Islamischer Religionsunterricht an einer deutschen Schule
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Kein muslimischer Religionsunterricht ohne staatliche Anerkennung

Stuttgart, 20.7.18 (kath.ch) Eine neue rechtliche Grundlage für den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg strebt Ministerpräsident Winfried Kretschmann an. Der bisher nur an ausgewählten Schulen als Modell angebotene Unterricht für Muslime soll auf eine dauerhafte und breitere Basis gestellt werden.

Michael Jacquemain

Das Problem: Die grundgesetzlichen Regeln setzen eigentlich die Anerkennung als Religionsgemeinschaft voraus. Davon sieht die Regierung die muslimischen Verbände und Zusammenschlüsse indes weit entfernt.

Stiftung öffentlichen Rechts als Träger

Kretschmann hat jetzt vorgeschlagen, eine Stiftung öffentlichen Rechts als Träger des Unterrichts zu gründen. In diesem «Sunnitischen Schulrat» sollen die islamischen Verbände mitsprechen können, aber nicht das alleinige Sagen haben, was ihnen lieber wäre.

Kretschmann will dafür eine Geschäftsstelle mit Landesbeamten einrichten. Die Grundsätze für Lehrinhalte, Schulbücher, Fachaufsicht und die Auswahl des Lehrpersonals soll ein Vorstand formulieren, in dem neben den Verbänden auch andere Experten sitzen. Eine «Theologische Schiedsstelle» soll Streitfragen klären helfen.

Weniger als zehn Prozent

Seit mehr als zwölf Jahren ist islamischer Religionsunterricht im Südwest-Deutschland ein Modellprojekt. Daran nehmen rund 6’000 Kinder in knapp 100 Schulen teil – das sind weniger als zehn Prozent der muslimischen Mädchen und Jungen.

Die Gespräche mit den vier beteiligten islamischen Verbänden über die dauerhafte Trägerschaft für einen regulären Unterricht verliefen bislang ergebnislos. Das liegt daran, dass die Verbände selbst die Verantwortung übernehmen wollen – was aber staatliche Stellen nicht nur in Baden-Württemberg aus rechtlichen Gründen ablehnen.

Reaktion der Muslime

Der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte Kretschmann: «Wir haben Verbände, die meinen, sie seien Religionsgemeinschaften. Das sind sie aber nicht.» Deshalb fehlt der nach dem Grundgesetz notwendige Ansprechpartner. Schliesslich will und kann der säkulare Staat nicht entscheiden, was in der Schule Religiöses vermittelt werden soll.

Entscheidend wird sein, wie sich die Verbände positionieren: der türkische Moscheeverband Ditib, der Landesverband der islamischen Kulturzentren (LVIKZ), die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken (IGBD).

Für LVIKZ-Chef Yavuz Kazanc ist es «zu früh, etwas zu sagen». Zugleich macht er deutlich, dass die Verbände ein Mitspracherecht für die Auswahl des Lehrpersonals einfordern. Kazanc betont, die Verbände wollten für ihren Unterricht «nicht mehr oder weniger als die christlichen Kirchen».

Klar geregelte Zuständigkeiten

Doch dieser Vergleich hinkt aus staatlicher Sicht, ist es ja gerade der Unterschied, dass die Kirchen keine Verbände, sondern Institutionen mit klar geregelten Zuständigkeiten sind. Etwa einem theologischen Lehramt, das der Islam aus seinem Selbstverständnis heraus in der Form weder hat noch will.

Die Kirchen mögen die Diskussion um das Modell nicht kommentieren. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sie sich einer solchen Struktur unterwerfen würden, in der dem Staat ein so hohes Mass an Mitbestimmung zusteht – etwa durch Landesbeamte. Ob dies der grundgesetzlich vorgeschriebenen Trennung von Staat und Kirche entspricht, kann bezweifelt werden. Ein weiterer neuralgischer Punkt ist, wer bestimmt, welche Personen in welchen Gremien sitzen und was sie zu entscheiden haben.

Auch die Verbände sind in einer schwierigen Situation: Scheitern die Verhandlungen, ist die Zukunft des Religionsunterrichts ungewiss. Und es ist unwahrscheinlich, dass ein künftiger Ministerpräsident dem Thema gegenüber aufgeschlossener ist als der grüne Katholik Kretschmann. (kna)

Islamischer Religionsunterricht an einer deutschen Schule | © KNA
20. Juli 2018 | 13:39
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