Erzbischof Marcel Lefebvre, Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., am 1. Juli 1976 in Econe (Schweiz).
Schweiz

Piusbrüder betten Lefebvre um

Die Piusbrüder verlegen das Grab ihres Gründers Marcel Lefebvre. Im September wird der Sarg in die Kirche in Ecône überführt. Theologen kritisieren den Versuch einer Aufwertung.

Raphael Rauch

Der Gründer der Piusbruderschaft ruht bislang in der Friedhofsgruft des Seminars in Ecône (Wallis). Am 24. September ändert sich das: Dann wird «die sterbliche Hülle von Erzbischof Marcel Lefebvre» in die Krypta der Seminarkirche von Ecône überführt, wie die Piusbrüder mitteilen.

Vorhaben läuft seit 2018

Die Umbettung gehe auf einen Wunsch des Generalkapitels von 2018 zurück. «So wird der Zugang zum Grab des Gründers der Bruderschaft St. Pius X. erleichtert», schreiben die Piusbrüder.

«Es ist ein würdigerer Ort für einen Bischof.»

Christian Thouvenot, Generalsekretär der Piusbrüder

Auch bislang war das Grab für die Öffentlichkeit zugänglich – nun erfährt es eine Aufwertung. «Es ist ein würdigerer Ort für die Bestattung eines Bischofs», findet Generalsekretär Christian Thouvenot. «Jeden Tag kommen Menschen, um die Grabstätte zu besuchen. Von ein paar Dutzend bis zu mehreren Hunderten.» Thouvenot rechnet damit, dass auch mehrere hundert Gäste zur Umbettung erscheinen werden.

Streit um Traditionsbegriff

Auf Lefebvres Grabplatte stehen die Worte «Tradidi quod et accepi»: «Ich habe weitergegeben, was ich empfangen habe.»

Laut der Churer Theologin Eva-Maria Faber zeigt sich in der Grabinschrift das traditionalistische Selbstverständnis der Piusbrüder. «Papst Johannes Paul II. hat den Piusbrüdern einen unvollkommenen und widerstreitenden Begriff von Überlieferung vorgeworfen», sagt Faber.

«Die Kirche entwickelt sich weiter.»

Eva-Maria Faber, Theologie-Professorin in Chur

«Für Johannes Paul II. stand fest: Die Kirche entwickelt sich unter dem Beistand des Heiligen Geistes in der Kirche weiter.» Lefebvre sah dies anders – und lehnte die Reformen des II. Vatikanischen Konzils ab.

Versuch einer Aufwertung

Faber geht davon aus, dass die Piusbrüder mit der Umbettung Lefebvre aufwerten wollen. «Dies dient eher einer Verfestigung des Schismas denn einer fortschreitenden Wiederannäherung, zu der es in den vergangenen Jahren einige Vorstösse gab.»

«Die Kirche von Ecône ist keine Kathedrale.»

Martin Klöckener, Theologie-Professor in Freiburg

Auch der Freiburger Theologe Martin Klöckener sieht die Umbettung kritisch. Begräbnisse innerhalb von Kirchen seien heute «eigentlich nur bei Bischöfen in ihrer Kathedrale üblich. Die Kirche von Ecône ist keine Kathedrale, und doch wird mit der Umbettung etwas nachgeahmt, was sonst vor allem bei Bischöfen in ihrer Diözesankirche praktiziert wird.»

Alternative zur Seligsprechung?

Auch Klöckener rechnet damit: Durch die Umbettung solle die Lefebvre-Verehrung gefördert werden. «Von Heiligenkult kann man natürlich nicht sprechen, weil der Gründer der Piusbrüder kein Heiliger der Kirche ist, auch nicht bei den Schismatikern. Dass er aber von seinen Anhängern als heiligmässig verehrt wird, ist kein Geheimnis.»

Bereits bei Lefebvres Beerdigung hatte der deutsche Piusbruder Franz Schmidberger die Seligsprechung Lefebvres gefordert. Eva-Maria Faber sieht in der Umbettung eine Alternative «zur formellen Deklaration einer Person als selig oder heilig», für die es in der Piusbruderschaft infolge des Schismas noch kein offizielles Verfahren gebe.

Diskretes Adieu mit dem Nuntius

Schon Lefebvres Beerdigung 1991 war ein Politikum: Aus der ganzen Welt waren Anhänger des Traditionalisten angereist. Weder der Vatikan noch die offizielle katholische Kirche der Schweiz waren an der Beerdigung vertreten, wie die NZZ damals berichtete.

Allerdings gab es ein paar Tage zuvor ein diskretes Adieu: Der Nuntius in Bern, Edoardo Rovida, und der Bischof von Sitten, Henry Schwery, hatten sich in der Kapelle des Priesterseminars von Lefebvre verabschiedet. Schwery hatte damals den Auftrag, zwischen Rom und Ecône zu vermitteln.

Kurswechsel unter Papst Franziskus

Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und den Piusbrüdern haben sich in den letzten Jahren unterschiedlich entwickelt. Unter Papst Benedikt XVI. gab es Annäherungsversuche. Allerdings hat Papst Franziskus die für die Piusbrüder zuständige Kommission «Ecclesia Dei» aufgelöst. Deren Aufgaben übertrug er der Glaubenskongregation.


Erzbischof Marcel Lefebvre, Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., am 1. Juli 1976 in Econe (Schweiz). | © KNA
11. August 2020 | 09:07
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Schisma mit Rom

Marcel Lefebvre lebte von 1905 bis 1991. Der römisch-katholische Erzbischof wurde zum Anführer katholischer Traditionalisten. Am 1. November 1970 genehmigte der damalige Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg die Gründung der Piusbruderschaft. Erzbischof Lefebvre weihte am 30. Juni 1988 vier Priester zu Bischöfen, um den Fortbestand seiner Priesterbruderschaft zu sichern – gegen das ausdrückliche Verbot des Papstes. Der Vatikan antwortete einen Tag später mit der Exkommunikation.

Die Piusbrüder lehnen das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) ab, besonders die Erklärungen zur Ökumene und zur Religionsfreiheit. Sie feiern ihre Messe nach vorkonziliarem Ritus auf Latein. (kath.ch)