Petersplatz, Rom
Vatikan

Papst prangert Diskriminierung von Behinderten an

Rom, 12.6.16 (kath.ch) Papst Franziskus hat eine fortwährende Diskriminierung von Behinderten angeprangert. Oft herrsche die Einstellung, die Betroffenen seien im «vergoldeten Gehege» oder in «Reservaten der frömmelnden Fürsorge und des Wohlfahrtsstaates» besser aufgehoben, weil sie dort den «Rhythmus des künstlichen Wohlbefindens» nicht störten, sagte Franziskus am Sonntag, 12. Juni, in einem Gottesdienst für Behinderte und Kranke.

Dies sei jedoch eine «Selbsttäuschung», die den wahren Sinn des Lebens verkenne. Dieser verlange auch die Annahme von Leid und Begrenzung, so der Papst auf dem Petersplatz. Zugleich kritisierte der Papst einen übersteigerten Perfektionismus. «Die Welt wird nicht besser, wenn sie nur aus augenscheinlich ‘perfekten’ Menschen besteht», betonte Franziskus. Nötig sei dazu vielmehr Solidarität unter den Menschen, gegenseitige Annahme und Achtung.

Zu dem Gottesdienst waren mehr als 20.000 Behinderte und Kranke mit ihren Betreuern auf den Petersplatz gekommen. Er bildete den Höhepunkt einer Sonderveranstaltung für Behinderte und Kranke im Heiligen Jahr. An der Messe wirkten auch Behinderte mit.

Zugleich wandte sich Franziskus in seiner Predigt entschieden gegen die Behauptung, das Leben von Schwerbehinderten sei nicht lebenswert. Nur weil die Betroffenen «den von der Genuss- und Unterhaltungskultur aufoktroyierten Lebensstil» nicht verwirklichten, heisse das nicht, dass sie nicht glücklich sein könnten. Entscheidend für ein glückliches Leben sei die Liebe, die Behinderte und Kranke von ihren Mitmenschen erhielten. Viele von ihnen öffneten sich wieder dem Leben, sobald sie entdeckten, dass sie geliebt werden, erklärte er.

Medizin ist nicht allmächtig

Der Papst warnte zugleich vor überzogenen Hoffnungen auf den medizinischen Fortschritt. Selbst wenn es irgendwo auf der Welt eine Medizin gebe, wäre diese nur sehr wenigen Menschen zugänglich. Ebenso warnte er vor einem Zynismus, der alles geduldig ertrage oder sich allein auf die eigenen Kräfte verlasse.

Weiter sagte der Papst, die Art und Weise, wie man sich mit Leiden und Einschränkungen auseinandersetze, sei ein Gradmesser für die Freiheit, den Erfahrungen des Lebens Sinn zu verleihen «auch wenn sie uns widersinnig und unverdient erscheinen». (cic)

Petersplatz, Rom | © Georges Scherrer
12. Juni 2016 | 12:51
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