Auch Walliser Opfer von Joël Allaz erzählt von Übergriffen

Sitten VS, 2.3.17 (kath.ch) Der pädophile Kapuziner Joël Allaz hat auch im Wallis sexuelle Übergriffe begangen. Nun spricht ein Opfer gegenüber der Zeitung «Le Nouvelliste» (1. März) von dem, was ihm der Kapuziner angetan hat. Das Opfer Jean-Marie Fürbringer (53) wirft dem aktuellen Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, in einem weiteren Beitrag der Zeitung (2. März) zudem einen «Mangel an Mut» vor im Kampf gegen sexuellen Missbrauch.

Dem Bericht vom 1. März zufolge wohnte Allaz in den 1970er Jahren während drei Jahren im Kapuzinerkloster von Saint-Maurice VS. Jean-Marie Fürbringer war ungefähr zehn Jahre alt, als sich der Kapuziner an ihn heranmachte. Er wohnte mit seinen Eltern in Lavey, einer Ortschaft neben Saint-Maurice. Der Knabe hatte in der Schule Mühe mit der Rechtschreibung. Laut der Zeitung bot Allaz den Eltern von Jean-Marie an, ihrem Sohn Nachhilfestunden zu geben. Im Rahmen dieser Nachhilfestunden kam es zu den mehreren Übergriffen, die Fürbringer gegenüber der Zeitung beschreibt.

Anklage wegen Verjährung wirkungslos

Der Walliser erzählte lange Zeit niemandem von den Übergriffen. Dies änderte sich erst, als Fürbringer 1994 mit anderen Missbrauchsopfern ins Gespräch kam. In der Folge erhob er laut der Zeitung 1995 Anklage beim Untersuchungsrichter von Saint-Maurice. Weil die Übergriffe verjährt waren, konnte der Richter nicht darauf eingehen.

Die Schweizer Bischofskonferenz erwähnte in ihrem Communiqué vom 13. Februar, anlässlich der Veröffentlichung des Buches von Daniel Pittet, dass 1995 in Saint-Maurice Anklage gegen Allaz erhoben worden sei, auf die wegen Verjährung nicht eingegangen wurde. Ob es sich hierbei um die Anklage von Fürbringer handelt, war auf Anfrage bei der SBK nicht in Erfahrung zu bringen.

In einem weiteren Bericht der Zeitung vom 2. März wirft das Opfer Jean-Marie Lovey, dem gegenwärtigen Bischof von Sitten, einen «Mangel an Mut» im Kampf gegen sexuellen Missbrauch vor. Dabei vergleicht er ihn mit Charles Morerod, Bischof von Lausanne-Genf-Freiburg. Dieser investiere viel in die Suche und das Anprangern von Priestern, die Übergriffe begangen haben. «Bei Monseigneur Lovey ist das weniger der Fall», so Fürbringer.

Sittener Bischof kritisiert Vertuschungen

Auf den Vorwurf des fehlenden Mutes will Lovey im anschliessenden Interview mit «Le Nouvelliste» nicht eingehen. «Ich möchte darauf nicht antworten, denn ich möchte mich nicht rechtfertigen», sagt dazu der Bischof. Lovey betont, dass das Thema «Missbrauch» in seiner Diözese nicht tabuisiert werde. «Wir versuchen nicht, die Fälle von Missbrauch zu vertuschen. Es gab schon zu viele Situationen, in denen Missbrauchsfälle vertuscht wurden», so der Bischof. Fürbringer hatte gefordert, dass das Thema «Missbrauch» auf der Webseite des Bistums prominenter platziert wird.

Tatsächlich sind die Informationen zum sexuellen Missbrauch auf der neu gestalteten Bistumswebsite, die keine Suchfunktion aufweist, nicht leicht zu finden. Sie sind in der Navigation bisher nur auf französisch unter «Actualitiés et publications» (Aktualitäten und Publikationen) aufgeführt. Aufgelistet werden die Mitglieder des diözesanen Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld», ebenso führt ein Link zur unabhängigen Opferhilfegruppe «Groupe Sapec».

Gegenüber der Zeitung erklärte Lovey, wie er vorgeht, wenn er von einem aktuellen Missbrauchsfall erfährt. «Wir ermuntern das Opfer, den Täter anzuzeigen. Wenn das Opfer dies nicht kann oder nicht will, fordern wir den Täter auf, sich selber anzuzeigen. Wenn dieser das nicht will und eine reale Gefahr der Wiederholung besteht, muss ihn der Bischof anzeigen.»

Lovey weiss von fünf übergriffigen Priestern

Seit seinem Amtsantritt Ende September 2014 hat Lovey Kenntnis von fünf Priestern, die Kinder sexuell missbraucht hatten, wie er gegenüber der Zeitung sagt. Alle seien inzwischen verstorben. Acht Opfer hätten mit ihm Kontakt aufgenommen, einige weitere mit Mitgliedern der Begleitkommission. Insgesamt begleite sein Bistum rund zwölf Missbrauchsopfer. (bal/sys)

Gedenken an Opfer sexueller Übergriffe: Jean-Marie Lovey und Felix Gmür entzünden eine Kerze für die Opfer | © Sylvia Stam
3. März 2017 | 13:01
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