Gerhard Pfister, CVP-Präsident und Zuger Nationalrat
Schweiz

Gerhard Pfister: «Macht die Kirche Politik, ist sie ‹Partei› wie jede andere»

Mit Gerhard Pfister wird in kurzer Zeit ein Politiker an der Spitze der CVP Schweiz stehen, der seine katholische Herkunft nicht hinter dem Berg hält. Der Zuger Nationalrat ist Präsident der Kageb, der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung der Schweiz und Liechtensteins, und spricht in Sachen Kirche Klartext.

Martin Spilker

Welche Bedeutung gibt ein langjähriger CVP-Politiker der katholischen Kirche im Jahr 2016?

Gerhard Pfister: Eine politische und eine persönliche. Die politische Bedeutung: Die Kirche ist eine anerkannte öffentliche Institution. Sie hat ihre Meinung und ihre Anliegen in die öffentliche Diskussion einzubringen. Sie sollte dies nicht missionarisch tun, sondern sich den Gegebenheiten der politischen Diskussion bewusst sein: Niemand hat dort das Recht auf die Wahrheit, niemand hat eine besondere Autorität, die ihn davon ausnimmt, politisch zu argumentieren. Einfach gesagt: wenn die Kirche Politik macht, ist sie eine «Partei» wie jede andere.

Die persönliche Bedeutung: Die Kirche ist für mich institutionelle spirituelle Heimat.

Ich masse mir nicht an, der Kirche Ratschläge zu geben

Wo hat die katholische Kirche Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf?

Pfister: Das muss sie selbst wissen. Ich masse mir nicht an, der Kirche Ratschläge zu geben. Vielleicht eine kleine Bemerkung dazu, basierend auf meinen subjektiven Wahrnehmungen und Erlebnissen mit Vertretern kirchlicher Organisationen: ich stelle manchmal fest, dass man sich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, und mit internen Diskussionen Zeit verbringt, deren Inhalte für die Aussenwelt völlig irrelevant sind. Viel Energie wird für Interna verschwendet, die man besser nutzen sollte, um die Kirche nach aussen zu vertreten. Etwas mehr unternehmerische Organisation wäre vermutlich nützlich.

Umgekehrt: Wo braucht die CVP das Korrektiv der katholischen Kirche?

Pfister: Die CVP braucht kein Korrektiv der Kirche, sollte aber den Kontakt mit Exponenten der Kirche wieder intensivieren, um in einen guten Dialog zu kommen. Das war meines Erachtens vor zehn Jahren besser. So kann man auch das Verständnis für die gegenseitigen – unterschiedlichen – Bedürfnisse und Herausforderungen stärken, und die Gemeinsamkeiten besser nach aussen vertreten.

Die christliche Botschaft ist immer auch eine politische. Wo sehen Sie den Platz der Kirchen in der politischen Meinungsfindung?

Pfister: In einer freien Zivilgesellschaft ist der Platz der Kirchen politisch der gleiche wie für jede andere Institution. Sie agiert dann wie eine Partei, und muss sich gefallen lassen, auch als eine solche behandelt zu werden. Ich habe Mühe, wenn die Kirche – oder einzelne Exponenten – aus einem theologisch motivierten Anspruch so tun, als hätten sie deshalb einen höheren Wahrheitsanspruch – oder wenn man christlich mit sozialistisch gleich setzt. Die Bedürfnisse der Wirtschaft finden zu wenig Beachtung durch die Kirche, dabei ist es doch diese, die den Menschen Arbeit und damit auch Würde verschafft.

Wer austeilt, muss einstecken können

Das Verhältnis Kirche-Politik ist nicht immer konfliktfrei. Wo sehen Sie Grenzen politischer Aktivitäten der Kirchen?

Pfister: Das sehe ich eher locker. Es ist die Entscheidung der Kirche, wie weit sie sich politisch aus dem Fenster hinaus lehnen will. Einige Vertreter des Klerus sind ja recht aktiv auf Twitter unterwegs. Dort gilt halt die Devise: Wer austeilt, muss einstecken können. Und das Kerngeschäft der Kirche sollte die Politik schon nicht werden, dafür reden wir Politiker ja auch nicht in die Gestaltung der Messe rein.

Was wäre – als künftiger CVP-Präsident – Ihr Wunschthema bei einem Gespräch mit dem Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz?

Pfister: Oh, da könnte ich mir sehr viele Themen vorstellen! Mein Lieblingsthema aber wäre die Trennung von Kirche und Staat, ob die Chancen dieses Modells mittlerweilen die Risiken nicht überwiegen… Da fände ich es sehr spannend, die – womöglich unterschiedlichen – Meinungen der Bischöfe kennen zu lernen.

Hat – oder braucht – die katholische Kirche in Bern eine Lobby?

Pfister: Meines Wissens hat sie keine, oder dann keine, die stark präsent wäre. Ob sie eine braucht? Finde ich mindestens prüfenswert, dass die Landeskirchen sich stärker einbringen würden. Wir werden immer mehr politische Themen haben, wo das Verhältnis zwischen Religion und Rechtsstaat eine wichtige Rolle spielen wird. Da wären Inputs der Kirchen – nicht nur der katholischen selbstverständlich – wertvolle Beiträge zur Diskussion. (ms)

Homepage von Gerhard Pfister

Gerhard Pfister, CVP-Präsident und Zuger Nationalrat | © zVg
19. April 2016 | 10:08
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Präsident der Katholischen Erwachsenenbildung

Der 53-jährige Gerhard Pfister ist Politiker und Schulunternehmer. Er hat von 1994 bis 2012 die Privatschule Institut Dr. Pfister AG in Oberägeri ZG geleitet und dort unterrichtet.

Nebst zahlreichen Mandaten in Wirtschaft und Politik ist Pfister Präsident der Kageb, der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung.

Gerhard Pfister ist Vorstandsmitglied der CVP Schweiz und stellt sich als Nachfolger von Parteipräsident Christophe Darbellay zur Wahl. Er ist der einzige Kandidat und soll an der Parteiversammlung am 23. April in Winterthur zum neuen Präsidenten gewählt werden. (ms)