Männer der albanisch-islamischen Gemeinschaft Zürich beim Gebet
Schweiz

«Die Leute kennen uns Muslime inzwischen»

Zürich, 13.11.16 (kath.ch) Dieses Wochenende öffnen verschiedene Moscheen im Kanton Zürich ihre Türen für Besucher. kath.ch nahm einen Augenschein in der albanisch-islamischen Gemeinschaft in Zürich Altstetten. Ein Gespräch über die vielen Namen Allahs und das Ausbleiben der Nicht-Muslime.

Sylvia Stam

Ein grosser Raum mit türkisfarbenem Teppich. Die sechzehn Männer stehen vorn in einer Reihe nebeneinander, den Kopf leicht gesenkt, wie es auch reformierte Christen beim Beten tun. Ihre Hände sind nicht sichtbar, sie haben sie irgendwo vor der Brust. Vor ihnen der Imam, besser hör- als sichtbar, zumal er durch ein Mikrofon in einem Sprechgesang vorbetet.

Die Männer jeglichen Alters und verschiedener Hautfarbe verbeugen sich mit ihm, knien hin und legen den Kopf auf den Boden, stehen wieder auf. Mehrmals hintereinander. Zwischen den Rezitationen des Imams immer wieder eine halbe Minute Stille. Nach einer Weile verteilen sich die Männer im Raum und verrichten schweigend individuelle Gebete. Einige verlassen den Raum, nicht ohne den Besuchern im hinteren Teil ein «schöne Abig!» zugeworfen zu haben.

Andächtige Stimmung

«Es war so andächtig», fasst eine der Besucherinnen, die an diesem «Tag der offenen Moscheen» in der Albanisch-islamischen Gemeinschaft in Zürich erschienen sind, ihren Eindruck treffend zusammen. Die Studentin ist mit ihrer Kollegin gekommen, recht spontan, wie es scheint. «Wir wollten uns mal eine Moschee anschauen». Die beiden jungen Frauen, 20 und 21 Jahre alt, haben noch nie eine Moschee besucht und sind beeindruckt, dass so viel Besinnlichkeit in einem ganz normalen Gebäude stattfindet. «Das kommt wirklich von innen», sagt die ältere der beiden.

Das anschliessende Gespräch mit drei Mitgliedern des Moscheevereins verläuft etwas harzig. Die Männer erklären viel, einander ergänzend, die Aufmerksamkeit der Zuhörer lässt nach.

Eigenschaften Allahs

Es gibt aber auch so viel zu erzählen! Von der Gleichheit aller vor Allah, was durch die Reihe der Betenden symbolisiert werde; von der Verpflichtung zum gemeinsamen und freiwilligen individuellen Gebet. Davon, dass das Fürbittgebet die Menschen näher zu Gott bringe. Von den 99 Namen Allahs, die im Raum nebenan von Kinderhand auf Blätter geschrieben sind, auf Arabisch und auf Deutsch. Namen, die Allahs Eigenschaften benennen. «So, wie Allah ist, so sollen auch wir sein», erklärt Mexhit Ademi, der im Vorstand der Vereinigung islamischer Dachorganisationen (Vioz) ist, in akzentfreiem Schweizerdeutsch.

«Auf einem der Blätter steht Todbringer», wirft ein Besucher ein. «Kann man das so wörtlich nehmen?» Ademi verneint. Nicht alle Eigenschaften Allahs sollen die Menschen sich aneignen. «Allah ist es, der Leben und Tod gibt», erklärt sein älterer Bruder Ismail Ademi, Präsident dieses Moscheevereins, diesen Namen Allahs.

Sechs Besucher

Die sechs Besucher sind an diesem Samstag die Einzigen, die dem Aufruf der Vioz gefolgt sind, die albanisch-islamische Moschee in Altstetten zu besuchen. Vioz organisiert diese Tage seit etwa zehn Jahren, erklärt Ademi später gegenüber kath.ch. «Wir waren eines der ersten Mitglieder der Vioz und haben bei diesen Tagen von Anfang an mitgemacht.» Die Anzahl Besucher habe im Verlauf der Jahre abgenommen, sagt auch sein Kollege Dritan Misimi, Sekretär des Vereins, ohne Zahlen zu nennen.

Islamophobie

Über die Gründe für dieses geringe Interesse mutmassen die beiden unterschiedlich. Ademi will es positiv formulieren: «Wir sind seit 17 Jahren in diesem Gebäude, die Leute kennen uns, und sie kennen auch den Islam inzwischen. Wenn sie Fragen haben, können sie ihre Nachbarn oder ihren Arbeitskollegen fragen», sagt der Betriebswirtschaftler, der bei Manor im Bereich Human Ressources arbeitet. Misimi ordnet die schwindende Besucherzahl in einen grösseren Kontext ein: «Es kommen ja meistens diejenigen, die an Religion interessiert sind», sagt der bärtige Elektriker aus Mazedonien. Davon gebe es immer weniger in der Gesellschaft.

Ob zunehmende Islamophobie ein Grund sein könne? «Das können wir nicht ausschliessen», sagen beide pragmatisch, wollen es aber ebenso wenig bestätigen.

Stellvertreterdiskussion

Sie selbst erfahren keine Ablehnung als Muslime. «In persönlichen Beziehungen spüre ich das nicht», sagt Ademi, der in der Schweiz aufgewachsen ist. Aber man sehe ihm ja auch nicht unbedingt an, dass er einen muslimischen Hintergrund habe, sagt der hellhäutige Mann mit den gelierten braunen Haaren. Ein ungutes Gefühl kommt aber manchmal bei ihm auf, wenn er sieht, mit welcher Heftigkeit etwa über ein Burkaverbot diskutiert wird. «Das ist vielleicht eine Stellvertreterdiskussion für Ressentiments gegen Muslime», mutmasst er.

«Sie sind freundlich und offen», hatte demgegenüber eine der Studentinnen über die Mitglieder der Gemeinschaft gesagt. Im Korridor treffen inzwischen Gläubige ein. Sie grüssen die letzte Besucherin und bieten ihr Tee und Kuchen an, ehe sie zum Abendgebet gehen.

 

Männer der albanisch-islamischen Gemeinschaft Zürich beim Gebet | © Sylvia Stam
13. November 2016 | 11:22
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Die albanisch-islamische Gemeinschaft in Zürich

Die albanisch-islamische Gemeinschaft an der Rautistrasse in Zürich zählt gegen 400 Mitglieder albanischer Herkunft. Diese kommen mehrheitlich aus Mazedonien, Kosovo, Serbien und Albanien. Sie war die erste albanisch-islamische Gemeinschaft in der Schweiz und wurde 1987 gegründet.

Die als Verein organisierte Gemeinschaft organisiert neben den muslimischen Riten auch die religiöse Ausbildung ihrer Mitglieder. Sie führt Moscheeführungen unter anderem für Schulklassen durch und nimmt an interkulturellen und interreligiösen Anlässen von Stadt und Kanton teil.

Die Mitglieder zahlen jährlich Beiträge, womit der Imam und die Infrastruktur im Wesentlichen finanziert werden, sagt Ismail Ademi, Präsident des Moscheevereins. Ausserdem stehe eine Spendenkasse bereit.

Der vollamtlich angestellte Imam kommt aus Mazedonien. Er leitet die täglichen Gebete, zu denen je nach Tageszeit bis zu 30 Personen kommen, sowie das Freitagsgebet. Die Moschee sei auch für Nichtmitglieder offen, so Ademi. (sys)