kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.
Kommentar

Roland Graf und Franz Imhof überschreiten den Rubikon

Lange Zeit war es still rund um das Grichting-Lager im Bistum Chur. Nun instrumentalisieren konservative Priester den Verhaltenskodex, um Stimmung gegen Bischof Joseph Bonnemain zu machen. Bischof und Landeskirchen müssen nun Kante zeigen. Ein Kommentar.

Raphael Rauch

«Es nützt nichts, jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.» Es gibt einen Kalenderspruch, der das diese Woche zum Besten gibt. Genau diese Erfahrung muss Bischof Joseph Bonnemain nun machen.

Ein Kalenderspruch, gesehen in Südtirol.
Ein Kalenderspruch, gesehen in Südtirol.

Was ist der Dank fürs Brückenbauen?

Seit seiner Ernennung zum Bischof von Chur bemüht sich der Opus-Dei-Mann ums Brückenbauen. Er hat Andreas Fuchs von den umstrittenen «Servi della Sofferenza» im Bischofsrat belassen. Er hat Dompfarrer Gion-Luzi Bühler, der in Bonnemain die grösste Priesterenttäuschung seines Lebens sieht, im Amt des Churer Dompfarrers bestätigt. Er hat dem ehemaligen Generalvikar Martin Grichting Angebote gemacht, Verantwortung für das Bistum zu übernehmen. Er führt Gespräche mit der Gruppierung «Pro Ecclesia».

Die Domherren Martin Bürgi (li.) und Roland Graf auf dem Weg ins bischöfliche Schloss im November 2020.
Die Domherren Martin Bürgi (li.) und Roland Graf auf dem Weg ins bischöfliche Schloss im November 2020.

Und was ist der Dank? Ein öffentlicher Affront, der als Kriegserklärung zu werten ist. Wäre es den Priestern des Churer Priesterkreises wirklich um ernsthafte Gewissensbisse und um eine ehrliche Sorge um die Einheit der Kirche gegangen, dann hätten sie dies Bischof Joseph Bonnemain in einem klerikalen, mitbrüderlichen Gespräch mitteilen können. 

Auch das Bistum Chur hat seine Burkes und Brandmüllers

Stattdessen wählen sie eine Methode, die man vor allem von reaktionären Kardinälen kennt: von den Burkes und Brandmüllers dieser Welt, die in öffentlichen Dubiae ihre Zweifel an Franziskus’ Entscheidungen medienwirksam mitteilen.

Schwarzer Rauch in Chur: Martin Grichting steuert die Domherren.
Schwarzer Rauch in Chur: Martin Grichting steuert die Domherren.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Verlierer der letzten Bistumsernennung aufbäumen würden. Der Verhaltenskodex ist nun ein willkommener Anlass. 

Die Missbrauchsforschung wird ignoriert

Vordergründig geht es den Priestern, die bis auf Roland Graf und Franz Imhof nicht den Mut haben, mit ihrem Namen für die angeblich so klare Wahrheit und das Lehramt zu kämpfen, um ernsthafte Sorge um den Glauben. Sie ignorieren sämtliche Erkenntnisse der Missbrauchsforschung, die den systemischen Sumpf der katholischen Kirche anprangert und hier einen Nährboden für Missbrauch und spirituellen Missbrauch sieht.

Bischof Joseph Bonnemain stellt den Verhaltenskodex vor.
Bischof Joseph Bonnemain stellt den Verhaltenskodex vor.

Tatsächlich zielen sie aber gegen Bischof Joseph Bonnemain. Es ist kein Zufall, dass die zwei Unterzeichner auch jene Männer sind, die in der denkwürdigen Sitzung des Domkapitels eine Wahl von Joseph Bonnemain zum künftigen Bischof verhindert haben.

Schlafwandelnde Priester

Roland Graf und Franz Imhof haben den Rubikon überschritten. Nun gilt es, die Reihen zu schliessen und konsequent zu handeln. Das heisst: Der Bischof muss mitbrüderliche Gespräche mit seinen schlafwandelnden Priestern führen, den Verhaltenskodex geduldig erklären, für ihn werben – und bei weiterer Ablehnung konsequent handeln. Den entsprechenden Rückhalt der Landeskirchen, der Mehrheit der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Gläubigen hat Bischof Joseph Bonnemain.

Perspektivisch muss sich der Bischof von Chur freilich überlegen, mit welchen Kräften er die Zukunft des Bistums Chur plant. So banal Kalendersprüche klingen, so wahr sind sie manchmal: «Es nützt nichts, jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.»


kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch. | © Elisabeth Real
29. April 2022 | 18:36
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