Metropolit Hilarion und Kardinal Koch an Festakt in Freiburg
Schweiz

Ein Jahr nach Havanna blicken Kardinal Koch und Metropolit Hilarion vorwärts

Freiburg i.Ü, 13.2.17 (kath.ch) Der «Aussenminister» der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, und der «Ökumeneminister» des Vatikan, Kardinal Kurt Koch, gedachten am Sonntag in Freiburg des historischen Treffens vor einem Jahr von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill auf Kuba. Koch skizzierte bei einem Festakt an der Universität Freiburg, wie der Dialog zwischen den beiden Kirchen weitergeht.

Georges Scherrer

Ein Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen sei aktuell nicht in Vorbereitung, sagte Kardinal Koch in Freiburg vor den Medien. Die Begegnung zwischen den beiden Kirchen gehe nun auf einer hohen hierarchischen Ebene weiter. Der Kardinal sprach in diesem Zusammenhang von einer «Ökumene der Heiligen». Symbolisch geschieht dies durch den Austausch von Reliquien oder Ikonen, die für die jeweilige Kirche wichtig sind.

Diese Form gegenseitiger Wertschätzung unterstreiche die Annäherung beider Kirchen auch beim Volk Gottes, zeigte sich der Kardinal überzeugt. Er sprach weiter von einer «kulturellen Ökumene», die nach dem Treffen auf Kuba bereits Fuss gefasst habe. Es sei bereits zu gegenseitigen Studienbesuchen gekommen. Weitere kulturelle Initiativen würden vorbereitet.

Angeworfen sei auch die «praktische Ökumene». Als Beispiel nannte der Kardinal den Besuch einer gemischten Kommission der katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche im Nahen Osten. Es ging darum, die von Krieg und Vertreibung heimgesuchte Bevölkerung zu unterstützen.

Theologie ist nicht tangiert

Ein anderes Thema ist die Theologie. Koch unterstrich, dass die Frucht des Treffens zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill in Havanna die «pastorale Ökumene» sei. Die Begegnung habe nicht im Rahmen des «theologische Dialogs» stattgefunden, sondern im Rahmen des «sogenannten Dialogs der Liebe».

An der privaten Unterredung zwischen Franziskus und Kyrill 2016 nahmen neben zwei Dolmetschern Koch und Hilarion teil. Koch liess in Freiburg durchblicken, dass er sich über diesen Teil der Gespräche zwischen den beiden Kirchenoberhäuptern nicht äussern könne.

An dem Treffen unterzeichneten die beiden Kirchenoberhäupter eine «Gemeinsame Erklärung». Deren Zielsetzung war nicht theologischer Natur. Das Schreiben befasst sich nicht mit den Sakramenten. Die theologischen Fragen würden nicht «bilateral» zwischen den beiden Kirchen, sondern «multilateral» mit der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit besprochen, sagte Koch.

Märtyrer bringen Kirchen zusammen

Das Kubaner Treffen hat nach Ansicht von Metropolit Hilarion, Leiter des Aussenamtes der Russisch-Orthodoxen Kirche, bezeugt, wie das Mass an Vertrauen und gegenseitigem Verständnis zwischen den beiden Kirchen gewachsen sei. Der wichtigste Beweggrund für das Treffen sei die tragische Situation gewesen, die im Nahen Osten und Nordafrika aufgrund der Kriege und des Terrors entstanden sei, so Hilarion.

Der Metropolit machte eine Brücke zwischen den Märtyrern von heute und jenen des ersten Jahrtausends der Christenheit. Das Zeugnis all dieser Märtyrer nannte er das «Fundament für die Annäherung und das gemeinsame Wirken der Kirchen schon jetzt, noch vor der Überwindung der theologischen Hindernisse auf dem Weg der Einheit».

Die beiden Kirchen könnten ihre gemeinsamen Ziele, das Erreichen des Friedens in verschiedenen Weltgegenden, wo Krieg herrsche, nur durch die «Überwindung der historischen Feindschaft» erreichen. Die «alte Psychologie» der Rivalität und des «Seelenfangs» müsse der geschwisterlichen Zusammenarbeit weichen.

Gemeinsame ethische und gesellschaftliche Werte

Gemeinsamkeiten beider Kirchen sieht Hilarion bereits bezüglich des Themas Ehe, Familie und Kinder als «Grundlage jeder gesunden Gesellschaftsordnung». Auch in Bezug auf die Abtreibung sei die Haltung gleich. Den Kirchen müsse daran liegen, angesichts der «alternativen Formen des Zusammenlebens» in einer Zahl von westlichen Ländern, die Haltung der Menschen zu ändern.

Hilarion und Koch folgten einer Einladung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und des Instituts für ökumenische Studien der Universität Freiburg. Der russische Metropolit Hilarion zeigte sich erfreut, dass SBK-Präsident Charles Morerod und der Schweizer Kardinal Kurt Koch seinem Vorschlag auf ein Nachfolgetreffen des Ereignisses in Kuba in Freiburg Folge leisteten.

Am Freiburger Festakt nahmen grosse Delegationen verschiedener orthodoxer Kirchen, der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Christkatholiken und der reformierten Kirchen in der Schweiz teil. SBK-Präsident Charles Morerod, Metropolit Jeremias der Schweiz und die Freiburger Staatsrätin Marie Garnier richteten Grussworte an die Teilnehmer.

Gipfel-Treffen in Havanna

Am 12. Februar 2016 kam es auf dem Flugplatz in Havanna zum historischen Treffen. Seit der Kirchenspaltung (Schisma) im Jahr 1054 gingen sich Oberhäupter der katholischen und der späteren «Russisch-Orthodoxen Kirche» aus dem Weg – bis vor einem Jahr, als sich erstmals überhaupt ein russisch-orthodoxer Patriarch und ein katholischer Papst trafen.

Hilarion und Koch waren mit unter den Wegbereitern der Begegnung. Koch unterrichtete an der Universität Freiburg, Hilarion studierte in Freiburg. Heute ist er dort Titularprofessor. Ihre Freundschaft ebnete mit den Weg für das Treffen auf Kuba.

Koch erklärte, dass eine weitere Begegnung zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill nicht in Vorbereitung sei. Metropolit Hilarion hatte darum ein Treffen auf «ministerieller» Ebene angeregt und dafür Freiburg vorgeschlagen, wie er am Festakt sagte.

Den Abschluss des Konzerts bildete ein Konzert, an dem verschiedene Lieder gegeben wurden, die Metropolit Hilarion komponiert hat.


Die Havanner Erklärung und die Ukraine

Kardinal Koch wies darauf hin, dass die von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill unterzeichnete Erklärung die «schmerzliche Situation, wie sie zurzeit unsere ukrainischen Brüder und Schwestern durchleben und erleiden» nur sehr knapp behandle und dies von der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine kritisiert worden sei. Koch ergänzte in seinem Vortrag den verteilten Redetext und betonte, dass die Ukraine über den Dialog zum Frieden finden müsse. Papst Franziskus habe sich zudem mehrmals zum «Drama» in der Ukraine geäussert.

Metropolit Hilarion gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Aufruf der beiden Kirchenoberhäupter dazu beitrage, dem Blutvergiessen in der Ukraine ein Ende zu setzen. Der Aufruf sei «heute ausserordentlich aktuell angesichts der eskalierenden Spannungen im Osten der Ukraine, wo erst kürzlich die kriegerischen Handlungen neu aufflammten».

Der Metropolit wies zudem auf die äusserst «gereizte» Beziehung zur «Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche» hin. Die gemeinsame Erklärung von Franziskus und Kyrill und besonders die darin enthaltenen Aussagen zur Ukraine habe Grosserzbischof Svjatoslav Shevtchuk mit den Worten quittiert: «Wir haben bereits mehrere solcher Erklärungen überlebt, wir werden auch diese überleben.»

Metropolit Hilarion und Kardinal Koch an Festakt in Freiburg | © Georges Scherrer
13. Februar 2017 | 12:41
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In jesuitischer Schnelle

Wer Einblick in die russisch-orthodoxe Kirche gewinnen will, der ist mit dem neuen Katechismus zum orthodoxen Glauben gut bedient. Dieser wurde von Metropolit Hilarion verfasst und, wie der Autor in Freiburg erklärte, «mit unglaublicher jesuitischer Geschwindigkeit» durch den Jesuiten Peter Knauer ins Deutsche übersetzt, so dass das Buch fast vor der russischen Ausgabe in den Handel gelangt. Er habe sich bemüht, dass der Katechismus nicht zu ausufernd, aber auch nicht zu kurz gefasst veröffentlicht werde, sage Hilarion in Freiburg.

Der «Katechismus – Kleine Wegleitung im orthodoxen Glauben» erscheint beim Aschendorff Verlag in Münster und gelangt in den kommenden Wochen in den Verkauf, hiess es beim Verlag auf Anfrage.