Investiturfeier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem mit Übergabe des Insignien.
Story der Woche

Ritterschlag ade: Die Ritter und Damen vom Heiligen Grab werden erstmals mit dem gleichen Ritus aufgenommen

Premiere beim Schweizer Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem: Erstmals wird Kardinal Fernando Filoni neue Ritter und Damen mit dem gleichen Ritus aufnehmen. Bislang wurde nach Geschlechtern unterschieden. Statthalterin Donata Krethlow-Benziger (50) wird den Neuen den Ordensmantel umhängen.

Barbara Ludwig

2018 liessen Sie sich vom Pfarrblatt der Stadt Luzern mit dem Satz zitieren: «Wir sind eine moderne Vereinigung». Im Ritterorden gibt es aber haufenweise Begriffe, die an eine ferne Vergangenheit erinnern: Ritter, Statthalterei, Komtureien. Wie geht das zusammen mit dem Anspruch, modern sein zu wollen?

Donata Krethlow-Benziger*: Diese Frage wird immer wieder thematisiert. Viele Leuten sagen, das sei etwas aus der Zeit der Kreuzzüge. Man muss es jedoch von einer anderen Seite her betrachten. Worauf beruht unser Ritterorden? Es sind die drei Pfeiler Religion, Caritas und Tradition. Die Begriffe Ritter, Damen, Statthalterei, aber auch der Ordensmantel und die Insignien stehen für den dritten Pfeiler: Die jahrhundertealte Tradition des Rittertums, die für die Mitglieder auch heute noch sinnvoll ist und sogar verbindlich.

Denn wir orientieren uns an den vier Kardinalstugenden Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Bescheidenheit. Diese gehen auf die antike griechische Philosophie zurück und gehören zu den Grundlagen der christlichen Ethik. Und so wollen auch der Ritter von heute und die moderne Dame des Ordens diesen Idealen nachleben.

Grabritter beim Einzug in die Kirche anlässlich einer Investiturfeier 2015 in Deutschland.
Grabritter beim Einzug in die Kirche anlässlich einer Investiturfeier 2015 in Deutschland.

Apropos Tradition und Geschichte: Ihr Orden wurde im Gegensatz zu anderen Ritterorden erst sehr spät gegründet.

Krethlow-Benziger: Ja. Unser Orden ist erst im 19. Jahrhundert als Institution am Heiligen Stuhl errichtet worden. Hingegen gibt es die Tradition des Ritterschlages am Heiligen Grab, die für unseren Orden eine Rolle spielt. Sie geht bis in die Zeit vor den Kreuzzügen zurück. Zunächst waren es vor allem Adelige, die ans Heilige Grab in Jerusalem pilgerten und dort den Ritterschlag empfingen.

Donata Krethlow-Benziger ist beim Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem Statthalterin für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein.
Donata Krethlow-Benziger ist beim Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem Statthalterin für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein.

Sie wurden 2018 als erste Frau in Europa Statthalterin, also nationale Verantwortliche für ein Land. Gab es immer schon Damen neben den Rittern?

Krethlow-Benziger: Frauen konnten seit den Anfängen des Ordens Mitglied werden. Was aber ganz interessant ist bei unserem Orden: Bereits 1888, also relativ früh, hat Papst Leo XIII. den Damen die gleichen Rechte und Pflichten auferlegt. Seither können die Damen die gleichen Laienposten übernehmen wie die Ritter. Aber natürlich nicht die Priesterposten wie etwa die Posten des Grosspriors oder allgemein der Prioren.

«Eine erste Frau als Statthalterin gab es in Lateinamerika vor etwa 25 Jahren.»

Diese Möglichkeit wurde jedoch lange Zeit hindurch nicht genutzt. Eine erste Frau als Statthalterin gab es in Lateinamerika vor etwa 25 Jahren. Dieser Kontinent machte den Anfang. Auch in Australien und Nordamerika hat es Statthalterinnen. Europa hinkt noch etwas hinterher. Heute gehören Frauen in der Leitung dazu. Ich finde aber, nicht das Geschlecht soll ausschlaggebend sein bei der Besetzung von Leitungsposten, sondern es muss die Person sein, die am besten geeignet ist, das Amt zu übernehmen.

Schwert des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Es ist präsent an der Investitur.
Schwert des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Es ist präsent an der Investitur.

Ritter oder Dame: Worin unterscheidet sich das Aufnahme-Ritual?

Krethlow-Benziger: Bislang gab es Unterschiede. Das ändert sich jetzt aber. Kardinal Fernando Filoni ist seit 2020 unser Grossmeister. Letztes Jahr hat er ein neues Aufnahmeritual herausgegeben. Es unterscheidet nicht mehr zwischen Rittern, Damen und Priestern. Der gleiche Ritus gilt nun für alle. Bei der Investitur legt der Kardinal-Grossmeister den Kandidatinnen und Kandidaten das Prozessionskreuz auf die Schulter in Anlehnung an den Ritterschlag. Bislang benutzte der Grossmeister für den Ritterschlag der künftigen Ritter ein Schwert, bei den Damen und Priestern entfiel der Ritterschlag.

In Lugano kommt der neue Ritus nun zum ersten Mal in der Schweiz zur Anwendung. Mit dem Akt der Investitur ist auch ein Segen verbunden. Darauf folgt das Anlegen des Mantels und die Übergabe der Insignien. Da ändert sich nichts.

Investiturfeier mit Kardinal Fernando Filoni

Der Schweizer Zweig des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem trifft sich ab Freitagnachmittag zur diesjährigen Investiturfeier. Sie findet in Lugano statt und dauert bis Sonntagmittag. Zum Programm gehören das Jahreskapitel (Generalversammlung) und die eigentliche Investiturfeier, bei der neue Mitglieder in den Orden aufgenommen werden.

Die Investiturfeier mit Pontifikalamt findet am Samstagnachmittag in der Kathedrale San Lorenzo statt. Geleitet wird sie von Kardinal Fernando Filoni. Der italienische Vatikandiplomat ist Grossmeister des Ordens.

Morerod, Grampa und Ex-Erzbischof von Tours

Co-Zelebranten sind der Westschweizer Bischof Charles Morerod, Grossprior der Statthalterei Schweiz und Liechtenstein, Bernard Nicolas Aubertin, emeritierter Erzbischof von Tours und Grossprior der Statthalterei Frankreich, Pier Giacomo Grampa, emeritierter Bischof von Lugano und emeritierter Grossprior der Statthalterei Schweiz, Martin Gächter, emeritierter Weihbischof von Basel und emeritierter Prior der Sektion Deutschschweiz sowie Ernesto William Volonté, Prior der Sektion Italienische Schweiz. Dies teilte Luca Montagner mit. Der Grabritter ist für die Medienarbeit des Anlasses verantwortlich.

17 neue Mitglieder

Dieses Jahr nimmt der Orden insgesamt 17 neue Mitglieder auf: elf Ritter, vier Damen und zwei Geistliche. Erwartet werden laut Montagner 250 Gäste aus Europa, insbesondere aus Italien und Frankreich, aber auch aus Lateinamerika. Auch werden je ein Mitglied des Tessiner Staatsrats und des Stadtrats von Lugano erwartet.

Den neuen Mitgliedern werden bei der Aufnahme die Insignien des Ordens überreicht. Die Ritter erhalten einen Mantel, das Jerusalem-Kreuz an einem schwarzen Band und Miniaturen des Ordens. Die Damen erhalten dasselbe und zusätzlich einen Schleier. (bal)

Muss man adelig sein, um Mitglied zu werden?

Krethlow-Benziger: Nein, und das ist seit der Gründung des Ordens so.

Wie sieht es faktisch aus? Wie viele Adelige sind Mitglied des Ordens?

Krethlow-Benziger: Hier kommt wieder die Tradition ins Spiel. Die Pilgerreise ans Heilige Grab konnten sich früher nur Adelige leisten. Deshalb empfingen auch nur Adelige den Ritterschlag. Im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit konnten sich dann auch Bürgerliche, die zu Geld gekommen waren, eine Pilgerreise nach Jerusalem leisten und sich dort den Ritterschlag holen.

Der Ritterschlag war für sie eine Standeserhöhung. Heute ist das nicht mehr so. Der adelige Stand ist gar kein Thema. Wir haben eine Handvoll Adeliger in der Schweiz, die aus Patrizierfamilien stammen. Weltweit sieht es hingegen anders aus: Der König von Spanien ist dabei, auch der König von Belgien. Fast alle katholischen gekrönten Häupter sind bei uns Mitglied.

«Bei mir ist die halbe Familie im Ritterorden dabei.»

Warum wurden Sie Mitglied des Ritterordens?

Krethlow-Benziger: Aus Familientradition. Bei mir ist die halbe Familie dabei: Eltern, Grossvater, Grossonkel, Tante. Richtig gepackt hat es mich aber erst auf einer Pilgerreise ins Heilige Land 2008. Dort ist so richtig das Feuer entflammt für den Orden. Ich habe gesehen, dass der Orden Gutes leistet und wie sehr die Christen von den Institutionen profitieren, die wir unterstützen. Ihr Überleben im Heiligen Land wird dadurch quasi gesichert. Das hat mich völlig eingenommen.

Eine Investiturfeier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem in der Schweiz. Ort und Datum unbekannt.
Eine Investiturfeier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem in der Schweiz. Ort und Datum unbekannt.

Wozu haben Sie sich mit der Mitgliedschaft verpflichtet?

Krethlow-Benziger: Ich habe mich erstens dazu verpflichtet, mich im privaten und beruflichen Umfeld für die römisch-katholische Kirche und den Papst einzusetzen. Zweitens habe ich mich dazu verpflichtet, die Christen im Heiligen Land finanziell und im Gebet zu unterstützen und die Spiritualität der Ordensmitglieder zu fördern. Dies ist auch der Auftrag, den der Heilige Vater dem Orden bei dessen Gründung gab.

Um welche Gebiete geht es genau, wenn Sie vom Heiligen Land sprechen?

Krethlow-Benziger: Der Begriff Heiliges Land meint hauptsächlich Israel, die besetzten palästinensischen Gebiete, Jordanien und Zypern. Es gehört aber auch das erweiterte Heilige Land, also Ägypten, Libanon, Syrien und der Irak dazu.

Auf einem Tisch liegen Insignien für die künftigen Ritter und Damen.
Auf einem Tisch liegen Insignien für die künftigen Ritter und Damen.

Unterstützen Sie die Christen dort, indem Sie Geld geben für Projekte – oder legen Sie selber Hand an?

Krethlow-Benziger: Wir unterstützen die Institutionen der katholischen Kirche bei konkreten Aktivitäten und Projekten finanziell. Wir gehen nicht selber ins Heilige Land, um Kranke zu pflegen oder in Kinderheimen zu arbeiten. Aber wir führen jedes Jahr eine Pilgerreise durch. Bei diesen Reisen besichtigen wir die Projekte und besuchen die einheimischen Christen in ihren Pfarreien.

Was sind das für Projekte?

Krethlow-Benziger: Es sind Schulen, Universitäten, Kindertagesstätten, Alters- und Behindertenheime sowie Spitäler. Wichtig ist: Diese Institutionen stehen allen Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und Religion offen. Dahinter steht auch der christliche Gedanke, dass man allen Menschen helfen soll. Zudem unterstützen wir das Priesterseminar des Lateinischen Patriarchats in Beit Jala.

Damen des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem bei einer Investiturfeier 2015 in Deutschland.
Damen des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem bei einer Investiturfeier 2015 in Deutschland.

Welches sind Ihre Aufgaben an der bevorstehenden Investiturfeier?

Krethlow-Benziger: Wir sind als Verein nach ZGB organisiert. Ich leite die Generalversammlung, die bei uns Kapitelversammlung heisst und jeweils im Rahmen der Investitur durchgeführt wird. Ich leite den dreitägigen Anlass, den ich zusammen mit den Organisatoren vor Ort vorbereitet habe. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Begrüssung der Ehrengäste. Dann werde ich die Kandidaten und Kandidatinnen zur Investitur begleiten. Wenn der Kardinal-Grossmeister die Investitur vorgenommen hat, darf ich ihnen den Ordensmantel umhängen. Das ist ein ganz schöner Moment!

Worauf freuen Sie sich besonders?

Krethlow-Benziger: Dieses Jahr freue ich mich besonders, dass sich die Mitglieder wieder begegnen können und wir unsere grosse dreitägige Feier wieder durchführen können. 2020 fiel die Investitur-Feier aus, 2021 haben wir sie nur in sehr kleinem Rahmen durchführen können.

Damen und Ritter bekommen mehrere Jerusalemkreuze bei der Aufnahme in den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
Damen und Ritter bekommen mehrere Jerusalemkreuze bei der Aufnahme in den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

Es ist nicht Ihre erste Investitur-Feier als Statthalterin. Aber vielleicht haben Sie trotzdem etwas Bammel?

Krethlow-Benziger: Bammel ist nicht der richtige Ausdruck. Es ist mehr ein Gefühl freudiger Nervosität. Denn es kommen sehr viele Gäste. Sie kommen aus Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Holland, Luxemburg, Deutschland, Österreich, Polen, sogar aus Mexiko. Es kommen Gäste aus dem Grossmagisterium, also der Leitung des Ordens, Vertreter der kantonalen und der städtischen Regierung.

«Ich hoffe natürlich, dass es dem Kardinal nicht übel wird bei der Hitze.»

Bei solch grossen Anlässen hat man immer etwas Bedenken: Stürzt jemand? Es hat doch ältere Mitglieder, die auch bei den Prozessionen mitmachen. Zuerst hatte ich Angst, dass es regnet. Jetzt habe ich eher Bedenken, dass es 30 Grad heiss wird. Ich mache mir Sorgen, jemand könnte zu wenig trinken und umkippen. Wir sorgen deshalb dafür, dass eine jüngere Person während der Messen Wasser verteilt.

Macht es Sie auch nervös, weil hohe Gäste darunter sind?

Krethlow-Benziger: Ich hoffe natürlich, dass es dem Kardinal nicht übel wird bei der Hitze, aber er stammt aus Süditalien, da hoffe ich, dass er die warmen Temperaturen gut erträgt.

Oder dem König von Spanien?

Krethlow-Benziger: Nein, der kommt nicht. Jedoch werden die beiden höchsten Ordensvertreter teilnehmen. Der bereits erwähnte Kardinal-Grossmeister und der Generalgouverneur Leonardo Visconti di Modrone. Das macht einen nervös. Aber wir freuen uns auch, dass wir sie bei uns begrüssen dürfen.

«Es braucht einen gewissen Leistungsausweis, damit man Mitglied werden kann.»

Leonardo Visconti di Modrone ist ein italienischer Ex-Diplomat. Ich vermute, die Mitglieder des Ritterordens bilden einen erlauchten Kreis von beruflich erfolgreichen Menschen in gehobenen Positionen. Da gibt es bestimmt keine Gärtner, Bauern oder Kassiererinnen. Stimmt das?

Krethlow-Benziger: Doch. Wir haben von allem. Nur bei den Kassierinnen bin ich mir nicht sicher. Wir hatten zum Beispiel einen Gärtner, der leider verstorben ist. Er hat auf ganz viel verzichtet, um seinen finanziellen Beitrag leisten zu können. Es braucht einen gewissen Leistungsausweis, damit man Mitglied werden kann.

Inwiefern?

Krethlow-Benziger: Man muss bereit sein, dieses Engagement einzugehen. Man muss bereit sein, für die Christen im Heiligen Land etwas aufzubringen und sich zur Kirche bekennen. Aber der Orden steht allen Männern, Frauen und Geistlichen offen, die dazu bereit sind.

«Wenn jemand ins Heim muss, bleibt er oder sie immer noch Ritter und Dame.»

Sie sprachen vom Gärtner, der finanzielle Opfer erbracht hat. Muss man einen Zehnten abliefern?

Krethlow-Benziger: Nein. Wir verlangen, dass unsere Mitglieder dem Orden eine jährliche Spende leisten. Aber wenn jemand alt wird und ins Pflegeheim muss und deshalb den Betrag nicht mehr leisten kann, bleibt er oder sie immer noch Ritter oder Dame und bleibt im Orden bis zum Tode.

Für einen Gärtner sind 1000 Franken mehr als für einen Manager oder einen Spitzenbeamten.

Krethlow-Benziger: Das ist so. Darum sage ich: Es wird ein gewisses Engagement erwartet. Die Mitgliedschaft ist ja freiwillig. Der jährliche Mitgliederbeitrag gehört da einfach dazu. Aber, wie gesagt, wenn jemand ins Heim muss, bleibt er oder sie Ritter und Dame.

*Donata Krethlow-Benziger (50) leitet seit 2018 als Statthalterin den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. Die promovierte Historikerin arbeitet beim Bourbaki Panorama in Luzern. Krethlow ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.


Investiturfeier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem mit Übergabe des Insignien. | © KNA
20. Mai 2022 | 05:00
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