Ingrid Grave
Schweiz

Ingrid Grave: «Uns Schwestern gibt es künftig so nicht mehr»

Luzern, 27.3.15 (kath.ch) Nur wenn die Kirche fähig ist, Gewohntes loszulassen und sich vertrauensvoll auf Neues einzulassen, hat sie eine Zukunft. Dies betonte die llanzer Schwester Ingrid Grave am 26. März an einem Vortrag des Theologischen Forums der Universität Luzern zum Thema «Kirche wohin – Hoffnungszeichen einer Ordensfrau».

Walter Ludin

Als eine «Ordensfrau in der Welt» stellte die Stephanie Klein, Pastoraltheologin an der Universität Luzern, die als «Fernsehnonne» bekannt gewordene Ilanzer Dominikanerin Ingrid Grave vor.

Gesellschaftliche Veränderungen zwingen Kirche und Orden zu Reaktionen. Ingrid Grave nannte als erste Strategie, mit welcher ihr Orden dem Wandel begegnet sei, die Akzeptanz, «dass es uns so, wie wir gelebt und gearbeitet haben, künftig nicht mehr gibt». Das Loslassen des Vergangenen habe Zukunft ermöglicht. So hätten sich für die Gemeinschaft neue Türen geöffnet.

Angestellte werden Mitarbeiter

«Akzeptieren, dass wir als Ordensgemeinschaft nicht mehr alles tun können»: Dies die zweite Strategie der Ilanzer Schwestern, beispielsweise im Bereich der Finanzen und der Organisation und auch der Krankenpflege seien Laien und Laiinnen angestellt worden. Da die Schwestern sie ernst genommen hätten, seien aus Angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geworden, die sich weitgehend mit dem Orden identifiziert und ein Wir-Gefühl entwickelt hätten.

Ingrid Grave fasste die Bewältigung des Wandels im Orden so zusammen: «Überholte Strukturen, Bräuche und Gewohnheiten loslassen und darauf vertrauen, dass es eine Zukunft gibt.»

Schafe warten auf Hirten

Im zweiten Teil ihres Referates beklagte die Dominikanerin die Passivität mancher Laien: «Als gute Schafe halten sie Ausschau nach guten Hirten.» Zwar habe es mit Papst Franziskus überraschend einen guten Hirten gegeben. Dieser könne aber nur die Richtung aufzeigen, in welche die Kirche gehe. Sich auf den Weg begeben müssten aber die Gläubigen. Diese hätten das alte Kirchenbild loszulassen, in dem alles von oben geregelt würde.

Beispiele zeitgemässer Seelsorge seien die Bahnhofkirche Zürich oder die Predigerkirche in der Zürcher Altstadt, in deren Nähe Ingrid Grave in einer neuen ordensähnlichen Gemeinschaft lebt. In der Predigerkirche werde geistliche Begleitung angeboten, unabhängig von den kirchlichen Strukturen und den Vorstellungen traditioneller Seelsorge.

Kann Seelsorge geplant werden

Skeptisch äusserte sich Ingrid Grave zu den Versuchen, in den neuen Pastoralräumen die Seelsorge zu strukturieren, zu planen und zu organisieren. Sie fragte sich, ob Seelsorge überhaupt geplant werden könne.

Wenn die Kirche an veralteten Strukturen – und auch an überholten Gottesbildern! – festhalte, habe sie keine Zukunft. Die zukunftsfähige Alternative sei die Mystik: «das Hinhören auf Gott, der in uns ist».

Das Stichwort «loslassen» zog sich wie ein Roter Faden durch den Vortrag; ebenso der Aufruf zum Vertrauen. Dabei gelte: «Vertrauen in die Zukunft ist letztlich das Vertrauen in Gott.»

Die Veranstaltung war das erste Treffen des Theologischen Forums, das Themen aufgreift, «die den Menschen in Kirche und Gesellschaft unter den Nägeln brennen». Dabei soll es zu einem Dialog zwischen Theologie und Praxis kommen. Stephanie Klein hatte in ihrer Begrüssung daran erinnert, dass die Orden die kirchlichen Umbrüche schon früher erlebt haben als die Pfarreien. Darum hätten sie spirituelle Ressourcen für die Bewältigung der Umbrüche in der Kirche. So stand der Vortrag der Dominikanerin unter dem Titel «Kirche wohin – Hoffnungszeichen einer Ordensfrau». (wlu)

 

Ingrid Grave | © 2015 Walter Ludin
27. März 2015 | 13:13
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