Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Story der Woche

Was Monika Schmid und Felix Hunger blüht – so läuft eine kanonische Voruntersuchung ab

Seit über einem Monat leitet Offizial Artur Czastkiewicz eine Voruntersuchung. Er prüft, ob Monika Schmid «liturgischen Missbrauch» begangen hat. Das Kirchenrecht regelt wenig und lässt Bischof Joseph Bonnemain und seinem Offizial viele Freiheiten. Sicher ist aber: Der Bischof musste handeln.

Felix Neumann

Nach dem Skandal um die Abschiedsmesse der Gemeindeleiterin Monika Schmid in Illnau-Effretikon lässt sich das Bistum Chur Zeit mit der Untersuchung. Schon seit Anfang September läuft die kanonische Voruntersuchung, die Bischof Joseph Bonnemain angestossen hat. «In einer solchen Situation ist es wichtig, eine angemessene Vorgehensweise sorgfältig abzuwägen», hiess es in einer Mitteilung des Bistums.

Vorwurf: «Liturgischer Missbrauch»

In der Sache geht es um die Frage, ob Monika Schmid sich kirchenrechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen, indem sie das Hochgebet zur Wandlung in abgewandelter Form allein gesprochen und den Gottesdienst mit zwei Priestern, einem Diakon und einer weiteren Frau gemeinsam am Altar gefeiert hat.

«Die Komplexität des stattgefundenen liturgischen Missbrauchs erfordert die Eröffnung einer kanonischen Voruntersuchung», erläuterte Bonnemain sein Vorgehen. Das sieht auch der emeritierte Würzburger Kirchenrechtler Heribert Hallermann so. Er ist Experte für das kirchliche Strafrecht und hat die erste Kommentierung des jüngst reformierten Buchs VI des Codex Iuris Canonici (CIC) mit herausgegeben. Das Buch VI regelt die Strafbestimmungen.

Das kirchliche Recht hält sich sehr bedeckt

Der Video-Ausschnitt des Gottesdienstes vermittle dem Bischof «nicht mehr und nicht weniger» als die vom Kirchenrecht als Bedingung vorgesehene «wahrscheinliche Kenntnis» davon, dass eine Straftat im kirchlichen Sinn begangen wurde. «Das Video gibt keine Auskunft über die näheren Umstände der vorgeworfenen Straftat oder über deren strafrechtliche Zurechenbarkeit. Dies zu ermitteln ist Aufgabe der Voruntersuchung und des Voruntersuchungsführers», erläutert Hallermann.

Artur Czastkiewicz ist Offizial des Bistums Chur.
Artur Czastkiewicz ist Offizial des Bistums Chur.

Die kanonische Voruntersuchung ist noch nicht das Strafverfahren selbst. Sie ist vergleichbar mit dem Vorverfahren aus dem staatlichen Strafrecht, in dem Polizei und Staatsanwaltschaft erste Beweise erheben und die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob sie das Verfahren einstellt oder Anklage erhebt. Während aber die Strafprozessordnung das anzuwendende Verfahren und die Rechte von Beschuldigten umfassend erläutert, hält sich das kirchliche Recht sehr bedeckt.

Auf den guten Ruf der beschuldigten Person achten

Nur drei Paragraphen, im kirchenrechtlichen Sprachgebrauch «Canones», regeln die kanonische Voruntersuchung und wie der Ordinarius – also der Diözesanbischof oder der Generalvikar – vorgehen müssen: Er selbst oder eine von ihm beauftragte geeignete Person muss «vorsichtig Erkundigungen über den Tatbestand, die näheren Umstände und die strafrechtliche Zurechenbarkeit einziehen, ausser dies erscheint als gänzlich überflüssig» (c. 1717 CIC). 

Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.
Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.

Ansonsten wird zum Verfahren nur geregelt, dass dabei auf den guten Ruf der beschuldigten Person zu achten ist und dass die Person, die die Voruntersuchung führt, dieselben Rechte hat wie der Vernehmungsrichter im Prozess. Nach Abschluss der Voruntersuchung muss der Ordinarius dann entscheiden, ob er ein Verfahren einleitet (c. 1718 CIC), anschliessend müssen alle Akten im bischöflichen Geheimarchiv verschlossen werden, wenn sie nicht für den eventuell anschliessenden Strafprozess benötigt werden (c. 1719 CIC).

Die beschuldigte Person muss nicht angehört werden

Im Vergleich zur staatlichen Strafprozessordnung fällt auf, dass es mit Ausnahme des Schutzes des guten Rufs keine Beschuldigtenrechte gibt. Es besteht nicht einmal die Pflicht, den Beschuldigten auch nur über die Eröffnung und Beendigung des Verfahrens zu informieren oder ihn anzuhören.

Geht nach 37 Jahren in Pension: Monika Schmid.
Geht nach 37 Jahren in Pension: Monika Schmid.

«Sehr problematisch ist, dass bei der Voruntersuchung das Verteidigungsrecht des Beschuldigten nicht rechtlich verankert ist und dass insofern auch nicht die Möglichkeit vorgesehen ist, dass dieser einen Anwalt beizieht. Auch eine Akteneinsicht des Beschuldigten oder seines Anwalts ist nicht positiv normiert», kritisiert Hallermann. 

Papst Franziskus pro Verteidigungsrecht

Bei der Strafrechtsreform wurde erstmals die Unschuldsvermutung im Kirchenrecht festgeschrieben. Das müsste nach Ansicht des Kirchenrechtlers auch Auswirkungen zugunsten des Rechts auf Verteidigung haben: «Immerhin hat Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution ‘Pascite Gregem Dei’ das Verteidigungsrecht als einen grundlegenden Aspekt des Strafrechts bezeichnet.»

Der Kapuziner Josef Regli eröffnet den Gottesdienst in Effretikon.
Der Kapuziner Josef Regli eröffnet den Gottesdienst in Effretikon.

Der Straftatbestand, der bei Monika Schmid im Raum steht, ist in c. 1379 § 1 Nr. 1 CIC geregelt: der Versuch, ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern. «Die äussere Verletzung des Gesetzes scheint durch das erwähnte Video festzustehen», erklärt Hallermann. Die Videoaufzeichnung reiche aber zunächst nur dafür aus, um die vom Kirchenrecht geforderte «wahrscheinliche Kenntnis» einer Straftat zu begründen, die eine Voruntersuchung notwendig macht. 

Monika Schmid sollte befragt werden

«Das Video gibt keine Auskunft über die näheren Umstände der vorgeworfenen Straftat oder über deren strafrechtliche Zurechenbarkeit. Dies zu ermitteln ist Aufgabe der Voruntersuchung und des Voruntersuchungsführers», erläutert Hallermann weiter. Er muss beispielsweise prüfen, ob die Tat fahrlässig oder vorsätzlich begangen worden ist. Obwohl das Kirchenrecht keine Anhörung von Beschuldigten vorsieht, geht der Professor davon aus, dass diese Frage nur durch eine Befragung der Beschuldigten geklärt werden kann.

Simone Curau-Aepli vom Frauenbund (links) und Monika Schmid.
Simone Curau-Aepli vom Frauenbund (links) und Monika Schmid.

Aus Sicht des Kirchenrechtlers kann ein Bischof nicht anders, als eine Voruntersuchung anzuordnen und auf ihre sorgfältige Umsetzung zu achten. Erst recht in einem solchen Fall: Normalerweise ist der Diözesanbischof selbst der zuständige Richter für kanonische Straftaten. Es gibt aber auch Straftaten, die von der kirchlichen Rechtsordnung als besonders schwerwiegend eingestuft werden – dazu gehören neben sexualisierter Gewalt auch Straftaten gegen die Sakramente. 

Die Dauer des Verfahrens ist unklar

Hier ist geregelt, dass das Glaubensdikasterium in Rom für das Verfahren zuständig ist. Das habe allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Voruntersuchung, räumt Hallermann ein: «Allenfalls dürfte dem Voruntersuchungsführer bewusst sein, dass seine Arbeit entsprechend kritisch gewürdigt wird.»

Auch die Theologin Marion Grabenweger ist Gegenstand der kanonischen Voruntersuchung.
Auch die Theologin Marion Grabenweger ist Gegenstand der kanonischen Voruntersuchung.

Über die Dauer der Voruntersuchung lässt sich nur spekulieren. Für kirchliche Gerichtsverfahren legt das Kirchenrecht fest, dass Richter und Gerichte dafür Sorge tragen müssen, dass sie «möglichst bald zu Ende geführt werden». Für die Voruntersuchung ist dergleichen nicht geregelt.

Bonnemain muss von Amtes wegen ermitteln

Weil sich bei Fällen «liturgischen Missbrauchs» die Glaubenskongregation miteinschaltet, hatte Bischof Joseph Bonnemain keine Wahl: Er musste eine kanonische Voruntersuchung einleiten. Gewissermassen von Amtes wegen.

Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer ist Präfekt der Glaubenskongregation.
Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer ist Präfekt der Glaubenskongregation.

Eine Besonderheit des kirchlichen Strafrechts ist, dass Strafen sowohl – wie im weltlichen Bereich – nach einem Gerichtsverfahren verhängt werden können, aber auch ohne Verfahren auf dem Verwaltungsweg durch ein Dekret festgestellt werden können. 

Unschuld oder Schuld?

Hallermann hofft auf ein Gerichtsverfahren nach Abschluss der Voruntersuchung: «Erst in einem solchen Strafverfahren kommt es zu einer Würdigung der zusammengetragenen Beweise; ein Anwalt der Beschuldigten kann ebenso tätig werden wie der Kirchenanwalt als Vertreter der Anklage tätig wird.»

Eine Bohnenstange als Hirtenstab: Monika Schmid bei ihrem Abschiedsgottesdienst.
Eine Bohnenstange als Hirtenstab: Monika Schmid bei ihrem Abschiedsgottesdienst.

Erst ein Strafverfahren könne endgültige Klarheit in so einer Sache schaffen – im Sinne der Unschuld oder der Schuld, ergänzt Hallermann: «Insofern sollten alle Seiten ein Interesse daran haben, dass ein solches Verfahren durchgeführt werden kann.»

Auch den Konzelebranten droht eine Strafe

Im Zentrum der kanonischen Untersuchung steht Monika Schmid. Was ist aber mit dem Kapuziner-Pater Josef Regli, der der Eucharistiefeier vorstand und Monika Schmid zur Konzelebration einlud? Was ist mit dem Priester Felix Hunger, der ebenfalls konzelebrierte und Monika Schmid gewähren liess? Was ist mit dem Diakon Stefan Arnold oder der Theologin Marion Grabenweger, die ebenfalls am Altar standen? 

Monika Schmids Abschiedsgottesdienst in Effretikon.
Monika Schmids Abschiedsgottesdienst in Effretikon.

Canon 1329 des CIC legt fest: Auch den Konzelebranten droht eine Strafe. Wer an einer Straftat mitwirkt, wird bestraft, wobei das gleiche oder ein geringeres Strafmass möglich ist.


Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes. | © Seraina Boner
14. Oktober 2022 | 05:20
Lesezeit: ca. 5 Min.
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