Verein «vom Zölibat betroffene Frauen»: stets steigende Mitglieder-Zahlen

Freiburg i.Ü., 16.3.16 (kath.ch) Der Verein der vom Zölibat betroffenen Frauen in der Schweiz «ZöFra» sucht Entlastung für seine Präsidentin, Gabriella Loser Friedli. An der Generalversammlung von Samstag, 12. März, wurden entsprechende Schritte eingeleitet. Die Mitgliederzahlen des Vereins sind steigend. Dies sei unter anderem auf Beziehungen von aus dem Ausland stammenden Priestern mit Frauen zurückzuführen, sagte die «ZöFra»-Präsidentin gegenüber kath.ch.

Georges Scherrer

Nimmt die Mitgliederzahl bei «ZöFra» stetig zu?

Loser Friedli: Leider immer noch, ja, obwohl ältere Mitglieder sterben. Bei der ersten Erhebung, die wir im Jahre 2003 gemacht hatten, vertrat «ZöFra» 310 Frauen. 2016, 13 Jahre später, sind es 716.

Gemäss Jahresbericht 2015 haben sich auch Männer und Priesterkinder bei Ihnen gemeldet und werden in der Statistik aufgeführt. Wie sieht die Entwicklung bei diesen Zahlen aus?

Loser Friedli: Kurz nach Erscheinen des Buches «Oh Gott! Kreuzweg Zölibat» meldeten sich tatsächlich einige Frauen, Männer und Priesterkinder, die zwar nicht mehr am Zölibat leiden, uns aber sagten, dass die Zahl der Betroffenen höher sind, denn sie seinen uns ja bis anhin unbekannt. Sie gaben uns Namen und Adressen, damit wir auch diese Leidgeprüften beifügen und so unsere Statistik näher an die Realität bringen. Es handelt sich dabei um knapp 30 Personen.

Im Jahresbericht steht, dass fremdsprachige Frauen den Verein vor Probleme stellen. Salopp gefragt: Wo kommen die Frauen her und wie kamen diese mit «ZöFra» in Kontakt?

Loser Friedli: Die verschiedenen Sprachen sind zurzeit tatsächlich ein Problem, weil nur ein Vorstandsmitglied mehrere Sprachen spricht; das heisst, dass alle, die nicht deutschsprachig sind, von der Präsidentin begleitet wurden. Das Sprachproblem haben wir also schon innerhalb der verschiedenen Sprachregionen in der Schweiz. Immer häufiger gibt es inzwischen jedoch Frauen – anerkannte Flüchtlinge oder Asylbewerberinnen –, die in der Schweiz mit Priestern, die aus Afrika, Lateinamerika oder Polen stammen, eine Beziehung eingehen. Die Not der Frauen und die Einsamkeit der Priester, die sich in der Schweiz nicht heimisch fühlen, führt oft zu intensiven Beziehungen, Schwangerschaften und Kindern.

Wir gehen davon aus, dass die Bischöfe ihr Versprechen halten

Am 14. Juli 2014 traf eine Delegation der ZöFra mit Bischöfen zusammen. Dort wurden verschiedene Anliegen angesprochen. Hat ZöFra nun eine Antwort erhalten oder gehen Sie davon aus, dass keine eintreffen wird?

Loser Friedli: Es ist tatsächlich so, dass wir bis zum heutigen Tag keine Antwort erhalten haben. Wir bleiben aber am Ball in dem Sinne, als wir die Bischofskonferenz regelmässig an die ausstehenden, versprochenen Antworten erinnern. Normalerweise klopfen wir in einem Rhythmus von sechs Monaten an. Dem neuen Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der seit Anfang Jahr im Amt ist, wollten wir nicht direkt mit einem Erinnerungsbrief ins Haus fallen. Wir werden das aber demnächst in die Wege leiten. Die Delegierten der SBK hatten uns versprochen, unsere Anliegen ihren Mitbrüdern vorzulegen und mit ihnen darüber zu sprechen. Wir gehen davon aus, dass sie ihr Versprechen halten.

Heute herrscht in der Schweiz zum Teil akuter Priester- und Seelsorgermangel. In Ihrem Jahresbericht verweisen Sie auf die laisierten Priester, also Priester, die von ihren Keuschheits-Versprechen entbunden worden sind. Sie regen an, diese in den kirchlichen Dienst zurückzunehmen. Gehen Sie davon aus, dass dieser Wunsch ein Echo bei den Bischöfen finden wird?

Loser Friedli: Wir haben dieses Anliegen im Juli 2014 mit den Bischöfen besprochen und ihnen gesagt, dass wir viele laisierte Priester kennen, die sehr gerne im kirchlichen Rahmen arbeiten möchten, und dass diese qualifiziert und meistens sehr motiviert sind. Sie in den Dienst zurückzunehmen, könnte den Seelsorge-Notstand unserer Meinung nach entschärfen. Die Bischöfe versprachen, darüber nachzudenken. Ein Problem, das in jüngster Zeit bei mindestens drei Ordenspriestern aufgetreten ist, besteht darin, dass im Laisierungs-Schreiben aus Rom jeweils klar festgehalten wird, dass ein Laisierter nicht mehr in seiner Ursprungsdiözese tätig sein darf.

Laisierte Priester in den Dienst zurückzunehmen, könnte den Seelsorge-Notstand entschärfen

Kardinal Kurt Koch, damals Bischof von Basel, hat von der Bischofskonferenz ein Papier absegnen lassen, wonach laisierte Ordensleute nicht aus anderen Bistümern übernommen werden dürfen. Das heisst, dass de Facto für Ordensmänner in der Schweiz ein Arbeitsverbot besteht, wenn sie in der Kirche arbeiten möchten. Für einige Priester, die wegen Nichteinhaltens der Zölibatsvorschrift aus dem kirchlichen Dienst ausscheiden mussten und heute «selbstverschuldet» arbeitslos sind, sind existenzsichernde Lösungen schwer zu finden. Sie können zudem wegen der sogenannten «Selbstverschuldung» während mehrerer Monate kein Arbeitslosengeld beziehen.

Das Buch «Oh Gott! Kreuzweg Zölibat» löste in der Deutschschweiz ein grosses Echo aus. Ganz anders in der Westschweiz. «Keine Gnade» fand die Übersetzung im französischsprachigen Gebiet, wie Sie im Jahresbericht schreiben. Worauf führen Sie das zurück.

Loser Friedli: Dafür gibt es sicherlich verschiedene Erklärungen, untersucht haben wir das nicht. Es scheint uns jedoch ein kultureller Unterschied zu sein, den wir möglicherweise zu wenig bedacht hatten. So ist zum einen die Westschweiz doch sehr reformiert geprägt und im katholischen Milieu gibt es allgemein viel weniger aufmüpfige Menschen. Was «von oben» kommt und verordnet wird, wird weniger in Frage gestellt als in der deutschsprachigen Schweiz.

Sicherlich war in diesem konkreten Fall die Unterstützung durch den Verlag für das deutsche Buch vorbildlich. Der Auftritt zum Erscheinen des Buchs in der «Sternstunde» des Schweizer Fernsehens, in der «Schweizer Illustrierten» und bei «Tele Züri» gaben ein grosses Echo und zogen Einladungen für Lesungen und Vorträge nach sich. Für das französische Buch gab es nicht einmal eine Vernissage. Interessierte Journalisten haben kein Gratisexemplar erhalten.

Haben Sie Mitglieder in der Westschweiz?

Loser Friedli: In Freiburg, der Waadt und Genf kennen wir 123 betroffene Frauen.

Sie unterhalten Kontakte mit der französischen Organisation «Plein Jour». Gibt es eine Zusammenarbeit von ZöFra und Plein Jour?

Loser Friedli: Es gibt einen regelmässigen Austausch und gegenseitige Besuche. Bei Problemen rufen wir uns an, tauschen Erfahrungen aus. Für die Neuausrichtung des Vorstandes im letzten Jahr zog Plein Jour die «ZöFra» mit ihren Erfahrungen zu Rate. Einen intensiven Austausch haben wir auch mit «Hors les murs» in Belgien und «Oasis Plein Coeur» in Canada, wobei die finanziellen Mittel leider nicht reichen, um gegenseitige Besuche zu organisieren.

Mit welcher Organisation, die dieselben Anliegen wie «ZöFra» vertritt, stehen sie in Deutschland und Österreich in Verbindung?

Loser Friedli: In Deutschland haben wir lose Kontakte mit VkPF, Verheiratete katholische Priester und ihre Frauen. Seit einigen Jahren gibt es jedoch keinen Kontakt mehr mit der deutschen «Initiative der vom Zölibat betroffenen Frauen», die aktuell von in heimlichen Beziehungen lebenden Frauen geleitet wird. Der Kontakt zu den Priesterkindern ist ebenfalls abgebrochen, seit die Kinder erwachsen sind, die sich vor einigen Jahren zusammengetan haben. In Österreich pflegen wir Kontakte, allerdings beschränkt auf Austausch von Informationen und Hinweisen auf Sendungen und Artikel, mit «Priester ohne Amt». Etwas intensiver ist der Austausch mit dem «Netzwerk: zeitgemäss glauben». (gs)

16. März 2016 | 13:06
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Ehrenamt kommt an Grenzen

Neben dem geschäftlichen Teil gab an der Versammlung die zukünftige Gestaltung des Vereins vom Zöibat betroffener Frauen «Zöfra» zu reden. Die jetzige Präsidentin, Gabriella Loser Friedli, leiste einen grossen Teil der anfallenden administrativen und organisatorischen Arbeit, bei der Begleitung der betroffenen Frauen und in der Öffentlichkeitsarbeit. Um für den Verein möglichst bald eine neue Präsidentin zu finden, sei es unumgänglich, eine Entlastung und bessere Arbeitseinteilung zu finden. Jüngere Frauen seien oft berufstätig, haben zudem möglicherweise Kinder und könnten keine Freiwilligenarbeit in so grossem Umfang leisten, hielt der Verein gegenüber kath.ch fest.

Es sei diskutiert worden, ob eine Geschäftsstelle oder ein Sekretariat hilfreich wären, wenn denn dafür die notwendigen finanziellen Mittel gefunden werden könnten. Da alle bei «ZöFra» Freiwilligenarbeit leisteten und die erhaltenen Spenden bis jetzt ausschliesslich für betroffene Frauen und Kinder eingesetzt würden, sei es undenkbar, eine solche Geschäftsstelle aus Spenden zu finanzieren. Die Mitglieder haben beschlossen, neue Geldquellen zu suchen, wobei der Verein darauf bedacht sein werde, unabhängig zu bleiben. (gs)