Charta wird einstimmig angenommen
Schweiz

Neue Muslim-Charta betont Bedeutung des Individuums

Biel, 27.11.17 (kath.ch) Eine «Charta der muslimischen Bürger und Bürgerinnen der Schweiz» wurde in Biel am Samstag verabschiedet. Dies geschah im Rahmen einer «Landsgemeinde», an der die Rolle des Islam in der Gesellschaft diskutiert wurde.

An der Veranstaltung nahmen gemäss der Nachrichtenagentur SDA am 25. November rund sechzig Personen teil, darunter auch Politiker. In einer Diskussionsrunde forderte der Berner SVP-Nationalrat Manfred Bühler, dass die Muslime sich organisieren.

Gegenüber dem Westschweizer Fernsehen (RTS) präzisierte er seine Aussagen. Die Muslime müssten ihre Aufgaben intern lösen, damit sie sich glaubwürdig und vollumfänglich zu einem Bund auf Kantons- oder Bundesebene zusammenschliessen könnten. Dann erst könnten sie eine Anerkennung einfordern.

Der Einzelne ist gefordert

Mit der Forderung des SVP-Mannes Bühler nach einer «Gemeinschaft» der Muslime kann der Mitorganisator der «Tagsatzung», Mohamed Hamdaoui, nichts anfangen. Der Bieler Stadtparlamentarier und Berner Grossrat setzt andere Prioritäten. «Wenn wir schweigen, wirft man uns vor, nichts zu sagen, und wenn wir uns äussern, ist es auch nicht recht.»

Es sei darum wichtig, dass einzelne Muslime das Wort ergreifen und dieses nicht andern überlassen, auch nicht jenen, die im Namen eines Islam reden «in welchem wir uns nicht wieder erkennen», sagte der Politiker gegen der  Westschweizer Tagesschau.

Die Islamfeindlichkeit «tut uns weh», sagte Hamdaoui weiter. Er möchte nicht von Ausgrenzung reden, weil mit dieser das Wort «Opfer» einhergehe. Man solle die Muslime nicht in einer vordefinierten Schublade versorgen, sondern diese als «Individuen» und «Bürger» wahrnehmen.

Die Muslime in der Schweiz seien zuallererst Einzelpersonen, die seit Jahren «eine Ohrfeige nach der anderen erhalten. Wir halten gern unsere Wange hin, aber nur, wenn man uns endlich einen Kuss auf diese gibt», so Hamdaoui.

Keine Gruppe von Vereinigungen

Die am Samstag verabschiedete Charta soll nun den Weg für die individuelle Wahrnehmung der Muslime ebnen. Sie soll dahingehend ausgearbeitet werden, dass sie juristisch schlüssig ist. Danach können all jene Muslime das Dokument unterschreiben, die es wünschen.

Mohamed Hamdaoui wünscht sich, dass durch diese Charta die Muslime nicht als eine Gruppe von Vereinigungen wahrgenommen werden. Vielmehr soll jeder einzelne mit seiner Unterschrift seine Zugehörigkeit zur Schweiz unterstreichen.

Die Charta im Einzelnen

In dem Text geht es darum, jeglichen religiösen, politischen und interkulturellen Extremismus zurückzuweisen, schreibt die SDA. Er rufe weiter dazu auf, den Dialog zu verstärken und die religiösen Besonderheiten zu respektieren.

Ein Artikel verlange Respekt und Gleichbehandlung aller Religionen, ein weiterer beinhalte die Garantie, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ihre Überzeugungen ausdrücken und ihren Glauben privat und öffentlich leben könne, aber immer in Übereinstimmung mit den Verfassungsbestimmungen.

Auch die Gleichstellung von Mann und Frau, die Notwendigkeit einer Ausbildung von Imamen, der Vorrang des Gesetzes vor der Religion und die Notwendigkeit, die Fragmentierung der Gesellschaft zu bekämpfen, würden im Text erwähnt.

Bereits zwei Dokumente

Bei der Bieler Charta handelt es sich nicht um die erste, die in der Schweiz ausgearbeitet wurde. Eine solche kennen bereits die albanischen Muslime in der Schweiz. In Bosnien unterzeichneten der Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Gottfried Locher, und Grossmufti Husein Kavazović eine weitere Absichtserklärung, die sogenannte «Sarajevo Message». Diese will die Integration der Muslime unter Berücksichtigung der Schweizer Werte fördern. (gs)

Charta wird einstimmig angenommen | © screenshot rts.ch
27. November 2017 | 12:58
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