Muslimin mit Kopftuch
Schweiz

Kündigung wegen Kopftuch ist missbräuchlich

Bern, 23.10.16 (kath.ch) Eine Berner Grosswäscherei hat einer Muslimin mit Kopftuch zu Unrecht gekündigt. Dies hat ein Einzelrichter des Regionalgerichts Bern-Mittelland entschieden, wie die Nachrichtenagentur SDA am Sonntag meldete. Das Urteil hatte zuvor bereits die «Sonntagszeitung» in ihrer jüngsten Ausgabe publik gemacht.

Dem Urteil zufolge habe die Muslimin seit 2009 zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers in dem Berner Betrieb gearbeitet, schreibt die SDA. Eines Tages habe sie erklärt, künftig auch bei der Arbeit ein Kopftuch tragen zu wollen. Sie habe angeboten, dieses jeden Tag zu waschen. Das Unternehmen wollte davon nichts wissen und kündigte der Frau. Es sei aus Gründen der Sicherheit und der Hygiene verboten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, begründete die Wäscherei ihr Vorgehen.

Richter stützt sich auf Religionsfreiheit

Die Kündigung sei missbräuchlich, entschied nun ein Berner Einzelrichter. Der Gerichtspräsident des Regionalgerichts Bern-Mittelland ist laut der SDA zum Schluss gekommen, die Wäscherei habe der Frau nicht beweisen können, dass der Verzicht auf das Tragen eines Kopftuchs «sachbezogen und betrieblich notwendig» sei. Gemäss der «Sonntagszeitung» stützte sich das Gericht auf die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit schütze das Recht, ein Kopftuch zu tragen – auch während der Arbeit in der Privatwirtschaft.

Das Unternehmen muss der Frau eine Entschädigung zahlen. Die Firma habe das Urteil akzeptiert, sagte deren Geschäftsleiter gegenüber der SDA. Er betonte, die Frau sei nicht wegen ihrer «ethnischen Zugehörigkeit» entlassen worden, sondern weil sie die betriebsspezifische Kleiderordnung missachtet habe. Die Kleiderordnung sei in der Wäscherei Teil der Hygienevorschriften.

Islamischer Zentralrat: viele solche Fälle

Für den Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) ist der Fall ein «weiteres Beispiel dafür, dass nicht der Hijab, sondern die islamophoben Vorbehalte die Integration muslimischer Frauen erschweren», wie er auf seiner Homepage kommentiert. Die Generalsekretärin des IZRS, Ferah Ulucay, sagte gegenüber der SDA, es gebe viele solche Fälle. Nur die wenigsten landeten aber vor Gericht. Dies könnte sich nun ändern.

Laut der «Sonntagszeitung» hat der IZRS die Muslimin beim Gang vors Gericht unterstützt. Ulucay betonte gegenüber der SDA, die Muslimin habe sich an den Zentralrat gewandt, nicht umgekehrt.

Fids ist zufrieden mit dem Urteil

Die Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz (Fids) nimmt das Urteil mit Wohlwollen zur Kenntnis, schreibt die «Sonntagszeitung». «Das Kriterium für eine Arbeitsstelle sollten die Kompetenzen sein und nicht das getragene Kleidungsstück.» Das Urteil sei wichtig, damit auch muslimische Frauen Eingang in die Arbeitswelt finden.

Unzufrieden ist hingegen Saïda Keller-Messahli. Die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam bezeichnete das Kopftuch gegenüber der «Sonntagszeitung» als «Accessoire der Islamisten». Deren Kleidervorschriften dürften nicht unter den Schutzbereich der Religionsfreiheit fallen. Das Tragen des Kopftuches sei kein religiöses Gebot im Islam. (bal)

Muslimin mit Kopftuch | © Georges Scherrer
23. Oktober 2016 | 15:26
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!