Karin Iten
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Karin Iten: Pornos nicht pauschal verteufeln, sondern einen sorgfältigen Umgang thematisieren

Papst Franziskus warnt junge Priester vor Pornografie: «Es ist ein Laster.» Die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, Karin Iten, fordert einen differenzierten Blick: «Wir müssen unter anderem zwischen illegaler und legaler Pornographie unterscheiden.»

«Statt spiritueller Überhöhung, Schuldgefühlen und Angstmacherei vor dem Teufel wäre es interessant, von Papst Franziskus zu erfahren, welche Sexualität er zölibatär lebenden Menschen denn zubilligt. Was ist seiner Meinung nach für zölibatär lebende Menschen nicht des «Teufels Tat» rund um Sexualität?

Jugendliche aus Madagaskar verdienen mit Cybersex Geld.
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Ich vermisse zudem in den Äusserungen von Papst Franziskus eine klare Differenzierung zwischen illegaler und legaler Pornografie. Die Produktion und der Konsum von Kinderpornografie sind ein Verbrechen, da Kinder missbraucht werden. Und auch die Produktion von Pornos, welche die Notlage von Menschen ausnutzen, ist nicht in Ordnung. Legale, fair entstandene Pornos sind eine ganz andere Kategorie.

Legale Pornografie unter fairen Produktionsbedingungen sollten nicht pauschal verteufelt werden. Es geht um einen individuell gesunden Umgang und das gute Mass darin. Ich berufe mich auf die Sexualtherapeutin Ursina Brun del Re, die zum Pornokonsum geforscht hat. Im Gegensatz zum Papst ist sie also eine ausgewiesene Fachfrau. Welche Fachexpertise hat der Papst dazu?

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.

Für Ursina Brun del Re ist zentral, das Gefühl für den eigenen Körper nicht zu verlieren und zwischen Pornodarstellung und realem Sex zu unterscheiden.

Natürlich gibt es destruktive Formen wie Pornosucht. Pornosucht bedarf der professionellen Behandlung und nicht der Beichte. Und natürlich kann übermässiger Porno-Konsum auch weitere schädliche Folgen haben. Doch statt wie der Papst Pornos pauschal zu verteufeln, sollte der sorgfältige Umgang thematisiert werden. 

Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.
Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.

In Bezug auf Machtmissbrauch geht es auch darum, die in Pornos transportierten Rollenbilder kritisch zu hinterfragen. So gibt es zum Beispiel auch feministische Pornografie, die Frauen nicht zu Objekten degradieren, sondern Frauen als Subjekte zeigen. 

Die legale Pornografie hat eine riesige Bandbreite. Alles pauschal über einen Leist zu schlagen, ist zu wenig differenziert und zu unsorgfältig. Über die Chancen und Risiken von Pornokonsum kann zudem nur offen geredet werden, wenn darin nicht mit pauschaler Angstmacherei und Schulddruck argumentiert wird – mit dem Hinweis auf den Teufel.»

Karin Iten ist Präventionsbeauftragte des Bistums Chur. Sie äussert sich gegenüber kath.ch zu den Aussagen von Papst Franziskus zum Thema Porno-Konsum. (rr)


Karin Iten | © Christian Merz
27. Oktober 2022 | 17:12
Lesezeit: ca. 2 Min.
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