Theologe gegen Pflichtzölibat: Charisma kann man nicht verordnen

Salzburg, 21.7.2015 (kath.ch) Für die Aufhebung des Pflichtzölibats bei Priestern und für weitere Änderungen bei oft diskutierten «heissen Eisen» wie dem Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und Kirchenämter für Frauen hat sich der Salzburger Theologieprofessor Dietmar Winkler ausgesprochen. Zu Diakoninnen geweihte Frauen könnten gemeinsam mit verheirateten Priestern «eine neue Dynamik in die katholische Kirche bringen», meinte der renommierte Ostkirchenexperte am Dienstag in einem Interview mit den «Salzburger Nachrichten».

Bei der Koppelung von Priesteramt und Ehelosigkeit gehe es um eine rein kirchenrechtliche und somit leicht änderbare Frage, hielt der Vatikanberater und designierte Dekan der Salzburger katholisch-theologischen Fakultät fest. Den Pflichtzölibat «könnte man schon morgen ohne Probleme abschaffen», sagte Winkler. Den Wert des Zölibats verstanden als Enthaltsamkeit nach entsprechender Berufung wolle er damit nicht hinterfragen. Aber: «Ich kann nicht sehen, warum jemand, der seine Berufung zum Priester spürt, zu einem zölibatären Leben gezwungen wird. Die angesprochene Askese – die ist ein Charisma, und ein Charisma kann man nicht verordnen.»

Keine theologischen Argumente für Pflichtzölibat

Überzeugende theologische Argumente für den Pflichtzölibat könne er nicht erkennen, so der Salzburger Ordinarius für Patristik und Kirchengeschichte. Drei Jahrhunderte sei das Christentum ohne irgendein Zölibatsgesetz für Priester ausgekommen. Erst die Synode von Elvira Anfang des 4. Jahrhunderts habe die völlige Enthaltsamkeit der Priester verlangt, ohne dies durchsetzen zu können.

In der Kirche im Westen gelte 1078 als Jahr der offiziellen Einführung des Pflichtzölibats – mehr als 1000 Jahre nach dem Wirken Jesu. In der Antike habe für die Enthaltsamkeit die Idee der «kultischen Reinheit» eine Rolle gespielt. Nach den Worten Winklers sei dies ein kulturhistorisches, aber kein theologisches Argument.

Priesterehe und Heirat nach Scheidung: Von den Ostkirchen lernen

Winkler, der 2008 von Papst Benedikt XVI. zum Konsultor des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen gemacht und von Papst Franziskus in dieser Beraterfunktion bestätigt wurde, plädierte hier für einen Blick zur Ostkirche: «Dort gibt es Priesterehe und kirchliche Wiederverheiratung nach Scheidung unter bestimmten pastoralen Bedingungen.»

Für einen «wirklich falschen Zugang» hält Winkler die derzeitige katholische Lehre, wonach jemand, der mit seiner zweiten Ehefrau glücklich zusammen ist, «quasi ununterbrochen in Sünde» lebt. Deshalb sollte der Zugang der katholischen Kirche zur Ehe insgesamt neu betrachtet werden, riet der Theologe zu grundlegenden Diskussionen bei der im Oktober anstehenden Familiensynode in Rom.

Für ergebnisoffene Debatte über Priesterinnen

Auch beim Thema Frauenpriestertum sprach sich Winkler für eine «freie, ergebnisoffene und vor allem theologisch fundierte Diskussion» aus. Diese sei von Papst Johannes Paul II. «leider für beendet erklärt» worden. Die kircheninternen Meinungen gingen hier weit auseinander. Aus dem Neuen Testament sind laut Winkler keine direkten Aussagen zur Frage ableitbar, welches Geschlecht Diakone, Priester oder Bischöfe haben müssen. Die Frage sei hier durch alte Vorstellungen vom «Wesen der Frau» belastet.

Tatsache sei jedenfalls, dass viele christliche Kirchen das Frauenpriestertum zulassen, die katholische und orthodoxe Kirche eben nicht. Man müsse sich von katholischer Seite anschauen, warum andere christliche Konfessionen sehr wohl Priesterinnen weihen und welche theologischen Argumente es dafür gibt. «Rein soziologisch argumentiert wäre der Fall ja klar: Aus Gleichberechtigungsgründen müsste man das Frauenpriestertum einführen.» Keine Hindernisse sähe der Salzburger Theologe beim Diakonat der Frau, «der bis ins Mittelalter gut bezeugt ist». Dieses Weiheamt gehöre «möglichst bald wieder eingeführt». (kap)

Plakat an einer Protestaktion vor dem Dom in Fulda | © KNA
21. Juli 2015 | 14:23
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«Scheitern muss man als Christ immer dürfen»

Auf die Frage, ob Priester nach einer Scheidung den Beruf wechseln müssten, antwortete der Salzburger Theologe Dietmar Winkler im Zeitungsinterview: «Es gibt ja auch Priester, die am Zölibat ‘scheitern’. Scheitern muss man als Christ immer dürfen.» Jesus sei schliesslich «zu den Gebrochenen gekommen und nicht zu den Perfekten». (kap)