Schaukasten der Kirche Herz Jesu Oerlikon ZH. Obwohl es eine Pfarrkirche ist, finden hier Alte Messen statt.
Story der Woche

Wie ein Priester der Petrusbruderschaft mir die Handkommunion verweigerte

Bei Gottesdiensten unter 50 Menschen müssen künftig keine Kontaktdaten erhoben werden. Davon profitieren auch die Petrusbrüder, die in Zürich-Oerlikon schon bislang darauf verzichtet haben. Über zwei Besuche der Alten Messe.

Jacqueline Straub

Montagabend, 13. September 2021, 18.40 Uhr. Ich betrete zum ersten Mal die Herz Jesu Kirche in Zürich-Oerlikon. In den Kirchenbänken sitzen 25 Menschen und beten bereits den Rosenkranz. Menschen mit grauem Haar, aber auch einige Gläubige zwischen 30 und 40 Jahren.

Rosenkranz auf Deutsch

Die Menschen knien auf den Bänken und beten den Rosenkranz. Ich bete den Rosenkranz mit. Denn er ist auf Deutsch.

Herz Jesu Oerlikon ZH
Herz Jesu Oerlikon ZH

Zehn Minuten später ist das Rosenkranzgebet fertig. Das Licht geht an. Eine ältere Dame mit einem Klemmbrett huscht durch die Reihen und fordert die Anwesenden auf, sich einzutragen. Die Anwesenden tragen nur ihre Vor- und Nachnamen ein. Keine Telefonnummer oder Adresse, um die Gottesdienstbesuchenden bei einer möglichen Corona-Infektion zu informieren.

Kein Verweis auf «Traditionis custodes»

Von «Traditionis custodes» bekomme ich nichts mit. Papst Franziskus hat im Juli ein Papier verabschiedet. Anhänger der Alten Messe sollen ins normale kirchliche Leben integriert werden, aus den Pfarrkirchen soll die Alte Messe ganz verschwinden. Die Herz Jesu Kirche in Zürich-Oerlikon ist so eine Pfarrkirche.

Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018.
Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018.

Es ist 19 Uhr. Ein Priester im barocken Messgewand und ein junger Mann im Chorgewand kommen aus der Sakristei und stellen sich vor den Altar. Der Ministrant hat seine Hände auf Brusthöhe gefaltet, sein Kopf ist geneigt. Der Priester beginnt mit dem Rücken zur Gemeinde auf Latein zu beten. Der Ministrant gibt Antwort. Ich verstehe nichts. In der Schule hatte ich zwar Latein. Selbst wenn ich es noch gut könnte, würde ich nichts verstehen, denn sie flüstern.

Lesung auf Deutsch

Währenddessen kniet die Gemeinde. Ab und zu bekreuzigen sich alle mit einer ausgedehnten Bewegung, vor allem die rechte Schulter wird mit einem grossen Bogen von der Seite berührt.

Für die Lesung dreht sich der Priester zur Gemeinde. Sie wird auf Deutsch vorgetragen. Direkt danach dreht sich der Priester wieder mit dem Rücken zur Gemeinde und wechselt ins Lateinische. Er verbeugt sich vor dem Altar und alle in der Kirche stehen auf. Die Gemeinde antwortet auf Latein. 

Agnus Dei auf Deutsch

Auf das Evangelium auf Deutsch folgt das Hochgebet auf Latein. Ich weiss nicht, was gerade im Detail passiert. Es folgen Handbewegungen des Priesters, Hände hoch und runter und wieder Geflüster. Dann Geläut. Der Priester faltet seine Hände, der Ministrant kniet neben ihm. Wieder Geflüster. Der Ministrant hält das Messgewand des Priesters etwas nach oben. Geflüster. Noch immer knien alle. Auch ich. Der Priester kniet sich ebenfalls hin, dann wird wieder geläutet. Er hält die Hostie in die Höhe, der Ministrant läutet dreimal mit den Altarglocken. Ich bekreuzige und verneige mich mit Blick auf den Leib Christi.

Später kann ich das Agnus Dei mitbeten, denn das ist wieder auf Deutsch.

Sind meine Hände unrein?

Dann geht es zur Kommunion. Jeweils fünf bis sechs Personen knien in der ersten Reihe. Die Gläubigen ziehen ihre Maske unter das Kinn, der Ministrant schiebt eine Goldplatte darunter und der Priester gibt ihnen die Mundkommunion.

Mundkommunion (Archivbild)
Mundkommunion (Archivbild)

Mit Sicherheitsabstand stehe ich im Mittelgang. Vor mir knien die Gläubigen alle paar Sekunden. Ich bereite mich im Gebet auf die Kommunion vor. Nun knie ich in der ersten Reihe. Ich möchte die Handkommunion erhalten.

Die Vorstellung, dass meine Hände unrein seien und deswegen das Allerheiligste nicht berühren sollten, lässt mich ratlos zurück. Es suggeriert, dass die Hände, die die Hostie berühren dürfen, heiliger sind als meine. Doch für mich ist der Priester nicht heiliger als die Gemeinde. Nach den unzähligen Missbrauchsskandalen fällt mir es mir noch schwerer, an so eine Vorstellung zu glauben. 

«Man kann nur Mundkommunion machen»

Mein Knie-Nachbar zieht sich die Maske herunter. Mit gefalteten Händen warte ich, bis der Priester zu mir kommt. Als er vor mir steht, forme ich meine Hände zu einer kleinen Schale. Ich lasse meine Maske oben. Der Ministrant schiebt über meine Hände seine Goldplatte. 

Der Priester bleibt regungslos vor mir stehen. Es vergehen ein paar Sekunden. Dann beugt er sich zu mir vor und flüstert: «Man kann nur Mundkommunion machen.» Ich gebe nach und ziehe meine Maske herunter.

Ich bin froh, dass am Ende des Gottesdienstes das «Ave Maria» auf Deutsch gebetet wird. Ich kann wieder mitbeten.

Montagabend, 3. Januar 2022 

Ich gebe der Alten Messe eine zweite Chance und besuche die Herz Jesu Kirche in Zürich-Oerlikon ein zweites Mal. Zusammen mit rund 30 weiteren Menschen sitze ich in der Kirche. 

Kardinal Walter Brandmüller (Mitte) zelebriert in Rom mit dem Rücken zur Gemeinde eine Messe nach dem alten Ritus, Mai 2011.
Kardinal Walter Brandmüller (Mitte) zelebriert in Rom mit dem Rücken zur Gemeinde eine Messe nach dem alten Ritus, Mai 2011.

Wieder ist die Anwesenheitsliste mangelhaft ausgefüllt. Weder wird daraufhin hingewiesen, sich einzutragen, noch tragen sich alle Teilnehmenden ein. Bis zum Ende des Gottesdienstes stehen 18 Menschen auf der Liste, obwohl mehr Menschen anwesend sind.

Das Evangelium ist überraschend kurz

Der Einstieg in die Messe fällt mir dieses Mal leichter, denn die vier Strophen «Komm lasset uns anbeten» kann ich mit voller Inbrunst mitsingen. Danach wird gekniet und auf Latein gebetet. Ich versuche ins persönliche Gebet zu kommen. Das «Gloria» betet die ganze Gemeinde auf Latein mit. Ich nicht, denn ich kenne den lateinischen Text nicht auswendig. 

Alte Messbücher
Alte Messbücher

Als die Lesung und das Evangelium wieder auf Deutsch vorgetragen werden, kann ich kurz aufatmen und die heiligen Worte in mir wirken lassen. Zur Lesung dreht sich der Priester zur Gemeinde. Das ist das erste Mal, dass ich sein Gesicht sehe. Er dreht sich direkt danach direkt wieder um. Das Evangelium ist überraschend kurz. 

«Agnus Dei» wird dreimal wiederholt

Es folgen wieder lange Minuten, in denen der Priester mit dem Rücken zum Volk steht, vor dem Altar kniet und lateinisch betet. Die Gemeinde kniet. Das Geflüster des Priesters ist nicht verständlich und wird zeitweise durch ein schreiendes Kind übertönt.

Das Vaterunser betet der Priester alleine auf Latein. Beim «Agnus Dei» kann ich wieder auf Deutsch mitbeten, es wird sogar dreimal wiederholt.

Wieder gibt es keine Handkommunion. Am Schluss des Gottesdienstes singt die Gemeinde ein Weihnachtslied.

Martin Ramm will keine Auskunft geben

Ich habe viele Fragen zur Alten Messe. Vor allem auch, wie es weitergeht. Das Büchlein der Petrusbrüder, das im Gottesdienst überall ausliegt, ist 2021 erschienen – offenbar bevor Papst Franziskus sein Machtwort gesprochen hat. Im Vorwort würdigt der Petrusbruder Martin Ramm Papst Benedikt XVI., der die Zulassungsbedingungen zur Alten Messe gelockert hatte. Papst Franziskus oder das Zweite Vatikanische Konzil werden im Vorwort nicht erwähnt.

Pater Martin Ramm, Mitglied der Petrusbruderschaft
Pater Martin Ramm, Mitglied der Petrusbruderschaft

Mit meinen Fragen zur Alten Messe wende ich mich an den Priester vom Montagabend, 3. Januar. Ich schreibe Pater Martin Ramm per E-Mail an. Zu einem Gespräch ist er nicht bereit. Der Priester, der mir die Mundkommunion gegeben hat, verweist auf grippeähnliche Symptome. Ich warte ab, wünsche ihm gute Besserung – doch auch später ist er zu keinem Gespräch bereit.

Keine Kontaktdaten mehr erforderlich

Ein Problem hat sich für die Petrusbrüder inzwischen gelöst: Der Bundesrat hat die Regeln bei Gottesdiensten ohne Zertifikatspflicht gelockert. Von Dienstag an müssen keine Kontaktdaten mehr erhoben werden. Die Fragen zur Zukunft der Alten Messe in Zeiten von «Traditionis custodes» bleiben.


Schaukasten der Kirche Herz Jesu Oerlikon ZH. Obwohl es eine Pfarrkirche ist, finden hier Alte Messen statt. | © Raphael Rauch
21. Januar 2022 | 08:39
Lesezeit: ca. 5 Min.
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