Kamel durchs Nadelöhr
Schweiz

Kamel durchs Nadelöhr

Zürich, 10.7.17 (kath.ch) «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt», sagte Jesus zu seinen Jüngern. Sie erschraken sehr, wie es im Markusevangelium heisst. Zum berüchtigten Kamel im Nadelöhr schreibt Charles Martig den zweiten Teil der Kolumne zur Sommerserie 2017 «tierisch-heilig».

Wer vermögend ist, hat es schwer in das Himmelreich Gottes einzutreten. Das verbürgen uns die Evangelisten Markus (Mk 10,17-25), Lukas (Lk 18,18-25) und Matthäus (Mt 19,16-24). Also gleich dreifach belegt ist die Antwort von Jesus an den reichen Mann, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als derselbe in den Himmel. Die Chancen stehen also schlecht, sehr schlecht sogar. Verfluchtes Kamel!

Kamel | © Pixabay Paul Brennan CC0 Kamel | © Pixabay Paul Brennan CC0

Doch nehmen wir das arme Tier in Schutz! Es könnte sich nämlich um einen Übersetzungsfehler handeln. Das griechische Wort «kámêlos» schreibt sich sehr ähnlich wie «kamilos», was so viel wie «Schiffstau» oder «dickes Seil» bedeutet. Ein Tau durch ein Nadelöhr zu stecken, ist immer noch schwierig, aber wenigstens würde hier das arme Kamel von dem unmöglichen Zirkus-Akt entlastet.

Beim zweiten Versuch des Kamel-Tierschutzes greifen wir auf die Erkenntnisse der Archäologie zurück. In der Stadtmauer von Jerusalem gab es Stellen, die so schmal waren, dass in der Nacht ein Kamel nur mit Mühe durchkommen konnte. Diese schmalen Durchgänge wurden angeblich im Volksmund als «Nadelöhr» bezeichnet. Diese Bibelstelle könnte also aussagen: Ein Reicher kann zwar in das Himmelreich kommen, aber es ist für ihn schwieriger als der Kamel-Trick nach Einbruch der Dunkelheit.

Im Wissen darum, dass diese Deutung die radikale Aussage von Jesus abschwächt, plädiere ich trotzdem für den Tierschutz. Schliessen wir also daraus, dass dieses Kamel kein magisches Super-Schlangen-Vieh war, sondern bloss ein verspätetes Karawanen-Kamel. Ballast abwerfen ist gefragt! Auf dass wir aus den Worten Jesu lernen und nicht wie das «dümmste Kamel» vor dem kleinsten Schlupfloch stehen bleiben.

*Charles Martig ist der Direktor des Katholischen Medienzentrums

Post Scriptum: Auch in der Wüste Gobi gibt es Kamele, und die können sogar weinen.

Kamel durchs Nadelöhr | © Karikatur von Natalie Fritz
14. Juli 2017 | 14:00
Lesezeit: ca. 1 Min.
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