Lorenz Schmid und Raphael Meyer
Schweiz

Wer folgt auf Franziska Driessen-Reding?

Franziska Driessen-Reding wird im Sommer das Zürcher Synodalratspräsidium abgeben. Lorenz Schmid und Raphael Meyer stehen in den Startlöchern: Schmid ist für die Segnung von queeren Paaren und bezeichnet die Frauenfrage als «zentrale Herausforderung». Meyer möchte mehr junge Menschen in der Seelsorge. Beim Thema Gleichberechtigung und Inklusion «muss ich die Grenzen akzeptieren, welche mir das kirchliche Recht setzt», so Meyer.

Jacqueline Straub

Lorenz Schmid (58) ist Vater zweier erwachsener Söhne und erfolgreicher Apotheker in Zürich. Im Frühjahr 2022 hat er seine politische Kariere bei «Die Mitte» nach 16 Jahren im Zürcher Kantonsrat beendet. «Mein Engagement galt bis anhin dem Gesundheitswesen, dem Sozialen. Ich möchte nun was Anderes wagen.»

Raphael Meyer (41) ist Jurist und ebenfalls Mitte-Politiker. Er ist seit acht Jahren im Synodalrat, derzeit in der Funktion des Ressortleiters Personal. Auf die Frage, warum er das Amt des Synodalratspräsident der römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich anstrebt, sagt er: «Es ist wichtig, dass eine Person das Präsidium übernimmt, welche die Körperschaft sowie die Chancen und Grenzen des dualen Systems gut kennt und ein vertrauensvolles Verhältnis zur Bistumsleitung pflegt, damit wir diese Herausforderungen gemeinsam angehen können.»

Bischof Joseph Bonnemain.
Bischof Joseph Bonnemain.

Auch Lorenz Schmid möchte die Herausforderungen «anpacken und gestalten». Er ist überzeugt, dass er mit seinen Erfahrungen in Führung von Organisationen, seiner langjährigen Vernetzung in der Zürcher Politik und Gesellschaft die Kirche unterstützten kann, um in diesen herausfordernden Zeiten einen guten Weg in die Zukunft zu finden.

Schwerpunkte der Amtszeit

«Im Zentrum muss die Kommunikation gegen innen und aussen stehen», sagt Raphael Meyer. In der Kommunikation mit dem Bistum gebe es Punkte, «welche verbessert, beziehungsweise klarer definiert werden müssen». Ebenso möchte er das 2018 eingeführte Kirchgemeindereglement, das die Stärkung der Autonomie der Kirchgemeinden vorsieht, analysieren. Zudem möchte er die Sichtbarkeit der Kirchen in der Öffentlichkeit verbessern, denn die Gesellschaft sehe die Angebote der Kirchen «nicht oder zu wenig».

Synode der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich im reformierten Kirchgemeindehaus Winterthur, 15. April 2021
Synode der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich im reformierten Kirchgemeindehaus Winterthur, 15. April 2021

Die Körperschaft müsse im Ringen um einen «Weg der Erneuerung» eine aktive Rolle spielen, so Lorenz Schmid. «Selbstverständlich in Zusammenwirken mit dem Bischof, den Seelsorgenden, jedoch auch mit der reformierten Landeskirche.» Die Kirche durchlebe derzeit einen «fundamentalen Traditionsabbruch» mit gleichzeitigem Bedürfnis nach Ritualen.

Die Körperschaft könnte dazu beitragen, die Seelsorgenden in den Pfarreien und anderen kirchlichen Orten dabei zu unterstützen, zeitgemässe Formen der Glaubensvermittlung zu finden, so Schmid. Er ist überzeugt, dass es «gemeinsam gelingen wird, die Kirche mit ihrer Jahrtausende alten Kompetenz in der Gestaltung von lebensprägenden Ereignissen neu zu positionieren.»

Herzenssache

Die Kirche habe ein «existenzbedrohendes Nachwuchsproblem», so Lorenz Schmid. «Dieses gilt es direkt anzugehen.» Das einmalige System der Kantonal- und Landeskirchen biete Möglichkeiten, die es zu mobilisieren gelte. «Die vielen engagierten Synodalen sind aufgefordert, Botschafter für eine lebendige Kirche zu sein», sagt Lorenz Schmid.

Raphael Meyer ist es ein Herzensanliegen, junge Menschen für ein Theologiestudium oder die Arbeit in der Seelsorge zu gewinnen. Ebenso möchte Meyer die Kirchgemeinden unterstützen, «die Arbeit in einer kirchlichen Behörde attraktiver» zu gestalten.

Frauen und LGBTQ

Die Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding macht sich stark für Themen wie Gleichberechtigung der Frauen und LGBTQ. Auch Raphael Meyer steht hinter den Anliegen und Zielen des synodalen Prozesses der drei Deutschschweizer Bistümer. «Ich bin mir aber der Grenzen bewusst, welchen das kirchliche Recht mir als möglichem Präsidenten des Synodalrats setzt», sagt er.

Franziska Driessen-Reding ist ehemalige Zürcher Synodalratspräsidentin.
Franziska Driessen-Reding ist ehemalige Zürcher Synodalratspräsidentin.

Für Lorenz Schmid ist eine Glaubensgemeinschaft, die aus religiösen Gründen Menschen diskriminiert, «schlicht nicht mehr glaubwürdig». Es widerspreche seiner Auffassung von Christsein. In der Frauenfrage sieht er die «zentrale Herausforderung».

In Bezug auf queere Menschen schleppe die Kirche seit Jahrhunderten eine «alte Schuldgeschichte» mit sich herum, so Schmid. Dieser solle man sich stellen. Gleichgeschlechtlichen Paaren dürfe der Segen nicht verweigert werden. Dennoch ist ihm bewusst: «Da wir Teil einer Weltkirche sind, braucht es für regionale Lösungen auch die Verbundenheit mit der ganzen Gemeinschaft.»

Ziel in der Amtszeit

Sollte Raphael Meyer Synodalratspräsident werden, sollen die Vorgaben des Kantonsrats zur Beitragsperiode 2020 bis 2025 erfüllt werden. Dem Kanton soll dabei aufgezeigt werden, dass die katholische Körperschaft umfangreiche Leistungen für die Gesamtgesellschaft erbringt – und dass die gewährten Kostenbeiträge gerechtfertigt sind. Um das zu erreichen, bedürfe es eines «grossen Efforts im Bereich Kommunikation».

Sollte Lorenz Schmid Synodalratspräsident werden, möchte er am Ende seiner Amtszeit sagen können: Die Synode habe einen Weg zur Einbindung der neuen Religionsgemeinschaften gefunden, der die Glaubwürdigkeit des staatskirchenrechtlichen Systems insgesamt stärkt. Ebenso möchte er die «unseligen Streitereien» mit dem Bischof von Chur überwunden wissen. «Das wäre die Krönung», so Schmid.

Raphael Meyer hätte vier Jahre Zeit seine Ziele zu erreichen, dann muss er sein Amt aufgrund der Amtszeitbeschränkung abgeben. Lorenz Schmid hingeben könnte als Neuling wiedergewählt werden – und kann bis zu zwölf Jahren im Amt bleiben und seine Schwerpunkte umsetzen.

Anerkennung von Religionsgemeinschaften

Der Kanton Zürich solle auch nichtchristliche Religionsgemeinschaften öffentlich anerkennen, sagt Raphael Meyer. «Religionsgemeinschaften, welche Leistungen zu Gunsten der ganzen Gesellschaft erbringen und die Grundwerte unserer liberalen Demokratie anerkennen, soll der Weg zu einer öffentlichen Anerkennung offenstehen.» Dazu gehöre Transparenz in der Finanzierung, demokratische Kontrolle der Leitungsorgane und Gleichberechtigung aller Mitglieder.

Religionsgemeinschaften
Religionsgemeinschaften

Lorenz Schmid sieht es ähnlich: Gemeinschaften, die den Anforderungen nach finanzieller Transparenz, demokratischer Strukturen und organisatorischer Verbindlichkeit gerecht werden, sollen Anteil haben dürfen am heutigen System der gesellschaftlichen Anerkennung. Er fügt hinzu, dass die multi-religiöse Gesellschaft eine Herausforderung darstelle. «Wollen Glaubensgemeinschaften weiterhin eine Rolle im Verhältnis zum Staat spielen, so müssen sie sich einen, sie müssen dieses Verhältnis gemeinsam neu gestalten», sagt Lorenz Schmid. Eine Aufgabe, die viel politisches Fingerspitzengefühl und Ausdauer über einen längeren Zeitraum verlange.

Probleme und Lösungen

Raphael Meyer sieht einen «Traditionsverlust», der den Bedeutungsverlust in der Gesellschaft beschleunige. Das hänge mit der Missbrauchsproblematik zusammen, so Meyer. Aber auch mit der Tatsache, dass sich viele Kirchenmitglieder ausgeschlossen fühlen – insbesondere Frauen und queere Menschen. Als Lösung für diese Probleme schlägt Meyer eine «kompromisslose und glaubwürdige Präventionsarbeit» vor. «Bei den Fragen der Inklusion und der Gleichberechtigung muss ich als Synodalratspräsident die Grenzen akzeptieren, welche mir das kirchliche Recht setzt», sagt Meyer.

Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.
Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.

Die Herausforderungen der Zürcher Landeskirche sind für Lorenz Schmid dieselben wie jene der Gesellschaft. Es gehe darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, für Generationengerechtigkeit einzustehen, das weitere Auseinanderklaffen von Arm und Reich zu verhindern und drängende Fragen rund ums Gesundheitssystem und um die Alterung der Bevölkerung anzugehen.

Die Kirche könne mit ihrer christlichen Soziallehre einen wertvollen Beitrag leisten. «Selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den anderen Religionsgemeinschaften», so Schmid. Die Herausforderungen möchte Schmid im Synodalrat, dem Generalvikar, dem Bischof und vielen in der Kirche engagierten Menschen gemeinsam auf dem «synodalen Weg» erarbeiten.


Lorenz Schmid und Raphael Meyer | © zhkath/kath.ch
23. Mai 2023 | 17:15
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