Maria Himmelfahrt ist eine Stille Streetparade
Schweiz

Maria Himmelfahrt als «stille Streetparade»

Luzern, 15.8.17 (kath.ch) Am 15. August feiern die Katholiken Maria Himmelfahrt. Der Tag soll, wie der Name schon sagt, daran erinnern, wie Maria in den Himmel aufgenommen wurde. Der Theologe Stephan Schmid-Keiser verbindet diesen Tag jedoch noch mit was anderem: Mit der Streetparade.

Stephan Schmid-Keiser

Maria aus Nazareth – Mutter von Jesus ist «mit Leib und Seele» aufgenommen in das Reich der Himmel. Als am Allerheiligen-Tag 1950 Papst Pius XII. die Aufnahme von Maria ‹mit Leib und Seele› zum Dogma erklärt hatte, verwirrte dies nicht wenige. Zustimmend äusserte sich der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung und meinte, es gehe hier um eine «geniale Antwort der Kirche auf das weit verbreitete Lebensgefühl des Nihilismus» und deutete den Lehrsatz gar so: «Die Menschheit braucht in der Gestalt der göttlichen Frau eine transzendente Verankerung, um heil, um ganz zu werden.»

Gleichzeitig Leichnam und Kind

Nach der massiven Menschenverachtung und den unglaublich-zerstörerischen Experimenten mit Menschen im 2. Weltkrieg – setzte also die Stimme der Kirche dazu einen starken Kontrast. Die orthodoxen Mitchristen im Osten sagten bereits seit dem 5. Jahrhundert, Maria sei entschlafen. Wie man auf Ikonen erkennen kann , wird Maria nach ihrem Tod zwar als Leichnam im Sarg, doch ebenso als in Windeln gewickeltes Kind in den Armen des Gottessohns gezeigt. Dieser hält die Seele Mariens den Engeln zur Verehrung hin.

Die»stille Streetparade»

Die Szenerie ist wie eine stille Streetparade einer Gottbegabten, die für immer zu den «unscheinbaren Armen» (Marie-Luise Gubler) der Weltgeschichte gehört. Darum ist das Fest Maria Aufnahme in den Himmel Symbol für die Sehnsucht nach Heilung aller zerschlagenen Hoffnungen und schenkt Sinn allen, die an ihre Grenzen stossen. Maria Himmelfahrt – wie das Fest in unseren Gegenden genannt wird – vermittelt gleichzeitig die Freude am Leben, seinen Gerüchen (Kräutersegungen!) und wertet Leib und Seele als göttliches Geschenk.

«Liebe schafft Platz für das Verständnis von Anders-Denkenden.»

Die Freude am Leben ausgelassen ausdrücken, ist das gemeinsame Ziel einer Streetparade. Alle, die mitmachen, feiern ‹mit Leib und Seele› und bekennen sich dazu. Im Jahr 2000 etwa lautete das Motto auf Zürichs Strassen: «Believe in Love». Oben auf dem Love-Mobil stellt sich wie üblich eine ganz spezielle Gemeinschaft selber dar. Hoch auf dem roten, gelben, schrillen, lauten Wagen rollt ein Glaubensbekenntnis nach dem anderen. Glaubensbekenntnis? Ja, weil ich beim Lesen der Streetparade-Borschüre auf dieses Bekenntnis stiess: «Auch wenn nur ein paar wenige an eine gemeinsame Idee glauben, kann die Welt verändert werden.

Die Streetparade löst ein mitreissendes Glücksgefühl au.

Liebe schafft Platz für das Verständnis von Anders-Denkenden und fördert eine Zukunft für uns alle. Die Grundhaltung, den Gegensatz zu tolerieren und die unterschiedlichen Lebenseinstellungen zu akzeptieren, ist die Basis für Frieden, Liebe und Toleranz.» Gleichzeitig wurde erläutert, was das Ganze soll: «Am Tag der Street Parade lösen unsere Rhythmen von House und Techno ein mitreissendes Glücksgefühl aus. Wir tanzen zusammen auf den Strassen und geniessen das Leben. Jeder einzelne Teilnehmer demonstriert mit seiner Präsenz seinen Beitrag für eine friedliche, tolerante, liebevolle und grosszügige Welt.» Im Vergleich mit 2000 hat sich beim Motto für 2017 wenig geändert – auch säkulare Rituale feiern auf den Pfaden ihrer eigenen Tradition.

Nach der Streetparade ist vor der nächsten

Und die findet ohne wummernde Bässe jedes Jahr am 15. August als eine stille Parade am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel statt. Auf ihrem Love-Mobil haben alle ihren Platz, die auf den Strassen der Welt unscheinbar auf den Gott der Kleinen und Unterdrückten setzen – die als Verdammte dieser Erde ausgegrenzt sind, weil ihre Körper zerschlagen und ihre Seelen zerknittert sind. Sie haben vor sich das Bild der Maria aus Nazareth und rufen ihr zu: «Du hast es geschafft! Gehst mit Leib und Seele dem Himmel entgegen! Auf dich setzen wir, weil du selber den Song der grossen Befreiung ausgerufen hast! Maria, du erinnerst dich, wie du bei Elisabet auf Besuch warst und sie überrascht war!»

Zürcher Streetparade | © pixabay.com CC0

«Bald danach machte sich Maria auf den Weg und eilte zu einer Stadt im Bergland von Judäa. Dort ging sie in das Haus von Zacharias und begrüsste Elisabet. Als Elisabet ihren Gruss hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde sie vom Geist Gottes erfüllt und rief laut: ‘Gesegnet bist du von Gott, auserwählt unter allen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Wie komme ich zu der Ehre, dass die Mutter meines Herrn mich besucht? Ja, das bist du; denn in dem Augenblick, als dein Gruss an mein Ohr drang, machte das Kind einen Freudensprung in meinem Leib. Du darfst dich freuen, denn du hast geglaubt, dass sich erfüllen wird, was der Herr dir ankündigen liess.’»

Marias Song der Befreiung

Maria aber sprach: ‹Mein Herz preist den Herrn, alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter! Ich bin nur seine geringste Dienerin, und doch hat er sich mir zugewandt. Jetzt werden die Menschen mich glücklich preisen in allen kommenden Generationen; denn Gott hat Grosses an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur anderen. Jetzt hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen weg samt ihren Plänen.

Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Er hat an seinen Diener Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt. Wie er es unsern Vorfahren versprochen hatte, Abraham und seinen Nachkommen für alle Zeiten.› Maria blieb etwa drei Monate bei Elisabet und kehrte dann wieder nach Hause zurück.» (Lukasevangelium 1,36-56)

Nach der Streetparade ist vor der nächsten! Nach dem Song der Maria aus Nazareth ist vor Deinem nächsten Einsatz für Unterdrückte, Hungernde, Frustrierte und für mehr Freude am Leben im gewöhnlichen Alltag.

*Stephan Schmid-Keiser ist Theologe, interimistischer Redaktor der Schweizer Kirchenzeitung SKZ.

Maria Himmelfahrt ist eine Stille Streetparade | © pixabay.com CC0
15. August 2017 | 06:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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