Valerio Lazzeri
Schweiz

«Wir müssen weiterhin die Gemeinschaft üben»

Lugano, 4.11.18 (kath.ch) Die überpfarreiliche Zusammenarbeit, das Bemühen um gute Seelsorge und die Stärkung der Gemeinschaft liegen dem Bischof von Lugano am Herzen. Valerio Lazzeri wurde am 4. November 2013 zum Bischof von Lugano ernannt und am 7. Dezember geweiht.

Seit fünf Jahren sind Sie Bischof. In Ihre Amtszeit fallen das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, die Synoden über die Familie und die Ehe und jetzt die Jugendsynode. Wie spüren Sie, dass Papst Franziskus die Katholiken führen will, auch inmitten der Entwicklungen und Turbulenzen der letzten Wochen?

Valerio Lazzeri: Meine Wahrnehmung ist, dass der Heilige Vater viel tut, um alle Schwierigkeiten in der Kirche zu beseitigen, die den Eindruck erwecken könnten, von der Freude am Evangelium ausgeschlossen zu sein. Die Komplexität, in die wir eingetaucht sind, zwingt uns ständig nach klareren und anspruchsvolleren Lösungen für die Probleme zu suchen, die in allen Bereichen des menschlichen Lebens auftauchen.

«Ganz vorne liegt meine Sorge für die menschlichen und geistlichen Qualitäten der Seelsorgenden.»

Indem wir auf allen Ebenen die Kunst des Urteilens im Heiligen Geiste ausbauen, stärken wir das Vertrauen für die einfache und aktive Begegnung mit dem lebendigen Gott, dies im Einklang mit unserer Geschichte mit all ihren Wunden und Widersprüchen.

Was sind aus pastoraler Sicht die wichtigsten Elemente, die Sie mit Ihren Mitarbeitern umsetzen?

Lazzeri: Was die wichtigsten Elemente sind, kann ich nicht sagen. Ich kann Ihnen aber jene nennen, die mir am meisten am Herzen liegen und die ich von Anfang an zu vertiefen versuche. Ganz vorne liegt meine Sorge für die menschlichen und geistlichen Qualitäten der Seelsorgenden, insbesondere der Priester. All dies geschieht im Hinblick auf ein Ziel, das wir ständig vor Augen haben müssen, auch wenn es schwierig und nicht einfach zu verfolgen ist: die überpfarreiliche Zusammenarbeit, pastorale Netzwerke. Ich weiss, dass der Weg gerade erst begonnen hat und vielleicht noch unklar erscheint. Wir bleiben aber dran.

«Alles, was aus einer gewissen Sichtweise geschieht, trägt zu unserer persönlichen Heiligung bei.»

Dann ist da noch die Begleitung junger Menschen bei der Entdeckung der Schönheit des christlichen Lebens und der Glaubenspraxis durch Exerzitien und Treffen jeweils am Samstag. Ein weiterer Aspekt, der sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, ist der Weg einer ansehnlichen Gruppe von Familien, die sich auf diözesaner Ebene treffen, um sich bei der Entdeckung ihrer besonderen Berufung zu formen und zu fördern. Ich habe auch versucht, einige Initiativen für Begegnungen zwischen den Bewegungen, Vereinen, Gruppen und der ganzen gelebten Vielfalt der Diözese zu fördern und zu unterstützen.

Wir müssen weiterhin die Gemeinschaft üben, alle Formen der Teilung überwinden, auch die Angst, uns anderen gegenüber zu öffnen, auch innerhalb unseres kirchlichen Umfelds!

Als Bischof haben Sie sicherlich glückliche und weniger glückliche Momente erlebt, wie etwa kürzlich die Schliessung der katholischen Zeitung «Giornale del Popolo». Welchen Platz haben die Freuden und Leiden des Amtes, die Herausforderungen und auch die Misserfolge im Gebet eines Bischofs?

Lazzeri: Alles, was aus einer gewissen Sichtweise geschieht, trägt zu unserer persönlichen Heiligung bei und zum Wachstum unserer Fähigkeit, das Evangelium zu verbreiten. Natürlich gibt es Dinge, die wir nicht wollen, weil sie unserer Meinung nach objektiv im Widerspruch zur Offenbarung des Reiches Gottes stehen. Wenn dies jedoch geschieht, muss alles getan werden, um eine weise Einstellung zu entwickeln, die in der Lage ist, das gesamte Leben zu erfassen, ohne dabei etwas auszuschliessen, wie negativ dies auch sein mag. Das Gebet ist in diesem Sinne wirklich die grosse Quelle, aus welcher der Bischof schöpfen kann, jeder Priesters, aber auch all jene, die Verantwortung gegenüber anderen, gegenüber der Familie, der Gemeinschaft, der Gesellschaft tragen.

Wir können nicht alles tun, was wir sollten. Aber wir können immer alles aufnehmen und allem in uns die Möglichkeit geben, sich zu reinigen, zu wachsen, sich im Licht Gottes zu erfüllen. Wir sind aufgerufen, unser Herz als einen Ort anzubieten, an dem die ganze Geschichte erneuert und ein neuer Anfang gemacht werden kann. Immer.

Sie planen einen Hirtenbrief. Wovon wird er handeln?

Lazzeri: Ich möchte den Kreislauf der natürlichen Elemente abschliessen. Nach dem Feuer, dem Wasser und der Luft bleibt also die Erde, diese Realität, die wir bewohnen, aus der wir gemacht sind und aus der wir das Notwendige zum Leben erhalten. Die Erde ist der Boden, auf den wir unsere Füsse setzen. Sie ist der Humus unseres menschlichen Seins. Sie ist der Kontakt mit dem Konkreten, das uns erlaubt, in Demut die Erfahrung der Unendlichkeit zu machen. Ich werde mich zudem mit, dem Syrer, aus dem fünften Kapitel im zweiten Buch der Könige befassen.

«Die finanzielle Situation unserer Pfarreien darf sicherlich nicht gering geredet werden.»

Im Tessin werden die finanziellen Probleme vieler Pfarreien seit langem diskutiert. Wird es eine Studie geben, die neue Formen der Finanzierung der Pfarreien vorschlagen wird? Gibt es Arbeitshypothesen und welche?

Lazzeri: Die finanzielle Situation unserer Pfarreien darf sicherlich nicht gering geredet werden. Es ist kein Geheimnis, dass sie aus verschiedenen Gründen mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Das Bistum bemüht sich, die verschiedenen Initiativen der Pfarreiräte zu unterstützen und zu begleiten. Es gibt aber noch keine Gesamtsicht. Es ist eine Tatsache, dass es immer schwieriger wird, kompetente Menschen zu finden, die bereit sind, administrative Aufgaben in den Pfarreien zu übernehmen.

Ich bin jedoch überzeugt, dass im Grunde vor allem das Gefühl der Zugehörigkeit der Katholiken zu einer Gemeinschaft zu fördern ist, deren gutes Befinden ganz klar von der Vitalität und dem grosszügigen Engagement jedes einzelnen Mitglieds abhängt. (catt.ch/Übersetzung: Georges Scherrer)

 

Valerio Lazzeri | © Barbara Ludwig
4. November 2018 | 16:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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