Italiens Bischöfe veröffentlichen Missbrauchs-Leitlinien

Rom, 23.5.12 (Kipa) Sexueller Missbrauch durch katholische Geistliche muss von den Bischöfen Italiens nicht automatisch gegenüber den staatlichen Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden. Die Bischöfe seien jedoch verpflichtet mit den staatlichen Behörden zusammenzuarbeiten, heisst es in den Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch, die am Dienstag von der italienischen Bischofskonferenz in Rom vorgestellt wurden.

Ein Bischof sei keine staatliche Amtsperson. Rechtlich sei er daher nicht verpflichtet, Informationen an staatliche Justizbehörden weiterzuleiten, so das 24-seitige Dokument. Die italienischen Bischöfe sind seit Montag in Rom zu ihrer Frühjahrsvollversammlung zusammengekommen.

Konsequent aus der Seelsorge entfernen

Priester, die Minderjährige sexuell missbraucht haben, sollen nach den Worten des Generalsekretärs der Bischofskonferenz, Bischof Mariano Crociata, unverzüglich aus der Seelsorge entfernt werden. Ein solcher Geistlicher werde nicht wieder in die ordentliche Seelsorge zurückkehren und in keiner Weise mehr Kontakt mit Minderjährigen bekommen, sagte Crociata. Die Veröffentlichung der Leitlinien erfolgte wenige Tage vor Ablauf der einjährigen Frist, die die vatikanische Glaubenskongregation den Bischofskonferenzen der Weltkirche im vergangen Mai zur Erarbeitung eines solchen Regelwerks gesetzt hatte.

Die italienischen Vorgaben sind in der Frage der Anzeigepflicht weniger streng als andere Bischofskonferenzen. In Deutschland etwa muss ein Bischof seit der Neufassung der Leitlinien im Jahr 2010 Informationen über Missbrauchsfälle an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten, sobald sich ein Verdacht nach Gesprächen mit den potenziellen Opfern erhärtet hat. Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn das Opfer ausdrücklich auf diesen Schritt verzichtet. In der Schweiz «muss auch ein staatliches, straf- oder zivilrechtliches Verfahren eingeleitet werden», wenn entsprechende Gegebenheiten des Falles vorliegen (beispielsweise schwerwiegende Anklagepunkte oder Gefahr für die Opfer. So schreiben es die Richtlinien der Schweizer Bischofskonferenz vor.

135 Missbrauchsfälle

Die italienische Bischofskonferenz hat im Zeitraum von 2000 bis 2011 insgesamt 135 Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Priester registriert. Diese Zahl nannte ihr Generalsekretär, Bischof Mariano Crociata. In 77 dieser Fälle kam es nach seinen Angaben es zu einem Verfahren vor einem staatlichen Gericht. 22 Priester seien in erster und 17 weitere in zweiter Instanz verurteilt worden. 5 Verfahren endeten laut Crociata mit einem Freispruch. In 21 Fällen hätten sich die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf eine Vereinbarung verständigt, 12 Verfahren seien eingestellt worden.

Es war das erste Mal, dass die Italienische Bischofskonferenz genaue Zahlen für Missbrauchsfälle vorlegte.

(kipa/cic/pem)

23. Mai 2012 | 10:03
Lesezeit: ca. 1 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!