Margrit Gätzi, Präsidentin Pro Filia Schweiz
Schweiz

Pro Filia: Frauenorganisation mit wenig Geld hilft Frauen mit wenig Geld

Zürich, 6.3.2016 (kath.ch) Mit knappen Finanzen und viel ehrenamtlichem Engagement setzt sich der katholische Frauenverein Pro Filia vor allem für junge Frauen ein. Das sei schon immer so gewesen, sagt Margrit Gätzi, Präsidentin der Pro Filia Schweiz. Dieses Jahr feiert die Organisation ihr 120-jähriges Bestehen. Sie bietet Au-Pair-Vermittlungen, günstige Wohnmöglichkeiten und Bahnhofhilfe an.

Regula Pfeifer

Treffpunkt Beckenhofstrasse 16 in Zürich – da wo die Caritas Zürich, der SKF Zürich und weitere katholische Organisationen ihren Sitz haben, darunter auch Pro Filia. Eine zierliche ältere Frau führt in ein langgezogenes Büro und entschuldigt sich für die engen Platzverhältnisse. Das Büro zeigt, was Gastgeberin Margrit Gätzi im Gespräch erläutert: Die 120-jährige katholische Frauenorganisation lebt auf kleinem Fuss. Das sei schon immer so gewesen, sagt Gätzi. Denn die Organisation wolle ihre Angebote günstig halten, damit sie besonders für Frauen mit kleinem Portemonnaie erschwinglich blieben.

Fundraising, ein harter Job

Vor drei Jahren hat sich die finanzielle Situation der Pro Filia Schweiz zugespitzt. Damals entschieden Fastenopfer und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ), die regelmässige Finanzierung des Sekretariats von Pro Filia Schweiz einzustellen. Seither versucht die Organisation, finanzielle Verluste mittels Fundraising in Grenzen zu halten. Das sei harter Job, findet Gätzi, denn da gebe es viel Konkurrenz. Im Jahr 2014 erhielt Pro Filia von Stiftungen namhafte Beträge und wurde vom Bundesamt für Sozialversicherungen und den SBB unterstützt. So hielt sich der Verlust in Grenzen.

Die katholische Frauenorganisation engagiert dreifach. Sie vermittelt Au-Pair-Aufenthalte innerhalb der Schweiz und ins Ausland beziehungsweise aus dem Ausland. Sie betreibt in der Schweiz acht Häuser, in denen sie günstigen Wohnraum anbietet, und sie bietet die Bahnhofhilfe in verschiedenen Schweizer Bahnhöfen an.

Am gefragtesten ist offenbar das günstige Wohnangebot in den Pro Filia-Häusern. «Von diesen Häusern könnten wir viel mehr haben», sagt Gätzi. Es gebe immer wieder Frauen und auch Männer, die günstigen Wohnraum suchten. Dabei handelt es sich um Berufstätige mit geringem Einkommen, um Mütter mit Kindern, um Studentinnen, aber auch um Gäste aus dem Ausland. «Fast täglich kommen Anfragen um freie Zimmer, die aus Platzmangel negativ beantwortet werden müssen», heisst es dazu im Pro-Filia-Jahresbericht von 2014*.

Günstige Mietpreise – fehlende Renovationsgelder

Die Häuser nehmen nach Vereinbarung mit der jeweiligen Gemeinde auch Sozialhilfebezüger auf. Im Hotel Hottingen in Zürich logierten 2014 beispielsweise 30 durch die Sozialen Dienste vermittelte Personen während durchschnittlich 58 Tagen. Das einzige Pro-Filia-Haus im Tessin, die Casa della Giovane in Lugano, beherbergt ausschliesslich Frauen mit psychischen Problemen. Auch dort ist die Nachfrage gross, wie es im Jahresbericht 2014 heisst.

Die günstigen Mietpreise haben einen Nachteil. Den Kantonalvereinen der Pro Filia fehlt gemäss dem erwähnten Jahresbericht vielerorts das Geld für anstehende grössere Renovationen. Kleinere Verbesserungen werden beispielsweise in der Casa Pro Filia in Olten durch die Hausbewohner selbst durchgeführt.

Bahnhofhilfe im Auftrag der SBB

Ebenfalls unumstritten ist laut Gätzi der Pro-Filia-Einsatz in der Bahnhofhilfe. Den werde es immer brauchen, sagt die Präsidentin. Die kostenlose Hilfe, die die Organisation in den grossen Bahnhöfen anbietet, entspricht laut Gätzi einem Bedürfnis der Passagiere. Besonders aufgrund der grossen Bahnhof-Umbauten sei es für behinderte und ältere Leute immer schwieriger, sich zurechtzufinden. Die Bahnhofhelferinnen und Bahnhofhelfer zeigen verirrten Passagieren den Weg, führen andere zur Apotheke oder zum Arzt oder machen bei Bedarf Angehörige von Hilfsbedürftigen ausfindig.

Finanziell steht die Bahnhofhilfe gut da. Sie basiert auf Verträgen mit den SBB. «Die SBB entlöhnt uns gut», sagt Gätzi. Der Verkehrsbetrieb sei dafür verantwortlich, dass für die Passagiere gesorgt werde und interessiert am Engagement der Pro Filia. «Sonst müssten sie dies selber gewährleisten», so Gätzi. In Genf-Flughafen allerdings löste die SBB den Vertrag mit der lokalen Bahnhofhilfe auf. Diese musste ihren Betrieb per Ende 2014 einstellen.

Wie alle Dienste des katholischen Mädchenschutzvereins beziehungsweise der Pro Filia war die Bahnhofhilfe ursprünglich auf junge Frauen ausgerichtet. Sie hatte zum Ziel, junge Frauen, die auf der Suche nach Arbeit in die Stadt zogen, vor schädlichen Einflüssen zu bewahren, insbesondere vor dem Einstieg in die Prostitution. Heute gilt die Unterstützung älteren und behinderten Menschen.

Auch in der Au-Pair-Vermittlung ist Pro Filia mit rund 500 Vermittlungen jährlich in der Schweiz im Vergleich zu anderen Agenturen gut präsent, wie Gätzi betont. Allerdings hätten sich die Zahlen seit den letzten zehn Jahren halbiert. Dass die angehenden Pflegefachfrauen kaum mehr Au-Pair-Aufenthalte machen, bedauert Gätzi. Den Grund dafür sieht sie in der Tatsache, dass diese jungen Frauen heute direkt nach Schulende mit ihrer Ausbildung beginnen können – und nicht erst mit 18 Jahren, wie früher. Aktuell wenden sich vor allem Schulabgängerinnen und vereinzelt auch ihre Kollegen an Pro Filia, die keine teure Sprachschule bezahlen könnten, um eine Fremdsprache als Au-Pair-Jahr zu erlernen, weiss die Vereinspräsidentin. Vermehrt reisten dabei Westschweizer und Tessiner in die Deutschschweiz.

Nachfolgefrage offen

Was den Verein belastet, ist die Nachfolgefrage. Es sei heute sehr schwierig, Leute zu finden, die sich gern ehrenamtlich engagieren würden. Das sei bei Pro Filia nicht anders als in anderen Vereinen, so Gätzi. Bei Pro Filia ist der Anteil ehrenamtlicher Arbeit hoch. Nur schon die Mitarbeitenden des schweizerischen Dachverbands leisten rund 3000 ehrenamtliche Stunden jährlich, die Kantonalverbände nicht eingerechnet. Auf Freiwilligenarbeit verzichten kann die Organisation nach Einschätzung von Gätzi aber nicht. «Bezahlten wir die Leute, wären unsere finanziellen Probleme noch grösser», so die Präsidentin. Sie sucht auch für ihren Posten eine Nachfolgerin – im Ehrenamt, selbstverständlich.

*Der Pro-Filia-Jahresbericht 2015 ist nach der Absegnung durch die Generalversammlung im Mai 2016 zugänglich.

Margrit Gätzi, Präsidentin Pro Filia Schweiz | © 2016 Regula Pfeifer
6. März 2016 | 15:29
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Das Katholische im Frauenverein

Pro Filia bezeichnet sich laut Homepage als «katholisch und politisch neutral». Das Katholische ist laut Präsidentin Margrit Gätzi daran erkennbar, dass im Vorstand von Pro Filia Schweiz ein geistlicher Begleiter mitwirkt – aktuell der Generalsekretär der Schweizerischen Bischofskonferenz, Erwin Tanner. An den Pro-Filia-Generalversammlungen finde immer ein Gottesdienst statt. Und über Mitgliedschaften seien sie eng verbunden mit anderen katholischen Organisationen, etwa der Caritas Schweiz, den katholischen Schulen und dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund, so die Präsidentin. Auch die Leitung der Pro-Filia-Häuser sei mehrheitlich in katholischer Hand. Die Hilfe, die Pro Filia leistet, ist aber weder an eine Religion noch eine Konfession gebunden.

Ein besonderes katholisches Highlight erlebte Gätzi als Schweizer Vertreterin an der Generalversammlung der Dachorganisation Association Catholique Internationale de Services pour la Jeunesse (ACISJF) im April 2015 in Rom. Papst Franziskus dankte ihr persönlich für ihr Engagement. (rp)