Zollitsch folgte als Leiter der Bischofskonferenz auf Kardinal Karl Lehmann
Schweiz

Kardinal Lehmann würdigt einen grossen Schweizer Theologen

Basel, 26.6.16 (kath.ch) Der bedeutende Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar hat sich scheinbar nur am Rande mit interreligiösem Dialog beschäftigt. Zum Andenken an den vor 28 Jahren Verstorbenen zeigte der langjährige Präsident der deutschen Bischofskonferenz und erst gerade als Bischof von Mainz zurückgetretene Kardinal Karl Lehmann, einen tieferen Einblick in dessen Haltung. Diese unterscheidet sich allerdings von den heutigen Ansätzen.

Martin Spilker

Er habe zuerst gar nicht gewusst, wie er das Thema angehen solle, sagte Kardinal Karl Lehman am Samstag, 25. Juni, in der St.-Marien-Kirche in Basel vor einer interessierten Zuhörerschaft. So machte er sich auf die Suche nach Hinweisen zum interreligiösen Dialog im umfangreichen Werk des 1988 verstorbenen Theologen Hans Urs von Balthasar. Sein Vortrag war denn auch reich gespickt mit Zitaten aus den Schriften von Balthasars.

Lehmann, der vor seiner Zeit als Bischof und Kardinal selber Theologieprofessor war, hatte es sich auch als 80-jähriger Mann nicht nehmen lassen, die Sache tiefgründig aufzuarbeiten. – Und das obschon er am selben Abend noch einen ganz anderen Termin hatte: Karl Lehman wurde in der Stadt, in der er seit 1983 als Bischof tätig war, zum «Mainzer des Jahres» ausgezeichnet. Am 16. Mai dieses Jahres, dem 80. Geburtstag von Kardinal Lehmann, hat Papst Franziskus dessen Rücktrittsgesuch als Bischof von Mainz angenommen.

Ein Zentrum – andere Brennpunkte

Heute würde im interreligiösen Dialog ein zentraler Teil der Arbeit auf die Gemeinsamkeiten der Religionen mit Blick auf verbindende Antworten angesichts globaler Herausforderungen gelegt. Im Werk von Hans Urs von Balthasar, so der Kardinal, habe sich die Frage des interreligiösen Dialogs ganz anders gestellt: Der Mensch in seiner isolierten Individualität fühle sich elementar zurückbezogen (re-ligio) auf einen Urgrund seiner Herkunft, zitierte Lehmann den Schweizer Theologen.

«Um zu diesem Urgrund zu kommen, gibt es verschiedene Wege», führte der Kardinal dann aus und erklärte, dass von Balthasar grundsätzlich zwischen den monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam und den Religionen, die «von der Vorstellung eines nicht-persönlichen Göttlichen beherrscht» würden.

Vorrang und Unterschiede der Ein-Gott-Religionen

Von Balthasar habe diese zwei Pole der Weltreligionen schliesslich auch gewertet: «Das Unterscheidende ist, dass im Westen dem religiösen Menschen eine in die Geschichte eingegangene Offenbarung von Gott her begegnet ist, während im Osten dies nicht der Fall ist.» Kardinal Lehmann ergänzte aber sofort, dass der Theologe wusste, dass mit einer solchen Aussage vorsichtig umzugehen und Angehörige östlicher Religionen letztlich unvoreingenommen zu begegnen sei.

Gleichzeitig habe von Balthasar aber auch eine klare Unterscheidung zwischen den Ein-Gott-Religionen gemacht: «Die Wurzel bildet das Judentum», zitiert Lehmann den Theologen. Christentum und Islam seien daraus hervorgegangen. Während das Christentum durch von Balthasar als «das endgültig Neue» bezeichnet wurde, habe der Islam in seinen Augen «keine grössere Eigenständigkeit» mehr erreicht.

Die sehr dichten und anspruchsvollen Überlegungen von Kardinal Lehmann wurden mit auch von Peter Henrici verfolgt. Der einstige Weihbischof im Bistum Chur während den Wirren um Bischof Wolfgang Haas war früher ebenfalls Theologieprofessor. Und er kennt Karl Lehmann schon sehr lange: Henrici war seinerzeit «Doktorvater» des Kardinals.

Andenken an grossen Theologen bewahren

Kardinal Lehmann hat in Basel auf Einladung der Stiftung Hans Urs von Balthasar gesprochen. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, das bedeutende Werk des Schweizer Theologen «lebendig erhalten und seinen Geist weitervermitteln», wie es auf der Homepage heisst. Präsident der Stiftung ist der in Luzern lehrende Theologieprofessor Wolfgang Müller.

Im Rahmen dieser Tätigkeit feiert die Stiftung das Jahresgedächtnis für Hans Urs von Balthasar mit einem Vortrag und einer Eucharistiefeier in Basel. (ms)

Zollitsch folgte als Leiter der Bischofskonferenz auf Kardinal Karl Lehmann | © Martin Spilker
26. Juni 2016 | 13:21
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Hans Urs von Balthasar

«Der Mensch ist von Natur aus religiös», ist eine der vielen Kernaussagen, die der 1905 in Luzern geborene Wissenschaftler geprägt hat. Hans Urs von Balthasar studierte zuerst Germanistik, bevor er Mitglied des Jesuitenordens wurde und Philosophie und Theologie studierte. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen und hat viele Preise und Ehrendoktorwürden zugesprochen erhalten.

Von Balthasar, der 1950 wieder aus der Gemeinschaft der Jesuiten entlassen wurde, hat sich auch intensiv mit religiösen Gemeinschaften auseinandergesetzt und gründete zusammen die Johannesgemeinschaft, ein vom Vatikan anerkanntes Säkularinstitut. So werden die damals entstandenen römisch-katholischen Weltgemeinschaften.

Von Balthasar zieht 1968 nach Basel und wird ein Jahr später zum Mitglied der Internationalen Theologen-Kommission in Rom ernannt. 1972 gründet er die internationale katholische Zeitschrift «Communio».

1988 wird Hans Urs von Balthasar durch Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt. Kurz vor der Abreise nach Rom zur Auszeichnung mit der Kardinalswürde verstirbt von Balthasar am 26. Juni 1988 in Basel. (ms)