Spendenkasse in einer Bündner Kirche
Schweiz

Schweizer Kirchen wappnen sich für Unternehmenssteuerreform III

Zürich, 21.9.16 (kath.ch) Die EU will, dass die Schweiz Steuerprivilegien für Firmen abschafft. Der Bund will mit der Unternehmenssteuerreform III diese Vorgabe umsetzen. Das kommt teuer zu stehen. Auch die Kirchen werden zur Kasse gebeten. Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) prüft die Reaktionen aus den Kantonalkirchen. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) will ein Argumentarium bereitstellen.

Matthias Böhni / Georges Scherrer

Reichlich abstrakt kommt sie daher, die Unternehmenssteuerreform III (USR III). Doch die Kirchen sollten sich mit ihr befassen, weil die Reform happige Steuerverluste verursachen könnte. Das Referendum der SP ist vergangene Woche zustandegekommen, die Abstimmung könnte bereits am 12. Februar 2017 stattfinden.

Falls die komplizierte Finanzreform an der Urne angenommen wird, hätten die Kirchen mit grossen finanziellen Einbussen zu rechnen. Wird die Reform abgelehnt, müssten National- und Ständerat nochmals verhandeln und eine mehrheitsfähige Variante präsentieren.

Was aber hat eine Unternehmenssteuerreform mit der Kirche zu tun? Sehr viel. Denn die Kirchen finanzieren sich nicht nur über Steuern natürlicher Personen, sondern auch über diejenigen von Firmen. Die USR III tangiert also die juristischen Kirchensteuern.

Teure Kompensation von Steuerprivilegien

Auf Druck der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD und der EU sollen mit der USR III Steuerprivilegien für ausländische Firmen beseitigt werden. Dies ist an sich unbestritten. Damit die Firmen aber nicht abwandern, werden andere Steuern gesenkt. Der Bund lässt den Kantonen zudem einen höheren Anteil an der Bundessteuer zukommen, damit diese auch die Gewinnsteuern der Firmen senken.

Wie stark sie dies tun, ist noch offen. Falls die USR III wie vorgesehen umgesetzt wird, resultiert für viele Gemeinden je nach Kanton ein deutlicher Steuerverlust. Dieser wirkt sich auch auf die Kirchgemeinden aus. Ob die Kantone die Kirchen dafür entschädigen, ist unklar. Die Berner Regierung beispielsweise will den Kirchen etwas vom höheren Anteil der Bundessteuern abgeben, wie am Freitag auf Radio SRF1 bekannt wurde.

Der Kanton Freiburg will die Folgen der Unternehmenssteuerreform für Gemeinden und Pfarreien mildern, schreiben die Freiburger Nachrichten. Um den Einnahmenverlust zu mildern, will der Kanton 1,1 Millionen Franken für die Pfarreien freigeben. Die Freiburger Tageszeitung «La Libertè» schreibt zudem, dass die Kirchen im Kanton aufgrund der USR III künftig dem Kanton mehrere Millionen Franken aus den Kirchensteuern werden abliefern müssen.

Ähnlich tönt es bei der römisch-katholischen Kirche Baselland. Es seien mehrere hunderttausend Franken, die die Kirche weniger einnehmen werde, sagte Martin Kohler, Medienbeauftragter der römisch-katholischen Kirche Basellandschaft gegenüber dem Regionaljournal Basel von Radio SRF.

Referendum unterstützen?

Die Kirchgemeinden werden aber ganz unterschiedlich von der USR III betroffen sein. Grundsätzlich gilt: Je mehr Wirtschaft, umso stärker der Steuerrückgang. Der reformierte Stadtverband Zürich rechnet mit einem Verlust von acht bis zehn Millionen Franken pro Jahr, das entspricht einer Reduktion um 25 bis 30 Prozent.

Vieles ist jedoch gemäss Stadtverband noch im Ungewissen. In der Kirchgemeinde Biel rechnet man ebenfalls mit einer Reduktion von rund einem Viertel. Biel unterstützt deshalb das Referendum. Die Zürcher Kantonalkirche prüft momentan, ob sie es ebenfalls unterstützen will.

Kirchliche Projekte und Angebote sind bedroht

Nicht nur die Kirchgemeinden könnten aber in Bedrängnis geraten, auch die juristische Kirchensteuer ist es seit längerem. Immer wieder wird mit Initiativen versucht, sie zu kippen – erfolglos, zuletzt vor zwei Jahren im Kanton Zürich.

Gerade die Ärmsten profitieren von diesen Steuern aber am meisten, weil sie für den nicht-kultischen Bereich reserviert sind. Diese Steuern finanzieren unter anderem Hilfswerke, kulturelle Angebote, die Spezialseelsorge.

Kirchenbund will Argumentarium erstellen

Bei der Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) beobachtet man die Entwicklung genau (siehe Sidebar). Auch der SEK ist wegen der USR III aktiv geworden. Momentan verfasst er eine ethische Analyse zu den Auswirkungen. Zudem ist er für die Parolenfassung auf nationaler Ebene zuständig. Der Rat des SEK trifft sich das nächste Mal aber erst am 28. Oktober, kurz vor der Abgeordneten-Versammlung am 7./8. November. Bis dahin sollte ein Argumentarium bereitstehen, ob und wie die Kirchen das Referendum gegen die USR III unterstützen sollen. Denn der 12. Februar ist bald. (ref.ch/gs)

Spendenkasse in einer Bündner Kirche | © Sylvia Stam
21. September 2016 | 16:10
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

RKZ behält Situation im Auge

Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) hat als Dachverband der kantonalkirchlichen Organisationen bereits im Frühling 2016 eine Umfrage bei ihren Mitgliedern gemacht. Ziel war es, mehr Klarheit über die Auswirkungen der USR III auf die Steuererträge der Kirchgemeinden und der kantonalkirchlichen Organisationen zu erhalten. Zudem sollte der Handlungsbedarf auf nationaler Ebene abgeschätzt werden, erklärte RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch gegenüber kath.ch auf Anfrage.

Dabei zeigte sich, dass «vieles noch offen ist und dass die politische Diskussion um die Umsetzung der USR III primär auf kantonaler Ebene geführt wird». Zudem wiesen viele Mitglieder darauf hin, dass es heikel wäre, wenn die Kirche dieses Thema primär unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Kirchenfinanzen aufgreifen.

Kantone reagieren

Viele Kantonsregierungen hätten entschieden, wie sie die Reform kantonal umzusetzen gedenken. Damit sei die Ausgangslage klarer geworden und die kantonalkirchlichen Organisationen könnten besser abschätzen, was die konkreten Auswirkungen sind und sie sich in dieser Frage positionieren, was vermutlich oft in Absprache mit den anderen anerkannten Kirchen geschehen werde, so Kosch.

Thema ist traktandiert

Bei ihrer nächsten Plenarversammlung wird die RKZ das Thema erneut aufgreifen. Mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund ist die RKZ im Gespräch. Dem Ergebnis der Beratungen will sie nicht vorgreifen.

Weil aber die Situation weiterhin von Kanton zu Kanton verschieden bleibe und etliche, auch grössere Kantone keine Kirchensteuern von Unternehmen kennen, sei kaum anzunehmen, dass die RKZ auf nationaler Ebene in dieser Frage politisch aktiv werde. Ob einzelne kantonalkirchliche Mitglieder auf kantonaler Ebene aktiv in diese Debatte eingreifen, werde sich zeigen. (gs)