtschaft legen, das müssen sich Unternehmer gefallen lassen. Rudolf Wehrli hat in der Diskussion festgehalten, dass der Wettbewerb die Quelle des Fortschritts sei und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht habe. Bei Wettbewerben gibt es Verlierer. Mit ihrer an der Religion und nicht am Markt orientierten Kritik weisen die Kirchen darauf hin, dass ethisches Handeln in der Wirtschaft auch ein Wettbewerbsfaktor sein muss.

Dieses Gespräch muss also weitergeführt werden, wie Martin Mark sagte. 170 Zuhörerinnen und Zuhörer haben es gehört und tragen vielleicht ihren Teil dazu bei, die Diskussion zwischen Wirtschaft und Kirche an anderen Orten anzuregen oder fortzuführen. Stoff dafür ist bestimmt vorhanden, auch ohne Feindbilder heranzuziehen.

Übrigens: 2017 sind es 50 Jahre, seit Papst Paul VI. in seinem Schreiben «Populorum progressio» Fragen der Gerechtigkeit in der Weltwirtschaft und der Überwindung von Arm und Reich zum Thema gemacht hat.

Die Veranstaltung «Der Kapitalismus – ein Feindbild für die Kirchen?” wurde durchgeführt von der Universität Luzern, der Paulus-Akademie Zürich und Avenir Suisse. Auf dem Podium diskutierten (auf dem Bild von links): Felix Gmür, Bischof von Basel; Rudolf Wehrli, Verwaltungsratspräsident Clariant; Stephan Wirz, Paulus-Akademie (Gesprächsleitung); Andreas Kressler, HIlfserk der evangelischen Kirchen Schweiz Heks, und Gerhard Pfister, CVP-Präsident und Nationalrat. Referate hielten Joachim Wiemeyer, Universität Bochum; Stefan Grotefeld, Universität Zürich; Gerhard Schwarz, Publizist.

Podiumsdiskussion Kirche und Wirtschaft | © Thomi Studhalter / Paulus Akademie
10. November 2016 | 10:12
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!