Papst will Barmherzigkeit in Morallehre

Rom, 8.4.16 (kath.ch) Papst Franziskus will mehr Barmherzigkeit in der Anwendung der kirchlichen Morallehre zulassen; grundsätzlich hält er aber an den geltenden Normen zu Ehe und Familie fest. Priester und Bischöfe dürften moralische Gesetze nicht anwenden, «als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft», heisst es in seinem Schreiben über Ehe und Familie, das am Freitag, 8. April, im Vatikan vorgestellt wurde.

Der Papst schreibt, oft sei Barmherzigkeit für Menschen, die in Widerspruch zur katholischen Lehre lebten, in der Kirche an zu viele Bedingungen geknüpft. Das sei «die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen», so das Kirchenoberhaupt in dem Dokument mit dem lateinischen Titel «Amoris laetitia» (Freude der Liebe).

Mehr Respekt vor Gewissensentscheidung des Einzelnen

Grundsätzlich fordert Franziskus von der katholischen Kirche mehr Respekt vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen in moralischen Fragen. Zudem sei stets eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls und eine Güterabwägung nötig. Die Kirche müsse «klar ihre objektive Lehre zum Ausdruck» bringen, dürfe jedoch zugleich nicht «auf das mögliche Gute» verzichten; dies gelte auch, «wenn sie Gefahr läuft, sich mit dem Schlamm der Strasse zu beschmutzen».

Zur umstrittenen Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion äussert sich der Papst in dem Schreiben nicht direkt; auf das Thema Homosexualität geht er nur kurz ein. Zugleich stärkt Franziskus die Rolle der Ortskirchen und der einzelnen Bischöfe. Er gesteht ihnen mehr Eigenständigkeit und Interpretationsspielraum in der Anwendung der kirchlichen Lehre zu.

Papst kritisiert «übertriebene Idealisierung» der Ehe

Papst Franziskus bemängelt in seinem Dokument eine «übertriebene Idealisierung» der Ehe durch die Kirche und mahnt eine realistischere Sicht an. Häufig habe sie ein «allzu abstraktes theologisches Ideal» vertreten. Mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene deutet der Papst an, dass im Zuge einer Güterabwägung ein Kommunionempfang im Einzelfall möglich sein könnte, auch wenn die Betroffenen in ihrer zweiten Beziehung nicht sexuell enthaltsam lebten.

Auf den Umgang mit Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, der unter den Bischöfen ebenfalls besonders umstritten war, geht der Papst nur kurz ein. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften dürften nicht der Ehe angeglichen werden. Zugleich betont er, dass auch solche Formen des Zusammenlebens den Betroffenen «einen gewissen Halt geben». (kna)

 

8. April 2016 | 15:05
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