Li Hangartner im Dachraum des Romerohauses Luzern
Schweiz

«Mein Steckenpferd war feministisch-befreiungstheologisch»

Luzern, 6.5.17 (kath.ch) Die katholische Luzerner Theologin Li Hangartner hat nicht per Zufall das Romerohaus und die Frauenkirche Zentralschweiz mitgeprägt. Die Weichen dazu stellte ein Aufenthalt in Indien während ihres Studiums. Dort lernte sie die Befreiungstheologie und die feministische Theologie kennen. 

Regula Pfeifer

Im Romerohaus Luzern wollte sich Li Hangartner treffen, um auf ihren Berufsweg zurückzublicken. Der Ort habe sie lange geprägt und sie habe den Ort geprägt, erklärte sie, und dafür sei sie dankbar. Die Theologin ist seit 28 Jahren im Luzerner Bildungshaus tätig. Von 1993 bis 2015 leitete sie den Veranstaltungsbereich.

Der Namenspatron

Das Romerohaus orientiert sich an den Ideen seines Namenspatrons, des Befreiungstheologen Oscar Romero, wie Hangartner unaufgeregt erklärt und dabei ihre hellblauen Augen auf ihr Gegenüber richtet. Auskunft gibt sie in einem kleinen, nach Holz riechenden Sitzungsraum dieses Backsteingebäudes – mit Blick auf den begrünten Innenhof.

Nicht sie allein habe das Programm des Bildungshauses geprägt, berichtigt Hangartner – eine Feststellung, die sie auch in anderen Zusammenhängen immer wieder macht. Im Romerohaus hätten mehrere Personen mit unterschiedlichen Profilen und Hintergründen intensiv zusammengearbeitet und gemeinsam das Programm gestaltet. «Jeder hatte dabei sein Steckenpferd», so Hangarnter. Ihres war das feministisch-befreiungstheologische. «Dafür steht mein Name», betont Hangartner.

Mitbegründerin feministischer Projekte

Sie war jeweils mit dabei, wenn ein neues feministisches Projekt entstand. Sie hat 1985 die feministisch-theologische Zeitschrift «Fama» mitbegründet, 1987 den Verein Frauenkirche Zentralschweiz und 1991 die Interessengemeinschaft Feministische Theologinnen der deutschen Schweiz und Liechtensteins. Der «Fama» blieb sie bis 2006 als Redaktorin treu, der Frauenkirche als Leiterin der Fachstelle Feministische Theologie von 1989 bis 2008.

«Alle diese Projekte, die in jenen Jahren entstanden, entsprachen meinen Anliegen», erklärte Hangartner. Auch die 1997 lancierte «Stattbar» im Luzerner Pfarreizentrum Barfüsser gehörte dazu. Deren letzte Veranstaltung am 31. März leiteten Li Hangartner und ihr Mann, der Theologe Fulbert Steffensky. Nach dem Jahrtausendwechsel – konkret 2008 – war Hangartner eine der Initiantinnen der Interreligiösen Frauengruppe in Luzern.

Prägende Begegnungen mit Befreiungstheologinnen

Die Kontakte aus den feministischen Projekten nutzte die Theologin für die Veranstaltungsplanung im Romerohaus. Auch umgekehrt lief der Informationsfluss. Die Befreiungstheologinnen aus dem Norden und dem Süden, die im Romerohaus auftraten, «entwickelten uns als feministisch-theologische Bewegung in der Schweiz weiter», so Hangartner. Sie brachte Catharina Halkes aus den Niederlanden ins Haus, Dorothee Sölle aus Deutschland, Ophelia Ortega aus Kuba und einige mehr. «Das waren für mich prägende Begegnungen und Erfahrungen», sagt Hangartner mit Nachdruck.

Aus den Begegnungen entwickelten sich Freundschaften, besonders mit Frauen, die mehrmals im Bildungshaus auftraten und da auch übernachteten. Dorothee Sölle und ihr Mann blieben oft für eine Woche, wenn sie einen Vortrag oder eine Tagung bestritten. «Das gab natürlich Freundschaften fürs Leben», sagt Hangartner. Dies gilt insbesondere für den Ehemann der verstorbenen Dorothee Sölle: Fulbert Steffensky ist heute Hangartners «grosse Liebe», wie sie sagt und lacht.

Freundschaften fürs Leben

Der ehemalige deutsche Benediktinermönch, evangelische Theologe und Publizist und die katholische feministische Theologin sind vor zehn Jahren kirchlich getraut worden – im Dachraum des Romerohauses, von einem befreundeten lutherischen Pfarrer. Seit fünf Jahren nun lebt Steffensky in Luzern. «Unser theologischer Austausch war entscheidend verantwortlich dafür, dass wir unsere Fernbeziehung so lange aufrechterhalten konnten», findet Hangartner.

Sie fühle sich ganz daheim in Steffenskys Anliegen, die reiche Tradition für heute fruchtbar zu machen, erklärt Hangartner ihre theologische Verbundenheit. Dabei gehe es unter anderem darum, alten, verfehmten Begriffen – etwa Barmherzigkeit oder Verzicht – etwas abzugewinnen. Auch sie wolle ihre Gottesdienste in einer Sprache halten, mit der heutige Menschen etwas anfangen könnten. Dabei war ihr die achtjährige Zeit als Radiopredigerin bei Radio DRS (heute SRF) eine «gute Schule», wie sie sagt. Denn da erhielt sie Feedback von den Sendemacherinnen, etwa wenn etwas sprachlich unklar war.

Wendepunkt in Indien

Dass die damalige Studentin in Freiburg (Schweiz) der Theologie überhaupt treu blieb, hat mit zwei theologischen Bewegungen zu tun. Bei einem Aufenthalt in Indien lernte sie das befreiungstheologische Engagement der Jesuiten kennen und begegnete starken Theologinnen mit feministischem Ansatz.

Zurück in Luzern war ihr klar: Sie wollte ihr Theologiestudium nicht abbrechen, sondern zu Ende führen – was ihr als junge Mutter eines Kleinkinds gelang. «Damals konnte ich mir zwar nicht vorstellen, in der Kirche Arbeit zu finden», so Hangartner. Tatsächlich habe sie dann «eher am Rand» der kirchlichen Einrichtungen gearbeitet. «Doch ich hatte immer das Gefühl: Was wir hier machen, ist zentral Kirche», sagt Hangartner und beruft sich auf Marga Bührig, eine feministisch-theologische Vordenkerin. «Wir Frauen sind Kirche. Worauf warten wir noch?», soll die reformierte Theologin an der allerersten Frauensynode gesagt haben.

Kämpferin für Gender-Gerechtigkeit

Von der katholischen Kirche fordert die katholische Theologin Gendergerechtigkeit, eine Öffnung der restriktiven Sexualmoral und ein modernes Frauenbild. Es müsse ernst gemacht werden mit dem biblischen Satz: «Und Gott schuf sie als Mann und Frau». Diesen Satz müsse die Kirche «in jeder Hinsicht umsetzen und theologisch sowie moraltheologisch begründen». Im Moment aber seien alle Äusserungen des Vatikan eine Verleugnung dieses Satzes, so Hangartner.

Ihre Meinung äussert sie in Kursen, Veranstaltungen, in den Medien und in Publikationen. Offen angegriffen dafür wurde sie kaum. Einzig ihre Radiopredigt über Missbrauch in der Kirche habe ihr einen bösen anonymen Brief beschert, erzählt Hangartner. Widerstand war auch bei der Finanzierung der Fachstelle für feministische Theologie spürbar. Erst nach mehreren Anläufen bekam das Projekt von den beiden Landeskirchen im Kanton Luzern eine 40-Prozent-Stelle finanziert – im ökumenischen Schlüssel.

Reise auf den Spuren des Islam

Per Ende Mai wird Hangartner pensioniert, aufgehört hat sie wegen Ferienbezügen bereits jetzt. Nun freut sie sich auf eine zweiwöchige Reise durch Usbekistan. Mit einer Reisegruppe folgt sie den Spuren des Islam. Danach wird sie freiberuflich und ehrenamtlich tätig sein. Das heisst, weiterhin Gottesdienste im Maihof Luzern halten, sich um das Spitexprojekt Krajiska Suza in Bosnien kümmern, das die Frauenkirche Zentralschweiz initiiert hatte, in der Vernetzungsgruppe der Migrationscharta mitwirken und anderes mehr.

Li Hangartner im Dachraum des Romerohauses Luzern | © Regula Pfeifer
6. Mai 2017 | 10:00
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