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Schweiz

Wissenschafterin: Klimabewegung ist nicht spirituell

Ist die aktuelle Klimabewegung spirituell unterwegs? Das hat sich die Religionswissenschafterin Nina Rageth gefragt. Ihr Seminar an der Uni Zürich ging dem auf den Grund. Mit dem Resultat: Da gibt es nichts. Zumindest nichts klar Ersichtliches.

Regula Pfeifer

Die Studie sei zwar nicht gross, relativiert Nina Rageth. Doch das Resultat sei eindeutig. «Das macht es einfacher, die Ergebnisse als relevant zu interpretieren.» Rageth ist Oberassistentin am Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich.

Nina Rageth, Religionswissenschafterin
Nina Rageth, Religionswissenschafterin

Sie leitet aktuell ein Seminar über spirituelle Praktiken und Diskurse in der Gegenwart. Dabei haben die Studierenden den Auftritt der Klimabewegung analysiert. Vor allem mediale Beiträge hatten sie im Fokus: Mitteilungen, Blogs, Webseiten und Reden. Auch Reden von Greta Thunberg. Zudem interviewten sie zwei Personen, die sich in der Bewegung engagieren.

Spiritualitätsdiskurse sind überall zu finden

Die Annahme war zu Beginn: Auch die aktuelle Klimabewegung argumentiert und handelt spirituell. «Spiritualitätsdiskurse findet man eigentlich in allen gesellschaftlichen Bereichen», sagt Nina Rageth. Insbesondere in der Medizin gebe es Referenzen auf spirituelle Diskurse und Praktiken. In der Spiritual Care sei dies bereits institutionell etabliert.

«Typisch ist der holistische Blick auf den Menschen.»

Spirituelle Diskurse haben Eigenheiten: «Typisch ist der holistische Blick auf den Menschen», sagt die Religionswissenschafterin. «Dazu gehört auch die Vorstellung von Energien.» Zudem zeige sich eine ausgeprägte Verbundenheit mit der Natur. «Die Natur wird als etwas Gutes, fast Heiliges gesehen.»

All dies fanden die Studierenden nicht bei der Klimabewegung. «Nichts deutet darauf hin, dass die Bewegung etwas aus dem Spiritualitätsdiskurs aufgenommen hätte», sagt Rageth.

Weder der Mensch als ganzheitliches Wesen noch eine besondere Naturverbundenheit komme vor. «Man redet nicht einmal von der Natur», sagt die Forscherin. Auch fand sich kein Hinweis auf spirituelle Praktiken – etwa energetisch-spürbare Gruppenerlebnisse.

Klimabewegte argumentieren naturwissenschaftlich und politisch

Dafür zeige sich die Klimabewegung als stark naturwissenschaftlich geprägt. Das macht Rageth an Begriffen wie Klima, Ressourcen oder CO2 fest. Ebenso an den wiederholten Veröffentlichungen von Zahlen zur Umweltverschmutzung.

Und die Bewegung argumentiere politisch links, sagt Rageth. Die Forderungen richteten sich gegen den Kapitalismus. Ein Systemwandel werde gefordert. «Klimaschutz wird mit gesellschaftlicher Gerechtigkeit verbunden: für die benachteiligten Weltregionen, und für die nachkommenden Generationen.»

Spirituelle Inputs von einzelnen möglich

Einen Vorbehalt zu ihren Erkenntnissen äussert die Religionswissenschafterin dann doch: Sie habe vor allem die Äusserungen der Kerngruppe der Klimabewegung erfasst. Nina Rageth geht davon aus, dass die breite Bewegung ideell sehr heterogen ist. Deshalb hält sie es für durchaus möglich, dass auf Demonstrationen einzelne Teilnehmende auch spirituelle Themen einbringen. 

Sie fordern Klimagerechtigkeit: «Strike for Future»-Aktion am 21. Mai in Bern. | © Keystone
21. Mai 2021 | 16:38
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