Bischof Peter Bürcher
Schweiz

Kirchenrechtler: Kopp-Rausschmiss korrekt, aber…

Hat Bischof Peter Bürcher gegen das Kirchenrecht verstossen? Nein, sagen vier Kirchenrechtler. Doch es gibt ein «Aber».

Georges Scherrer

Am stärksten verteidigt der Freiburger Kirchenrechtler Yves Mausen den Apostolischen Administrator, Bischof Peter Bürcher. Dieser habe im Rahmen seiner Amtsgewalt gehandelt, als er den Generalvikar der Urschweiz, Martin Kopp, absetzte. Solche Entscheide würden der normalen Verwaltung des Bistums entsprechen.

Das kanonische Recht komme nicht zum Zug, wo im Canon 428 festgehalten sei, dass während der Sedisvakanz nichts verändert werden dürfe.

Bindende Vertraulichkeitsvereinbarung

Auf die in der Bundesverfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit könne sich der ehemalige Generalvikar nicht berufen, findet Mausen. Kopp könne sich nicht über Vertraulichkeitsvereinbarungen hinwegsetzen.

Bischof Bürcher habe im Communiqué zur Entlassung darauf hingewiesen, dass er die Mitglieder des Bischofsrates aufgefordert habe, keine öffentlichen Stellungnahmen zur Frage der Bischofsnachfolge abzugeben.

Vorrang der Kirchennormen

Ähnlich sieht es Astrid Kaptijn. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht an der Universität Freiburg. Bürcher spreche von einem Verstoss gegen seine Weisung. Als Delegierter des Apostolischen Administrators für die Urschweiz könne Martin Kopp «tatsächlich widerrufen werden».

Astrid Kaptijn
Astrid Kaptijn

Religionsfreiheit betreffe nicht nur den Inhalt des Glaubens, sondern auch die Freiheit, sich gemäss eigenen Kriterien zu organisieren. Dies müsse in dem Masse geschehen, dass die öffentliche Ordnung nicht tangiert werde. Das Kirchenrecht habe eigene Normen, die zuerst angewandt werden müssten.

Absolute Trennung ist nicht möglich

Kaptijn beurteilt die Polarisierung im Bistum als bedauerlich. Die eine Seite berufe sich auf kirchliche Richtlinien. Damit wolle sich der kirchliche Flügel gegen eine Einmischung des Staates schützen, obwohl sie unvermeidlich sei.

«Eine solche Polarisierung führt zu nichts.»

Astrid Kaptijn

Andere würden sich auf den Staat berufen, weil sie bestimmte kirchliche Entscheide fürchteten. «Eine solche Polarisierung führt zu nichts», meint die Kirchenrechtlerin.

Grenzen einer Maulkorbpolitik erkennen

Andreas Thier lehrt unter anderem Kirchenrecht an der Universität Zürich. Er findet: Martin Kopp habe sein Amt verloren, weil er gegen eine explizite Weisung seines Oberen, Bischof Bürcher, verstossen habe. Das römisch-katholische Kirchenrecht verpflichte Kopp «in besonderer Weise» zum Gehorsam.

«Eine für das Bistum Chur sehr wesentliche Frage.»

Andreas Thier

Eine Art Maulkorb zu allen kirchlichen Angelegenheiten wäre nur schwer zu rechtfertigen, sagt Thier. «Soweit ich sehen kann, handelt es sich aber im vorliegenden Fall um eine für das Bistum Chur sehr wesentliche und sehr konkrete Frage.»

In diesem Fall sei eine Verpflichtung zur Zurückhaltung im Hinblick auf das «amtskirchliche Interesse» sehr gut nachvollziehbar.

Zeitpunkt wenig nachvollziehbar

Allerdings gibt Thier zu bedenken: Kopp habe sich bereits in der Vergangenheit kritisch geäussert, wie der Apostolische Administrator selber festhalte. Bürcher habe trotzdem an ihm festgehalten. Es sei darum «wenig nachvollziehbar, wenn daraus jetzt zusätzlich Gründe für seine Entbindung von der Delegiertenposition gesucht werden».

Andererseits sei der Apostolische Administrator auch dazu verpflichtet, die Geltung der Gehorsamsverpflichtung der Kleriker im Bistum durchzusetzen. «Das hat er hier getan.» 

Ähnlich wie an anderen Orten

Inwieweit die Meinungsfreiheit von Personen, die eine Organisation vertreten, eingeschränkt werde, stelle sich bei sämtlichen Arbeitsverhältnissen – nicht nur in der Kirche, sagt der Kirchenrechtler Urs Brosi. Er ist Generalsekretär der Katholischen Landeskirche des Kantons Thurgau und Dozent für Kirchenrecht.

Urs Brosi
Urs Brosi

Bischof Peter Bürcher habe als Apostolischer Administrator von Chur die bisherigen Generalvikare zu «Delegierten des Apostolischen Administrators» ernannt. Diese Funktion sei eine Hilfskonstruktion, die im Kirchenrecht in dieser Weise nicht vorgesehen sei. Sie werde aber in vielen Diözesen seit langem bei einer Sedisvakanz gebraucht, um die diözesane Verwaltung aufrecht zu erhalten. Wenn der Apostolische Administrator Befugnisse entziehe, so sei dies kirchenrechtlich möglich.

Bischof Peter Bürcher | © zVg
1. April 2020 | 06:08
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