Andreas Rosar und Marco Schmid
Schweiz

Neue Luzerner City-Pastoral plant Projekt «Living Stones»

Luzern, 23.3.17 (kath.ch) Luzern wird auch kirchlich urban: Seit Oktober bauen die Theologen Marco Schmid und Andreas Rosar in der Touristenmetropole eine City-Pastoral auf. Eine ihrer Ideen ist: Junge, kunstaffine Gläubige sollen Passanten die Luzerner Kirchen zeigen.

Sylvia Stam

Luzern an einem Mittwochmorgen. Scharen von Touristen, Passanten, Angestellten tummeln sich in der Luzerner Innenstadt. Nicht wenige von ihnen verirren sich auch in die kleine Peterskapelle, die in der Verlängerung der Kapellbrücke am rechten Reussufer liegt. «Ständig gehen Touristen in die Kirche, aber niemand macht etwas!», sagt Marco Schmid. Der Theologe aus Freiburg (Schweiz) bildet gemeinsam mit dem Deutschen Andreas Rosar seit Oktober das City-Pastoral-Team der Kirche Stadt Luzern.

Bei solchen Menschen, die sich auch zufällig in der Kirche einfinden, will das Männer-Duo mit einem seiner Angebote ansetzen, dem Projekt «Living Stones» (lebendige Steine): Junge, kunstaffine Gläubige zwischen 18 und 35 Jahren sollen interessierten Passanten die Luzerner Kirchen zeigen. Dabei sollen die Besucherinnen und Besucher auch spirituell angesprochen werden. «In der Vermittlung von Kunst und spirituellem Gehalt soll das spirituelle Feuer überspringen», so Schmid, der bei diesem Thema sichtlich aufblüht.

Der Schnelllebigkeit etwas entgegensetzen

Schmid und Rosar denken auch an Präsenzzeiten, um Menschen, die die Kirchen besuchen, ansprechen zu können; um der Kirche ein «Willkommensgesicht» zu geben. «Die Kirchen sind voll von Touristen, aber wir machen nichts!», stellt Schmid etwas erstaunt fest.

Er kann sich in der Touristenmetropole Luzern auch Führungen vorstellen, die bis zum interreligiösen Dialog gehen können, etwa für «die Araber auf dem Bürgenstock», oder an Führungen für in Luzern ansässige Muslime. «Wir möchten damit auch der Schnelllebigkeit unserer Zeit etwas entgegensetzen, indem wir zum verweilenden Hinschauen anregen», ergänzt Rosar. Die Idee zu «Living Stones» stamme von einem Jesuiten und sei in verschiedenen Städten Europas bekannt.

Dass sich bislang erst einzelne junge Menschen dafür interessieren, mag auch an der Kommunikation liegen: Flyer, Infoabend, Pfarrblatt und Homepage der Katholischen Kirche Stadt Luzern. «Unseren Social Media-Auftritt müssen wir erst noch aufbauen», gibt Schmid denn auch unumwunden zu. Da der City-Pastoral die Strukturen einer Pfarrei fehlen, kann sie nicht auf ein bestehendes Netz von Freiwilligen zurückgreifen, die solche Führungen übernehmen könnten. Wie sie die «Ansprechbarkeit» garantieren möchten, ist daher noch weitgehend offen.

Gemeinschaft auf Zeit

Denn gleichzeitig wollen Schmid und Rosar «nicht vereinnahmen». Dies nennt Rosar geradezu als eines der Kennzeichen von City-Pastoral: «Die Menschen, die unsere Angebote nutzen, bilden eine Gemeinschaft auf Zeit. Sie wollen nicht gleich für alle möglichen Aufgaben akquiriert werden». Umgekehrt will die City-Pastoral dann präsent sein, wenn die Pfarreien dies nicht sind: an Randzeiten etwa oder mittags. Die Angebote sollen zudem «liturgisch niederschwellig» sein.

Ein Beispiel dafür ist «Zwölf nach zwölf», ein Angebot, das während der Fastenzeit täglich stattfindet: Während zwölf Minuten können Besucherinnen und Besucher in der Peterskapelle klassischer Musik, einem biblischen Text und einem Impuls zuhören. Und dann wieder gehen, «ohne etwas bieten zu müssen. Die Menschen dürfen einfach sein», umschreibt Schmid die Idee.

Potenzial der Scharnierzeiten nutzen

Überhaupt sehen die beiden noch viel Potenzial in den «Scharnierzeiten», wie sie es nennen. Jene Zeiten, in denen ein Tagesabschnitt in einen anderen übergeht. «Eigentlich sind das klassische liturgisch geprägte Zeiten», erklärt Rosar. Wie sie diese mit «neuen liturgischen Formen» gestalten möchten, wie die City-Pastoral sie anbieten soll, dazu sind erst Stichworte wie «Jazzvesper» oder «nachts» zu erfahren. Vieles sei im Gespräch, noch wenig spruchreif.

Damit liefern die beiden Theologen gleich selber ein Beispiel dessen, was sie über den Begriff «City-Pastoral» sagten: «Der Inhalt ist im dauernden Wandel», so Rosar.

Spagat zwischen Wünschen der Nutzer

Flexibilität ist also gefragt. Dies gilt auch mit Blick auf die anderen Nutzer der Peterskapelle: Neben der Eingangstür hängen auch Plakate der Legio Mariens und Einladungen zu einem Sühnegebet. An Sonntagen wird die Kapelle von der italienisch-, der französischsprachigen sowie von der tamilischen Mission benutzt. Auch alte Vereine wie der Schiffahrtsverein, die Malteser oder eine Studentenverbindung feiern hier Gottesdienst. «Die Peterskapelle war im Unterschied zur Hof- und zur Jesuitenkirche immer eine Kirche der Leute», sagt Rosar, «diese Tradition soll fortbestehen. Wir wollen diese Heterogenität zulassen.» Einige Nutzer hätten anfänglich Zweifel und Ängste bezüglich der City-Pastoral gehabt. Man sei aber in gutem Gespräch mit ihnen, sagt Schmid.

Dass die Vielfalt der Nutzer bisweilen einen Spagat erfordert, wird an den Diskussionen rund um die anstehende Renovation und Neugestaltung der Kapelle ersichtlich. Während die einen statt der Kirchenbänke flexiblere Sitzgelegenheiten wünschen, ist für andere eine Kniebank unabdingbar. Auch die Frage, ob die Marienstatue nach der Renovation in der Kirche bleibt und wo genau sie allenfalls stehen wird, ist offenbar ein Politikum. Insgesamt soll die Kapelle, deren Innenausstattung bisher eher dunkel ist und etwas abschreckend wirkt, jedenfalls lichter werden.

Ökumenische Zusammenarbeit mit dem Stadttheater

Rosar und Schmid nehmen diese Diskussionen gelassen, ebenso die Frage, wo die City-Pastoral während der einjährigen Umbauzeit Unterschlupf finden soll. Es müsse nicht zwingend eine Kirche sein, entgegnen sie auf die Frage, ob die in unmittelbarer Nähe liegende reformierte Matthäuskirche eine Option sei. Mit dieser stehe man in regem Austausch, schon über die gemeinsam gestalteten Theatergottesdienste, die in Luzern schon länger Tradition haben. Der rege Austausch zwischen den beiden Kirchen soll künftig noch intensiviert werden, sagt Schmid, und erwähnt zwei weitere Theaterprojekte.

Die Erfahrungen mit den bereits bestehenden Angeboten werten beide als positiv: Bei Theatergottesdiensten, die in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Theater entstehen, sei die Kirche jeweils voll, zum Mittagsimpuls komme bisher eine altersmässig sehr durchmischte Gruppe von durchschnittlich gut ein Dutzend Personen. Eine Vortragsreihe zum Thema «Wahrheit» beginnt dieser Tage. Allein die Ankündigung, dass einer der Redner Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger sein wird, hat in den Medien bereits ansehnlichen Niederschlag gefunden.

Andreas Rosar und Marco Schmid | © Sylvia Stam
24. März 2017 | 12:10
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