Stephan Rothlin, Schweizer Jesuit in China
International

Schweizer Jesuit Stephan Rothlin verteidigt China

Die Olympischen Winterspiele sind eröffnet. Der Schweizer Jesuit Stephan Rothlin lebt in China – und zeigt Verständnis für das Regime in Peking. In den westlichen Medien dominiere «ein oberflächliches, negatives Bild von China».

Raphael Rauch

Was erhoffen Sie sich persönlich von den Olympischen Winterspielen?

Stephan Rothlin*: Ich habe die Sommerolympiade in Peking im Jahr 2008 erlebt. Auch mit der Winterolympiade erhoffe ich mir, dass viele Leute die Gelegenheit haben, einige positive Aspekte von China in den Blick zu bekommen.  

China und der Vatikan pflegen keine diplomatischen Beziehungen - und doch hat Papst Franziskus jetzt ein neues Bistum gegründet.
China und der Vatikan pflegen keine diplomatischen Beziehungen - und doch hat Papst Franziskus jetzt ein neues Bistum gegründet.

Was sagen Sie zum Vorwurf: Propagandashow?

Rothlin: Warum sollen die Chinesen nicht stolz sein, auf das, was sie erreicht haben? Meiner Ansicht nach hat China die Pandemie gut im Griff und hat selbst während der Pandemie erreicht, das Wirtschaftswachstum aufrecht zu erhalten. Besonders die Überwindung der Armut und eine breite massive Verbesserung der Lebensbedingungen der Leute, einschliesslich auf dem Land, sind eine enorme Leistung.

Viele Regierungen sind bei den Olympischen Spielen nicht vertreten. Wie sehen Sie das?

Rothlin: Ich sehe in diesem Fall keinen Grund, die Olympischen Spiele mit einseitigen und oft auch äusserst fragwürdigen Argumenten zu politisieren, um Ländern Boykotte aufzudrängen.  

Stephan Rothlin in der Kapelle des aki, Zürich
Stephan Rothlin in der Kapelle des aki, Zürich

Glauben Sie an «Wandel durch Annäherung»?

Rothlin: Ich halte den Dialog mit China für ausserordentlich wichtig. Das heisst in keiner Weise, dass man nicht Dinge hinterfragen kann. Doch in den westlichen Medien dominiert ein oberflächliches, negatives Bild von China. In der Schweiz versuche ich, durch den Ladanyi-Verein ein Forum zu schaffen, wo verschiedene Perspektiven immer wieder diskutiert werden und man einigermassen sachlich über Geschichte und Ethik von China diskutieren kann. Ich fühle mich der Tradition von Matteo Ricci (1552-1610) und seinen Nachfolgern verpflichtet, die keine Mühe und Schwierigkeiten gescheut haben, um sich mit der Kultur, Sprache und mit den Menschen in China gründlich auseinanderzusetzen – und in einen genuinen Dialog zu treten, der alle Beteiligten grundlegend ändert.

Proteste vom 18. August 2019 in Honkong
Proteste vom 18. August 2019 in Honkong

In Hongkong wird die Demokratie mit Füssen getreten, viele sprechen von einem Genozid an den Uiguren. Dennoch laufen die Geschäfte mit China bestens. Wie viel Fressen, wie viel Moral ist überhaupt möglich?

Rothlin: In Hongkong prallen verschiedene Systeme aufeinander und es ist eine offene Frage, ob eine Kompromissfähigkeit bei allen Beteiligten wachsen kann. Nur war es meiner Ansicht nach schon immer klar, dass im Rahmen von «Ein Land – Zwei Systeme» Peking und die Zentralregierung eine bestimmende Rolle spielt. Was oft übersehen wird, dass bezüglich Umweltschutz und auch der Verankerung von Wirtschaftsethik in den letzten 20 Jahren ein radikales Umdenken in China stattgefunden hat. Selbstverständlich gibt es auch enorme Risiken. Doch China wird in Bezug auf Umsetzung von moralischen Prinzipien in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.

* Der Schweizer Jesuit Stephan Rothlin lebt seit über zwei Jahrzehnten in China und gibt in Hongkong und Macau Kurse zu Kontemplation und Führungsethik.


Stephan Rothlin, Schweizer Jesuit in China | © zVg
5. Februar 2022 | 18:02
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