Gottesdienst zur "Zurich Pride"
Schweiz

Ökumenischer Pride-Gottesdienst in Zürich: «Raum für Erlebnis»

Zürich, 12.6.16 (kath.ch) Ein ökumenischer Gottesdienst zum Abschluss der «Zurich Pride 2016» führte zahlreiche Teilnehmer an den Schwulen-Tagen in der Zürcher Predigerkirche zusammen. Drei Seelsorgende verschiedener Konfessionen hielten statt einer Predigt jeweils eine Betrachtung, die sich an den Worten des Mystikers Angelus Silesius orientierte. Zur Uraufführung gelangten mehrere Lieder des deutschen Dichters, die der Berner Kurt Meier vertont hatte.

Georges Scherrer

Für den ökumenisch breit abgestützten Gottesdienst wurden die Bänke aus dem Innenraum der Predigerkirche in der Zürcher Altstadt entfernt. Der Gottesdienst konnte als Kreis gestaltet werden. So wurde «Raum für ein Erlebnis von Liturgie als gemeinschaftliches Geschehen» geschaffen, wie der römisch-katholische Seelsorger Meinrad Furrer gegenüber kath.ch sagte. Bei der Leitung der Feier standen ihm die reformierte Pfarrerin Irene Schwyn und die christkatholische Pfarrerin Melanie Handschuh zur Seite.

Vertreten waren auch die evangelisch-methodistische Kirche Zürich und der «Zwischenraum». So heisst eine Gruppe von Christen und Christinnen, die sich «angstfrei mit ihrem Glauben, ihrer homo- oder bisexuellen Orientierung oder Transgeschlechtlichkeit» auseinandersetzen wollen.

«Ein solcher Gottesdienst ist schon für sich nichts Selbstverständliches», sagte Furrer gegenüber kath.ch. Er schätzt sich glücklich, dass die drei Zürcher Landeskirchen die Feier auch finanziell und ideell unterstützten. Die Kirchenpflege der Predigerkirche entschied zudem, den Gottesdienst als Gemeindegottesdienst zu feiern.

Ein Kirche für Menschen

Die Feier habe ein Zeichen dafür gesetzt, «dass innerhalb der Kirchen alle Menschen willkommen sind unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität», sagte Furrer zu kath.ch. Der Seelsorger gehörte dem Organisationskomitee der «Zurich Pride» mit dem Ressort Gottesdienst an. Diese Mitarbeit ermöglichte ihm, das Bild einer Kirche zu vermitteln, die, wie erklärte, die Nähe zu den Menschen mit ihren je spezifischen Fragen suche.

Der Gottesdienst nahm das Thema der «Zurich Pride» auf. Vergangenes Jahr fiel er mit dem Flüchtlingssonntag zusammen. Das Thema der Pride 2015 hiess «Gleichstellung ohne Grenzen». Die Feier öffnete das Thema auf die Flüchtlinge und wurde gemeinsam mit «Queeramnesty», einer Untergruppe von Amnesty International Schweiz, organisiert, die sich für Schwule und Lesben und ihren Schutz weltweiten einsetzt.

Aufgrund des Mottos der Pride für 2016 «Team for Love» wurde der Gottesdienst zum Thema «Liebe» gestaltet. Die Liturgie spielte mit der Musik zusammen. Auf eine im traditionellen Sinn gehaltene Predigt wurde verzichtet. Stattdessen hielten die drei Seelsorgenden kurze Betrachtungen zu Worten von Angelus Silesius. «Ich weiss nicht, ob ein Mensch, ohne geliebt zu werden, gut zu leben vermag», sagte die Christkatholikin Melanie Handschuh in ihrer Betrachtung. Der Mensch benötige Beistand, Solidarität und Verbundenheit. Die reformierte Seelsorgerin Irene Schwyn erinnerte an die Beziehung zu Gott, indem sie fragte: «Fallen jene, denen das Lieben nicht gelingt, auch aus der Gemeinschaft mit Gott?»

Liebe als ein Ganzes

Zur Liebe gehöre Berührbarkeit, aber auch Verletzlichkeit, warnte der Katholik Meinrad Furrer. «Uns ist die Botschaft wichtig, dass sich Team for Love nicht auf Zweierkisten beschränkt», sagte Furrer in seiner Betrachtung. Liebe sei nicht einfach ein romantisches Gefühl, sondern eine «Grundhaltung, die Vertrauen und Offenheit braucht». Wenn Liebe nur in der eigenen Person gründe, dann könnten die Erwartungen an sie und an Partner zur Überforderung werden. «Die Frage ist also, wie wir die Liebe einbetten in ein grosses Ganzes, wie wir Netzwerke bauen und pflegen, die unsere Leben tragen, auch wenn Schwierigkeiten auftauchen.»

Neben dem Wort nahm vor allem die musikalische Gestaltung an dem Gottesdienst eine wichtige Rolle ein. So wurden Lieder des Schweizer Komponisten Kurt Meier uraufgeführt. (gs)

Gottesdienst zur «Zurich Pride» | © Georges Scherrer
12. Juni 2016 | 17:15
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«Was ohne Liebe ist, das stinkt vor Gott»

Mit dem Mystiker Silesius hat sich im Vorfeld der Feier der Komponist Kurt Meier ausführlich auseinandergesetzt, der im Auftrag des Leiters der Kantorei zu Predigern Zürich, Johannes Günter, und von Meinrad Furrer die Musik für die Feier komponierte. Als Basis dienten ihm Texte des Barockdichters und des Matthäus-Evangeliums. Aus letzterem wählte er den Text «Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt», wie er im Kirchengesangbuch als erweiterte Fassung «Helft, dass mehr Liebe werde, mehr Licht ins Dunkel fällt!» publiziert ist.

«Helft mit, dass Liebe werde»

Wie Kurt Meier gegenüber kath.ch ausführte, hätten ihn die beiden Texte nicht ganz zufrieden gestellt. Er änderte sie ab in: «Seid das Salz der Erde, seid das Licht der Welt! Helft mit, dass Liebe werde, mehr Licht ins Dunkle fällt!». In der ersten Fassung liest er eine Selbstgerechtigkeit als Versuchung heraus. «Wir sind ja schon das Salz der Erde», bemerkte er gegenüber kath.ch. Liebe werde zu etwas quantifiziert, «was ihr nicht entspricht».

«Liebe» – vielfach missbrauchtes Wort

Angetan zeigte sich der Komponist von den «kurzen, träfen Texten» von Angelus Silesius. Frappierend und heilsam ernüchternd bezeichnet es Meier, dass «bei einem leicht weihevoll klingen könnenden Thema wie Liebe ein Satz steht wie: Was ohne Liebe ist, das stinkt vor Gott, dem Herrn.»

Er habe sich bemüht, «dem Wort entlang zu komponieren, ohne grad programmatisch, illustrativ und plakativ zu werden, aber dennoch den Text deutend zum Erklingen zu bringen, klingend zu deuten, ihn so zu vertonen, dass es für den Chor ausführbar ist». Die Gemeinde soll den Text beim Anhören einigermassen verstehen.

Eine sich selbst immer wieder aufklärende Aufklärung

Das Wort «Liebe» lasse sich wie kaum einen anderen Begriff leicht missbrauchen, dies «sogar auf christlichem Boden, auf dem wir im Pride-Gottesdienst ja stehen». Mit seiner Textwahl wollte Meier einem «weltlichen» wie «geistlichen» Liebes-Verständnis entgegenwirken.

Vertonen wolle er nicht ein «geistliches oder weltliches kuscheliges Wohlfühlen». Vielmehr gehe es um «Politik, durchaus auch im Sinn von Paulus im Galaterbrief, was wenigstens kirchenpolitisch relevant sein dürfte, wo es heisst: In der Kindschaft Gottes gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau, denn wir alle sind eins in Christus Jesus.» Da habe Fundamentalismus jeglicher Art keinen Platz, sagte Meier, der «von einer sich selbst immer wieder aufklärenden Aufklärung auch in religiösem Zusammenhang überzeugt ist».

Wie weit und ob überhaupt solches mit «Musik» zum Ausdruck gebracht werden könne, sei nun die Frage. Er wolle das «Wort» deuten und nicht illustrieren. Er will die Bedeutung ansprechen und dies im Geiste des Evangeliums anspruchsvoll und fordernd. «Meine Musik ist avantgardistisch gesehen harmlos, gibt aber Ausführenden und Zuhörenden offenbar doch mehr und genug zu kauen, als dass sie nur einfach glatt hinunterginge.» (gs)