SBB-Billette für Flüchtlings-Chor finanzieren: Ein Thema für die Zürcher Kirchen?

Zürich, 15.10.15 (kath.ch) In Zürich gibt es einen Flüchtlings-Chor, der wöchentlich probt. Das Integrationsprojekt droht jedoch an den hohen Kosten zu scheitern, welche die Sängerinnen und Sänger für die Zugbillette zum Probenlokal aufbringen müssen, wie der «Tages-Anzeiger» am Mittwoch, 14. Oktober, berichtete. kath.ch hat sich bei der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirche im Kanton Zürich erkundigt, ob sie das Projekt finanziell unterstützen würden. Diese signalisieren grundsätzlich Offenheit.

Sylvia Stam

«Teurer Gesang», titelte der «Tages-Anzeiger», und wies mit diesem Artikel auf die finanziellen Schwierigkeiten eines Flüchtlingschors in Zürich hin. Der Chor «S’isch äben e Mönsch» hat zum Ziel, Flüchtlinge zu integrieren und ihnen zwei Stunden lang die Möglichkeit zu bieten, ihre Sorgen zu vergessen. Problematisch sind jedoch die hohen Billettkosten für den Weg der sangesfreudigen Flüchtlinge von ihrem Wohnort zum Probelokal im Kirchgemeindesaal Zürich Aussersihl: Sie belaufen sich laut Zeitung auf hochgerechnet rund 1500 Franken pro Probe. Die Hälfte der rund 80 Sängerinnen und Sänger wohne beispielsweise in Winterthur, ein SBB-Billett ohne Halbtax-Abo kostet für diese Strecke 33 Franken.

kath.ch hat bei den beiden Landeskirchen des Kantons Zürich nachgefragt, ob eine finanzielle Untertstützung dieses Projekts für sie in Frage käme. «Wir haben bislang keine solche Anfrage erhalten», sagt Aschi Rutz, Informationsbeauftragter der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich. Da zurzeit Herbstferien seien, sei bislang auch niemand von kirchlicher Seite aktiv vorgegangen. Rutz schliesst eine finanzielle Unterstützung des Flüchtlingschors seitens der Kirche jedoch nicht aus. «Das wäre zu überlegen», so Rutz.

Reformierte: Thema ist traktandiert

Auch die reformierte Landeskirche des Kantons Zürich signalisiert Offenheit für das Anliegen: Laut deren Sprecher Nicolas Mori steht das Thema «Flüchtlinge» derzeit auf der Traktandenliste des Zürcher Kirchenrats. So sei bereits entschieden worden, eine Taskforce zu gründen, um sich innerhalb des Kantons mit verschiedenen Organisationen zu vernetzen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind. Ausserdem wolle der Kirchenrat Geld in die Hand nehmen, um einzelne Flüchtlingsprojekte finanziell zu unterstützen. Mori kann sich vorstellen, dass der genannte Flüchtlingschor dazu zählen könnte. «Ich nehme das gern auf und bringe es in der nächsten Sitzung von kommender Woche ein», so Mori gegenüber kath.ch.

«Für uns wäre es wunderschön, wenn die Kirchen uns sponsern würden», sagte Andrea Sprecher im Namen des Flüchtlings-Chors gegenüber kath.ch. Der Chor wird vom Verein «Spontankonzerte» getragen und vom Startenor Christoph Homberger dirigiert. Sprecher hatte kürzlich bei der reformierten Kirche des Kantons Zürich angefragt und war aufgefordert worden, sich nach den Herbstferien nochmals zu melden. Der Chor sei gegründet worden als Angebot für Menschen, die auf einen Asylentscheid warten. Während dieser Zeit will Homberger ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Sorgen «wenigstens für Momente beim gemeinsamen Singen zu vergessen», heisst es auf der Homepage des Vereins. Der Chor steht laut Sprecher aber allen Menschen offen, egal welchen Aufenthaltsstatus sie haben. Für Schweizer Sängerinnen und Sänger sei dies oft die einzige Gelegenheit, direkt mit Flüchtlingen in Kontakt zu kommen. Gesungen würden Volkslieder, ein Konzert unter dem Titel «S’isch äben en Mönsch» soll im März 2016 in Zürich stattfinden. Auf der Crowdfunding-Plattform «wemakeit.com» wird derzeit für das Projekt Geld gesammelt.

Chor der Nationen: Transportkosten kein Problem

Singen in einem Chor, um Migranten zu intergrieren – dieser Gedanke ist in der Schweiz nicht neu: In verschiedenen Schweizer Städten gibt es den «Chor der Nationen» (CDN), der unter anderem auch von kirchlicher Seite finanziell unterstützt wird. Der CDN sei mit dem Problem der Transportkosten jedoch kaum konfrontiert, sagt Nicola Neider, die als Leiterin des Bereichs Migration-Integration der katholischen Kirche der Stadt Luzern auch als Präsidentin des Luzerner CDN amtet, auf Anfrage von kath.ch. «Wer zu uns kommt, muss sich mindestens ein Jahr an den Proben beteiligen», so Neider weiter, darum sei der CDN von seinem Charakter her nicht mit dem Zürcher Flüchtlingschor zu vergleichen. Etwa die Hälfte des 100-köpfigen Chors in Luzern seien Migranten, wovon die meisten wiederum nicht im Asylbewerber-Status seien und somit über genügend Geld für den Weg verfügten, so Neider. Nur etwa zehn Migranten seien Flüchtlinge, diese müssten keinen Mitgliederbeitrag bezahlen und wohnten alle so nahe, dass sie mit dem Velo oder einem günstigen Busbillett in die Stadt fahren könnten.

Für Flüchtlinge, die neu in die Schweiz kommen, bräuchte es eher einen Chor mit kurzfristigeren Projekten, so Neider. Sie hält so einen Flüchtlingschor aber für eine gute Idee. Der CDN biete den Bewohnern des Asylheims Hirschpark in Luzern seinerseits Gratisbillette für das Konzert des CDN an. Das nächste findet am 8. November im KKL Luzern statt, weitere Aufführungen folgen im November in Zürich, Glarus und Bern. (sys)

Der Flüchtlings-Chor unter der Leitung von Christoph Homberger | © zVg
15. Oktober 2015 | 12:40
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