Die Tanzkompanie St. Gallen probt den Rosenkranz-Tanz in der Lokremise
Schweiz

Der Rosenkranz tanzt in der Kathedrale St. Gallen

St. Gallen, 28.6.16 (kath.ch) Der Rosenkranz schafft es dieses Jahr an die St. Galler Festspiele, die seit dem 24. Juni laufen. Morgen ist Premiere des Stücks «Rosenkranz-Tanz» in der Kathedrale. Es beweist: Ein Gebet kann nicht nur gebetet werden, sondern auch getanzt.

Francesca Trento

Der Rücken gerade, Schultern zusammengezogen, stolze Brust, die Füsse eher nach aussen zeigend – die Tänzer und Tänzerinnen der St. Galler Tanzkompanie hören den Anweisungen der Choreografin Cathy Marston zu. Ruhig stehen, fällt ihnen sichtlich schwer. Musikern fällt es leichter. »Let’s start», ruft Marston und erlöst die Tänzer und Tänzerinnen. «Endlich tanzen», steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Der Rosenkranz-Tanz beginnt. Das Saxofonisten-Quartett «clair-obscure« und der Organist begleiten die Solistin. Sie lauft den Kirchenbänken entlang, macht wiederholende Bewegungen und murmelt vor sich hin. Sie betet leise. Ihre sich wiederholenden Bewegungen ziehen die Zuschauer in einen entspannenden Bann, in eine Art Meditation. Immer im gleichen Ablauf berührt sie sich an  verschiedenen Körperstellen.

Die Kraft der Wiederholung

Es kommen mehr Tänzer dazu. Synchron tanzen sie gewisse Passagen und wiederholen diese immer wieder. Dann lösen sich wieder einzelne Tänzer heraus, ein Duett, ein Quartett entsteht. Dann wieder wiederkehrende Schritte. Die Wiederholung zieht sich durch das gesamte Stück. Sowohl im Tanz als auch in der Musik. Neben den «Rosenkranz-Sonaten» von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704), entschieden sich Choreographin und Musiker für die «Minimal Music» von Philip Glass (geb. 1937). Diese setze sich stark mit der Wiederholung einzelner Elemente auseinander, so Martens. «Das wesentliche Element beim Beten des Rosenkranzes ist das meditative Wiederholen von Gebeten und die dadurch erhoffte Läuterung und Reinigung», wie der Saxofonist Christoph Enzel in einem Interview sagte. Das Wiederholen erinnere ihn an das buddhistische Mantra, das Menschen in eine Art Trance versetze.

Rosenkranz für alle

Die Tänzer bewegen sich völlig eins mit der Musik. Ein Fluss aus Bewegung und Klang erfüllt die barocke St. Galler Kathedrale. Scheinbar mühelos springen sie die Bühne rauf, schweben darüber und rollen wieder runter. Eine Geschichte kristallisiert sich heraus, die Rosenkranzgeschichte. Diese sollte jedoch nicht nur für religiöse Zuschauer ersichtlich sein, so die Choreografin: «Ich wollte den Rosenkranz für alle zugänglich machen. Auch für die Tänzer und Tänzerinnen, die vorher nichts mit dem Rosenkranz verbinden konnten.»

Für Künstler sei eine persönliche Identifikation mit dem Kunstwerk massgebend. Doch: Wie macht man Nicht-Religiösen etwas Religiöses zugänglich? Der Rosenkranz stelle den Lebenszyklus dar, so die Dramaturgin Deborah Maier. Er beginnt bei der Geburt, geht zum Leben, bis zum Tod und am Schluss zur Auferstehung. «Wir nennen letztere das «Echo», so Maier weiter. «Denn mit der Auferstehung können nicht alle etwas anfangen. Das «Echo» lässt mehr Spielraum offen, was nach dem Tod kommt.»

Religion – ein heikles Thema

Manchen Tänzern sei das Stück leicht gefallen. «Einer aus dem Ensemble stammt aus Südamerika. Er konnte uns den Rosenkranz ausführlich erklären», so Maier. Anderen fiel es schwerer. «Ich hatte anfangs Mühe, mich im Tanz fallen zu lassen», sagte ein Tänzer, der nicht religiös aufgewachsen ist. «Religion ist ein heikles Thema: Man kann Leute angreifen, obwohl man das gar nicht will.» Doch er fand sich in dem Lebenszyklus wieder und konnte sich somit doch noch fallen lassen. (ft)

Am 29. Juni um 21 Uhr findet die Premiere des Stücks «Rosenkranz-Tanz» in der St. Galler Kathedrale statt.

Die Tanzkompanie St. Gallen probt den Rosenkranz-Tanz in der Lokremise | © Anna-Tina Eberhard
28. Juni 2016 | 16:16
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